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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Zeitgemässe Kunstbetrachtungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0129

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von vielen mißverstanden, die da meinen, daß sie schon dann modern
seien, wenn sie nur schlecht zeichnen, schwach modellieren, die tollsten
Farben häufen und überhaupt alles anders machen, als es früher gemacht
wurde. Das Experiment hat ja auch in der Kunst seine Bedeutung wie in
der Wissenschaft, und ich will daran erinnern, wie viele reizvolle Wirkungen
wir der neuesten Kunstentwicklung verdanken, die in technischer und inhalt-
licher Beziehung sich vom Hergebrachten loszumachen suchte. Also eifere
ich sicher nicht gegen die wahrhaft erfinderischen großen Talente. Nur eine
affektierte Nachahmung irgendwelcher Art soll als kunstfeindlich hingestellt
und bekämpft werden. — Diese Angelegenheit ist in mancher Beziehung
von volkswirtschaftlicher Bedeutung und drängt uns die Frage auf: welche
Kunst ist durch den Staat zu fördern? Auch die Kunst muß folgerichtiger-
weise gegenwärtig sozialisiert werden, da der ganze Zug der Zeit —
endlich — nach dieser Richtung hinführt.
Eine Sozialisierung der Kunst könnte nun aber niemals in dem
Sinne zweckmäßig sein, daß die Kunstübung als solche allgemein verteilt
wird, sondern nur in der Beziehung, daß das Beste der Kunstleistungen
aller Zeiten allen (nicht nur den Reichen) zugänglich gemacht wird.*) Ein
gleichmäßiges Verteilenwollen des Kunstkönnens wäre eine Art Widerspruch
in sich selbst. Denn Kunst ist in der innersten Natur nur das, was nicht
viele können. Drückte man die Könner auf die Stufe dessen herab, was von
jedem leicht bewältigt werden kann, so wäre das eine Vernichtung der
richtigen Kunst. Die staatliche Kunstförderung hat demnach auch mit
der Unterstützung geringer Talente gar nichts zu schaffen, sondern nur mit
der Förderung der Könner, Zur Zeit unserer alten Monarchie haben alle
Kunstverständigen darüber gelächelt, wenn im Wiener Künstlerhaus die An-
käufe für den Kaiser rein nach dem Maßstab der Unterstützung für unbe-
mittelte Künstler geschahen. Die beste Kunst, das ist aber die einzige
richtige, wurde dadurch keineswegs gefördert, sondern geradewegs hinter
die breite Mittelmäßigkeit zurückgesetzt. Überdies häufte sich im Laufe der
Jahrzehnte eine Unmasse von Bildern im Privatbesitz des Hofes auf, die
ja nicht ganz schlecht waren, aber gewiß zumeist geringeren Wert hatten
als andere Werke, die gleichzeitig durch stärkere Künstler ausgestellt ge-
wesen.
Die Sozialisierung der Kunst hat andere Wege einzuschlagen, als die
Mittelmäßigkeit zu fördern. Im Gegenteil hätte die soziale Kunstfürsorge dahin
zu wirken, daß immer weniger und weniger Mittelmäßiges und nichts Schlechtes
entstehe. Wie sehr auch sonst das ethisch Gute und Schlechte vom künst-
lerisch Guten und Schlechten zu trennen ist, in unserem Falle gehen sie
miteinander. Eine Sozialisierung, die der Menschheit Gutes zu tun beab-
sichtigt, die sie aus dem Kriegselend emporheben will, darf auch in der
Kunst nur das Gute fördern. Der Herausgeber.

*) Vor einiger Zeit habe ich von dieser Art der Kunstsozialisierung in L. Briegers
„Sammler“ gehandelt.

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