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Stoffers, Gottfried [Hrsg.]; Deutsch-Nationale Kunst-Ausstellung <1902, Düsseldorf> [Hrsg.]; Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und Benachbarte Bezirke <1902, Düsseldorf> [Hrsg.]
Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer deutsch-nationalen Kunst-Ausstellung: Düsseldorf 1902 — Düsseldorf, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.34831#0628

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Gruppe XX: Schul- und Unterrichtswesen

Die grofsartigen Leistungen der industriellen Arbeit, die uns auf der
Ausstellung entgegentraten, konnten nur hervorgebracht werden durch ein
Geschlecht, das auf Grund einer tüchtigen Allgemeinerziehung fähig ge-
macht worden ist, mit gediegener praktischer Ausführung klare theoretische
Erkenntnis zu vereinigen.
An diesem allgemeinen Bildungsstande unseres Volkes hat die Volks-
schule den gröfsten Anteil, während die Pflege der idealen Wissenschaft
von jeher einen Ruhmestitel der deutschen Hochschulen gebildet hat.
Eine Ausstellung, die auf die Entwicklung der Kulturarbeit Rücksicht nimmt,
darf nicht achtlos an beiden vorübergehen. Schulen sind im allgemeinen
keine günstigen Ausstellungsgegenstände. Man kann zwar durch sta-
tistische und graphische Übersichten die Organisation, die Entwicklung
und Erfolge einer Schulanstalt darlegen, auch ihre äufseren Einrichtungen
durch Zeichnung oder im Modell vorführen, man kann Lehrmittel aller
Art zeigen; zur Darstellung der eigentlichen Arbeit der Schule und der
Ausbildung ihrer Schüler bleibt nur der einseitige Weg der Auslegung
schriftlicher oder -— allgemeiner graphischer Arbeiten und auch nach
diesen Arbeiten ist es nicht leicht, sich ein Urteil über eine Schule zu
bilden. Diese Gründe mögen es gewesen sein, welche die allgemeinen
Bildungsanstalten des Industriebezirks — Volksschulen, Gymnasien, Real-
gymnasien, Oberrealschulen und schliefslich die Hochschulen — veranlafst haben, auf eine
Beteiligung an der Ausstellung zu verzichten. Nur die gewerblichen Fachschulen, die in den
letzten zwanzig Jahren eine erhöhte Bedeutung für die Industrie und das Gewerbe gewonnen
haben, verfügten über einigermafsen wirksame Ausstellungsmittel. Sie haben nicht nur in der
Sprache des Technikers und Kunsthandwerkers, dem Zeichnen, eine Äufserungsform, die den
allgemein bildenden Schulen fast versagt ist; einige unter ihnen, die mit Lehrwerkstätten oder
praktischem Unterricht verbunden sind, können sogar die Gegenstände selbst, vollendet oder in den
verschiedenen Stadien ihrer Bearbeitung, dem Beschauer vorführen.
Da aufserdem diese Schulen eine unmittelbare Beziehung zu den gewerblichen Leistungen und
den Vorführungen der Industrie auf der Ausstellung bieten, so war es natürlich, dafs eine Aus-
stellung des Schulwesens sich in erster Linie auf diese Schulgattung erstreckte.
Das gewerbliche Schulwesen in Preufsen ist verhältnismäfsig jungen Datums. Wenn sich auch
Ansätze eines gewerblichen Unterrichts schon Ende des siebzehnten Jahrhunderts in den Anstalten
der Halleschen Pietisten nachweisen lassen, so hatten diese Bestrebungen an den Realschulen,
wie später an den Gewerbeschulen, regelmäfsig das Schicksal, im Laufe der Zeiten bei der
Entwicklung der betreffenden Schulen zu höheren allgemeinen Bildungsanstalten zu verkümmern.
Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts finden wir den Staat bemüht, die Kunst-Akademien durch
Pflege des Zeichenunterrichtes im Dienste der Gewerbe nützlich zu verwerten. Die Idee hierzu ging
von Friedrich dem Grofsen aus, jedoch erst unter seinen Nachfolgern konnte der Plan verwirklicht
werden; in rascher Folge wurde eine Reihe von Provinzial-Kunst- und Zeichenschulen ins Leben
gerufen. Die Gewerbeschulen haben ein halbes Jahrhundert lang viel zu der Entwicklung der
Industrie und des Maschinenwesens in Preufsen beigetragen; eine grofse Reihe von Männern,
deren Namen als führende Geister des Ingenieurwesens und der Technologie einen guten Klang
haben, sind aus ihnen hervorgegangen. Allmählich aber, meist zu Anfang der 80 er Jahre, verloren
diese Schulen ihren gewerblichen Charakter und wurden vielfach als Oberrealschulen in allgemeine
Bildungsanstalten übergeführt.


Regierungs- und
Gewerbeschulrat von Czihak
Vorsitzender der Gruppe XX
 
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