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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Seltsamkeiten auf dem Gebiet der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0105

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Waldmüller, Kupelwieser und noch anderen. In neuester Zeit sind sogar
reichliche Aufzählungen zusammengestellt worden.*)
Auch in den Darstellungen der Gemälde gibt es allerlei Sonderbar-
keiten. Allbekannt sind die Drolerien aus den Handschriften des späten
Mittelalters, aus denen die Gestalten eines Hieronymus Bosch, eines Mandyn,
manche des alten Brueghel und seiner leiblichen und künstlerischen Nach-
kommenschaft hervorgewachsen sind bis herauf zu den Zwergfiguren eines
Faustino Bocchi, der weniger beachtet ist als die eben genannten älteren
Maler. Bocchi, ein Künstler des späten 17. und noch des 18. Jahrhunderts,
war Brescianer von Geburt. Nach St. Fenaroli**) lernte er bei Angelo
Everardi gen. il Fiammenghino. Er malte bizarre Bilder mit Pygmäen. In
einigen italienischen Sammlungen werden ihm überlieferungsweise Bilder
zugeschrieben, unter anderen in der Pinakothek zu Brescia.***) Ein signiertes,
überaus erfindungsreich komponiertes Werk befand sich vor Jahren im
Wiener Kunsthandel. Dieses kam später (1891) zu dem Wiener Sammler
Dr. Karl Groß, der es 1896 wieder verkaufte. Ein zweites, nicht signiertes
großes Bild, das Dr. Groß besaß, kam 1896 ebenfalls in den Handelt)
Beide sind den Blicken des Forschers seither entschwunden. Augenscheinlich
richtig dem Faustino Bocchi zugeschrieben sind zwei Bilder mit vielen groß-
köpfigen Zwergen im Besitz des Genfer Museums (im Katalog des Musee
Fol schlechte Abbildungen zu den Nummern 3877 und 3878, Bd. 111). Eine
Versuchung Antonii mit allerlei Fratzen befand sich vor etwa einem Viertel-
jahrhundert im Kaunitzschen Schloß Austerlitz. Auf der Wiener Versteigerung
D. Fürst und S. Kende sah ich im Januar 1902 vier Bilder mit halblebens-
großen Zwergen (flott und geschickt, wenngleich etwas roh gemalt), die
ganz die Art des Bocchi vertraten und wohl von ihm selbst gemalt waren.
Zwei mäßig große Bilder mit karikierten Kämpfen befanden sich vor Jahren

*) Die Detaillesche Anregung von 1902 wurde in Paris vielfach erörtert. Ich
habe darüber einige Artikel aufbewahrt, so einen im Journal des Arts 1902, Nr. 75
bis 77, und einen in der Neuen Freien Presse vom 1. Dezember sowie in der Wiener
Abendpost vom 29. November 1902. Ältere französische Firmenschilder u. a. erwähnt
bei Eudel: L’hötel Drouot, Bd. V, S. 102ff., und bei Ferd. Laban in „Verstreut und
gesammelt“ (1911). — Das Tagesblatt „L’Adriatico“ (Venedig) brachte am 4. Sep-
tember 1910 ein Feuilleton „L’arte e la insegne“ von Guido Marangoni. — Über die
Wiener Ladenschilder: Wimmer, „Die Kunst an der Ladentür“, angeführt bei A. F. Selig-
mann in dem Feuilleton „Schildermalerei in Alt- und Neu-Wien“ und in Notizen
(Neue Freie Presse, 4., 9., 14. und 22. Jan. 1916), ferner R. K. im Wiener „Fremden-
blatt“ vom 27. März 1903 und Monatsblatt des Wiener Altertumsvereines, März, April
und Mai 1916 und April 1917 (Ä F. Seligmann und W. Engimann).
**) Dizionario degli artisti Bresciani (Brescia 1877), S. 31 f. Bocchi wird auch
erwähnt in den alten Nachschlagebüchern von Zani, Orlandi, Guarienti und Lanzi
sowie bei Moschini in „Della letteratura veneziana“ (1806) I, S. 84. Bocchi ist 1659
geboren und 1742 gestorben (nach Thieme-Beckers Künstlerlexikon).
***) Schon erwähnt 1760 in „Le pitture e sculture di Brescia“.
t) Das signierte (FAVSTINVS BVCKHVS, FACIEBAT) kleinere Werk, ein Breit-
bild von 69 X 42 cm, wurde im Versteigerungsverzeichnis der Sammlung Dr. Groß vom
März 1896 beschrieben als: „Maskerade.“ „In einem von einer Mauer umzäunten großen
Schloßhof promenieren und musizieren eine Menge teils maskierter, burlesk und grotesk
aussehender Zwerge.“ — Das größere Bild wird in demselben Katalog verzeichnet als:
„Phantastisches Sujet.“ „Den Vordergrund bildet das Verdeck eines großen Schiffes,
auf dem Gnomen, Zwerge, verschiedene Tiere usw. bunt durcheinander wimmeln.“
Breite 185, Höhe 105. Beide Bilder auf Leinwand. (Dazu Lexikon der Wiener Gemälde-
sammlungen, Artikel Franz Hofbauer und Karl Groß.)

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