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Stoffers, Gottfried [Hrsg.]; Deutsch-Nationale Kunst-Ausstellung <1902, Düsseldorf> [Hrsg.]; Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und Benachbarte Bezirke <1902, Düsseldorf> [Hrsg.]
Die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung für Rheinland, Westfalen und benachbarte Bezirke verbunden mit einer deutsch-nationalen Kunst-Ausstellung: Düsseldorf 1902 — Düsseldorf, 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.34831#0648

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326

GRUPPE XXII: KUNSTGEWERBE

heraus. — Da das Kunstgewerbe sowohl mit den kaufmännischen Begriffen von Ware und Absatz
arbeitet, wie es sich die Befriedigung des künstlerischen Geschmacks angelegen sein läfst, so ist
es darauf angewiesen, den Forderungen seiner von den wechselnden Moden beeinffufsten Besteller
zu genügen. Anderseits vermag es durch
besonders eigenartige und reizvolle Leis-
tungen die Mode fortwährend zu führen.
Das Kunstgewerbe auf der Ausstellung
schied sich deutlich in zwei Richtungen.
Hier das sichere, oft aber etwas unselb-
ständige und damit epigonenhafte Arbeiten
mit überlieferten, dafür aber unkorrigier-
bar ausgeprägten Stilarten, dort das noch
suchende, aber ursprüngliche Bestreben,
den modernen Darbietungen zu ent-
sprechen. Einerseits als Auftraggeberin
und Hauptkundin die Kirche, deren genaue
Forderungen ein reiches Können und eine
strenge Zucht des Geschmacks zur Be-
dingung machen, auf der andern Seite
als launenhafte, aber immer neue Auf-
gaben schaffende und mit den Prinzipien
des neuen Stils einverstandene Abneh-
merin das grofse Publikum.
Das Bemerkenswerteste, im Hinblick
auf den Handel vielleicht das Wichtigste,
was die kunstgewerbliche Abteilung bot, zeigten verschiedene rheinische Anstalten für Kunstzinn.
Sie stellten zusammen eine jetzt schon blühende Spezial-Industrie dar, die sich mit Recht der
besten Aussichten für die Zukunft erfreuen kann und die auf die Entwicklung des Geschmacks
zunächst im Ausstellungsgebiet bereits anfängt, ihren Einffufs auszuüben.
Die bedeutendste dieser Anstalten ist wohl die Firma J. P. Kayser Sohn, Krefeld, die das bekannte
schöne Kayserzinn herstellt. Sie hatte in einem entzückenden kleinen Privatpavillon in der Haupt-
allee der Ausstellung ihre Kunstzinnwaren in einer würdigen künstlerischen Umrahmung ausgestellt.
Der kleine Pavillon glich fast einem jener altertümlichen Prachtschreine aus der kunsthistorischen
Ausstellung; er enthielt in vortrefflicher Anordnung sowohl ihre vollständigen Zinngeschirre, Tafel-
gefäfse und Platten, die, so handlich wie gefällig geformt, in leichten, duftigen Reliefs naturalistische
Dekorationen von Fischen, Krebsen, Vögeln u. dergl. aufweisen, wie reizende
Ziergegenstände aller Arten und Gröfsen. Fast konnte man diesen prächtigen
Gegenständen allen die Freude eines reichen, ungebundenen, künstlerischen
Schaffens anmerken, das keinerlei Tradition befolgt als die Forderungen des
guten Geschmacks. Die Dekorationen zeigten durchweg nichts Kokettes, keine
übertriebene Zierlichkeit; sie waren eher „däftig" zu nennen, wie es dem
Charakter des Zinns entspricht; und dieses Metall zeigte, als sicheres Kenn-
zeichen einer vortrefflichen Behandlung, jenen natürlichen, schönen, reichen
Glanz, den wir schon am Hauszinn unserer Vorfahren so bewundern.
Die Gruppe Kunstgewerbe lag genau in der Mitte des Industriepalastes,
im Hintergrund des geräumigen Kuppelbaues. Glänzende Schaustellungen
zweier Kunstmetallfabriken flankierten prächtig den Eingang in den Bereich
der Gruppe; links die Orivit-Akt.-Ges. Köln-Ehrenfeld, rechts die Firma
F. X. Dautzenberg jun., Krefeld-Königshof. Die Ehrenfelder Orivit-Gesellschaft
befafst sich mit der Herstellung modern stilisierter Ziergeräte aus vergoldetem
und versilbertem Zinn. Am schönsten erschienen die ihrer Gegenstände, bei
denen das Orivit vergoldet oder vergoldet und versilbert allein wirkte. Nament-
lich bei ganz kleinen, für den Damentisch bestimmten Gegenständen, die teils
Nützlichkeitszwecken dienten, teils kaum mehr als Spielereien waren, zeigten
sich ganz reizende moderne Modelle. Daneben waren mancherlei Krystall-
gefäfse und Fayencen vorhanden, bei denen das Orivit nur als Umspannung
oder als geschmackvolle Einfassung angewandt war. Die Firma F. X. Dautzenberg jun. stellte ihr
sogen. Phönix-Zinn, vergoldet und versilbert, zur Schau. Grofse figürliche Prunkstücke und eine
reiche Auswahl kostbarer Nippgegenstände erfreuten sowohl durch die Reize ihrer Erfindung wie


W. A. Falger, Münster
Gotischer Taufbrunnen
aus Bronze


Pavillon der Firma J. P. Kayser Sohn, Krefeld (Innen-Ansicht)
 
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