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Stoffers, Gottfried [Hrsg.]; Deutsch-Nationale Kunst-Ausstellung <1902, Düsseldorf> [Hrsg.]; Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und Benachbarte Bezirke <1902, Düsseldorf> [Hrsg.]
Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer deutsch-nationalen Kunst-Ausstellung: Düsseldorf 1902 — Düsseldorf, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.34831#0550

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GRUPPE XII: TEXTIL-INDUSTRIE

Gewebe und namentlich Zanella, die in Elberfeld und Umgegend gefertigt werden. Die Hand-
weberei wich allenthalben dem Fabrikbetrieb.
Von grofser Bedeutung sind die zahlreichen Färbereien und Appreturanstalten des Wupper-
thals. Auch diese haben ihre Geschichte. Das Geheimnis der Türkischrot-Färberei gelangte 1784
von Rouen, wohin es thessalische Griechen gebracht haben sollen, nach Elberfeld. Das klare,
harte Wasser der Wupper begünstigte diesen Industriezweig, so dafs Elberfeld-Barmen 1809 bereits
150 Türkischrot-Färbereien besafs. Barmen ragt mehr durch die Bandwirkerei und Riemendreherei,
die Gummigewebe und die Stoffknöpfe hervor. Schon seit Ende des 17. Jahrhunderts wurde von
Elberfeld-Barmen ein lohnender Handel mit Band, Litzen und Schnürriemen betrieben. Der
Hauptabsatz ging nach Frankreich. Nach dem Friedensschlufs 1815 trat grofse Stockung ein. Die
Weber und Wirker mufsten zu anderen Beschäftigungen übergehen und zeitweise aus öffent-
lichen Mitteln unterstützt werden. Ein bedeutender Aufschwung begann erst 1849. Neben den
einfachen Bändern werden gemusterte hergestellt, die stets der Mode folgen; die Bandwirkerei
wird teils hausindustriell, teils fabrikmäfsig betrieben.
Auf eine Vergangenheit von mehr als 500 Jahren blickt die Leinen-und Tuch-Industrie in Krefeld
zurück. Den Grundstein für die heute weltberühmte Krefelder Seiden-Industrie legte der aus dem
Bergischen eingewanderte Adolf von der Leyen, der 1656 die erste Seidenfabrik in Krefeld gründete.
Ewa 100 Jahre später (1759) verlieh Friedrich der Grofse dieser Firma das Monopol auf Band- und
Zwirnmühlen, das dem damals schon blühenden Unternehmen eine gedeihliche Fortentwicklung
sicherte. Sehr begünstigend wirkte die gleichzeitige Befreiung der Rohseide von den hohen Zöllen;
geübte französische und italienische Seidenarbeiter wurden herangezogen und verhalfen der rheinischen
Seiden-Industrie bald zu hoher Blüte. Von Krefeld aus verbreitete sich die Samt- und Seiden-
industrie nach den benachbarten Städten, und das Weberhandwerk fand immer weitern Eingang
in die ländliche Bevölkerung der niederrheinischen Gegend. — Unter den Hülfsgewerben der
Krefelder Seiden-Industrie nahm die Färberei die glänzendste Entwicklung.
Im Bezirk M.-Gladbach war schon früh die Flachsspinnerei und die Verwebung der Garne zu
glatten Zeugen und einfachen Leinendamasten heimisch. Als 1806 die französische Zollgrenze an
den Rhein verlegt wurde, beeilten sich die bergischen Fabrikanten, in der Gladbacher Gegend
Spinnereien und Webereien von Baumwolle und Seide zu errichten. Durch die Aufhebung der
Kontinentalsperre und die freie Zulassung der englischen Konkurrenz trat eine Stockung ein, die
erst allmählich infolge des 1818 eingeführten Zollsystems wich. Die Konkurrenz mit den niedrigen
Löhnen Sachsens nötigte die Gladbacher Industrie, die billigen Baumwollgewebe zu verlassen. Sie
warf sich auf gemischte Gewebe (Wolle mit Baumwolle) und namentlich auf Baumwollbiber.
Neuerdings gelang es, durch grofsartige mechanische Spinnereien und Webereien auch die leichten
Gewebe wiederzugewinnen. Daneben werden Samt, seidene und mit Seide gemischte Stoffe hergestellt.
In Aachen blüht seit dem 13. Jahrhundert die Tuch-Industrie. Sie kam dorthin von Flandern
und Holland und verbreitete sich gleichzeitig nach Köln und den kleineren Städten Burtscheid,
Düren, Goch und Wesel. Die Hauptsitze waren im Mittelalter Aachen und Köln, wo der Übermut
der Wollenweberzünfte blutige Aufstände erregte. Damals waren in Köln 30000 Tuchstühle in
Betrieb, und in Aachen sollen derzeit 20000 verheiratete Tuchweber gewesen sein. Ein Teil der
besiegten Kölner Wollenweber wanderte nach Werden, Lennep, Hückeswagen und Wipperfürth
aus und legte den Grund zu der in diesen Städten noch heute bestehenden Woll-Industrie. Die
1614 aus Aachen vertriebenen Protestanten übertrugen die Tuch-Industrie nach Vaels, Eupen und
Montjoie. Die französische Herrschaft brachte der Stadt Aachen Gewerbefreiheit und damit einen
grofsen Aufschwung. Der Wert der Aachener Wollwaren stieg von 5'^ Millionen Francs im
Jahre 1784 auf 9 Millionen im Jahre 1806. Die erste Spinnmaschine, von Cockerell gebaut, wurde
1821 in Aachen aufgestellt. Im Jahre 1833 gab es in Aachen und Burtscheid bereits 180 Assortimente.
Seit 1840 wurden die Mulejennys, seit 1860 die Selfactors eingeführt, und die Wollspinnerei des
Aachener Bezirks wuchs derartig, dafs 1876 im Regierungsbezirk Aachen 63694 Selfactors und
329123 Handmulefeinspindeln im Betrieb waren. Seit 1830 wurde auch die Handweberei in den
glatten Stoffen von der mechanischen Weberei verdrängt.
Die Leinenwebereien und Bleichereien Bielefelds wurden im 16. und 17. Jahrhundert durch Ein-
wanderer aus den Niederlanden begründet. Die Flachsverspinnung und die Leinenweberei sind
zwar in Rheinland und Westfalen uralt, und ausgedehnte Leinenwebereien bestanden schon vorher
in Osnabrück, Warendorf und Herford. Was die Holländer in Bielefeld einführten, war die Fabrikation
der klaren Leinen. Der Grofse Kurfürst erliefs 1652 die erste Legge-Ordnung, um Mafs und Beschaffenheit
der Leinwand festzustellen und ihr den landesherrlichen Stempel aufzudrücken. Friedrich I. gestattete
den Leinwandwebereien auf dem Lande die willkürliche Vermehrung ihrer Stühle; die Fabrikation
der feinen, dichten Leinwand nahm infolgedessen bedeutend zu. Die Bielefelder Leinwand wurde,
 
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