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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Seltsamkeiten auf dem Gebiet der Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0107

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Paris 1856). Wichtige Werke von seinem Fuß befinden sich im Museum zu
Montpellier. Die Französin Jeanne Valle legte 1905, damals 14 Jahre alt,
Proben ihrer Fußzeichenkunst in einem Berliner Panoptikum ab. (Ihr Bildnis
kam damals in „Das interessante Blatt“ 1905, Nr. 21.) 1909 erfuhr man
durch allerlei Zeitungsnotizen davon, daß der armlose englische Maler
Bertram Hiles in der Londoner Akademie ausgestellt hatte. Hiles malte nicht
mit den Füßen, sondern bewegte den Pinsel mit dem Munde. Dieser wirk-
lich begabte Künstler könnte auch die Füße zum Malen einüben. Ohne
diese Möglichkeit schuf der Maler Nikolaus W. Kobelkoff, der weder Hände
noch Füße sein eigen nennt Dieser hält den Pinsel in einer ganz eigen-
tümlichen Weise. Er drückt den Pinselstiel mit dem Kinn an der rechten
Schulter fest und malt durch Bewegungen dieser Schulter. (Bildnis Kobelkoffs
im Heft 36 des XI. Jahrganges „Domenica del Corriere“.) Kobelkoff und
die Jeanne Valle sind schon als Mißbildungen zur Welt gekommen. Hiles
hat als Knabe durch einen Unglücksfall die Arme verloren.
Maler, die statt der Rechten die Linke benutzen, um zu arbeiten, sind
ziemlich selten. In Zeichnungen, etwa auch in rasch hingeworfenen Farben-
skizzen, ist das zu erkennen, in Gemälden, die ganz durchgebildet sind,
nicht ebenso. Lionardos Linkshändigkeit ist oft besprochen worden. Aus
späteren Zeiten wäre unter anderem zu beachten, daß der alternde franzö-
sische Maler Jean Jouvenet rechtsseitig gelähmt war. Trotzdem malte er
1717 noch ein großes, vielfiguriges Altarbild für eine Pariser Kirche, und
zwar mit der Linken. Das ist auf dem alten Stich von Thomassin aus dem
Jahr 1724 eigens vermerkt.
Seltsamkeiten auf dem Gebiet der Malerei sind auch Werke von be-
sonderer Kleinheit oder ungewöhnlichem Umfang wie kleinste
Malereien für Schmuckgegenstände, Ringe, Brustnadeln und kleine Dosen.
Wer erinnerte sich hier nicht an Künstlernamen, wie Petitot, Blaremberghe.
Der neuere Miniaturenmaler Van Driesten hat 1905 ein mäßig großes Bild
vollendet: Die Schlacht von Waterloo, das 150.000 Figürchen zur Dar-
stellung bringt. Das ist auch ein Kuriosum der Feinmalerei.
Durch ungewöhnliche Größe fallen manche Fresken der Spätrenaissance
und der Zeiten bis zum Tode Tiepolos auf. Tiepolos Deckenmalerei im
Würzburger Schloß benutzt, wie es heißt, eine Fläche von 550 m2. Aus
neuer und neuester Zeit sind die ungeheuren Flächen zu nennen, die Hugo
Vogel in der Berliner Charite und im großen Saal des Hamburger Rat-
hauses mit Malereien bedeckt hat. Riesengemälde waren schon dem Altertum
bekannt. Aus dem Mittelalter sind einige bemalte Fastentücher von unge-
wöhnlichen Abmessungen erhalten geblieben. Die Venezianer der Spät-
renaissance haben immense Leinwänden für monumentale Zwecke bemalt.
Als Hauptwerk dieser Art ist Tintorettos Paradies im Palazzo ducale zu
Venedig anzusehen. Es mißt 25 m in der Breite. Von dem Spätvenezianer
Antonio Bellucci sind ungewöhnlich große Gemälde für Deutschland ge-
liefert worden. In den Niederlanden fällt durch ungewöhnliche Größe das
Bild von Jacob Jordaens auf im Huis ten Bosch beim Haag. Über M. Alto-
montes riesige Schlachtenbilder für Zolkiew berichtet eine Notiz im vor-
liegenden Heft der Studien und Skizzen. Erinnert sei auch an den im-
posanten Hemicycle von Paul Delaroche im Sitzungssaal der Ecole des
beaux-arts zu Paris. Der Franzose Roybet hat auch ein Riesenbild geschaffen.
 
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