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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 10.1919-1920

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Viertes Heft
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Schwitters, Kurt: Gedichte
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Spengemann, Christof: Der Künstler
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Schwitters, Kurt: Die Merzmalerei
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Inhalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.37115#0067

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Hüttennah
Hüttensanft
Hüttenumeint sinken
Lagerentrückt
Verr ungen
Welkt
Gott
Welt
Ich
Ein Welken

Der Künstler
Christof Spengemann
An Kurt Schwitters
Die Herrn vom stampfenden Leben kön-
nen es nicht begreifen. Heute, — 1919!
—: da sitzt er vor einer Fliege, die ihre
Flügel putzt und faltet die Hände. Und
träumt und träumt.
— — ob es auch nationalliberale Flie-
gen gibt?
Er hat keine rechte Vorstellung. Fragt
nur, weil der Klang ihn ekelt: eine selbst-
quälerische Natur.
Die Sonne ist schwarz.
Aus rauchenden Trümmern steigen zer-
riebene Körper. Alan hat sie mit ihren eige-
nen Eingeweiden zerschlagen. Man hat sie
durch Hungerdelirien gepeitscht. Auf den
verlangenden Händen tragen sie einen toten
Fisch, bangend, er könne das Kreuz brechen.
Taumel im Dunstkreis ekelster Triebe.
In tanzenden Leibern starren tausendmal
gemordete Herzen.
Nägel sind in die Gehirne getrieben.
So wühlen die Menschen Geschichte.
Von fern her umweht ihn ihr Odem,
Er tastet. Flackert wie ein verlegenes
Kind.
Willenlos: quer über das Bild in weißer
Schrift Worte, die er an einer Planke las:
Anna Blume hat ein Vogel — —
Es ging nicht anders.
Die Herren vom stampfenden Leben er-
beben:
Heute! Den Rücken gegen den Tag!
Solcher Unfug!
Will er uns uzen?
Wer ist überhaupt Anna Blume?
Verbogenes Hirn!

Er malte das Bildnis der Zeit und wußte
es nicht.
Nun kniet er vor einem Gänseblümchen
und betet.

Die Merzmaierei
Kurt Schwitters
Die Bilder Merzmalerei sind abstrakte
Kunstwerke. Das Wort Merz bedeutet we-
sentlich die Zusammenfassung aller erdenk-
lichen Materialien für künstlerische Zwecke
und technisch die prinzipiell gleiche Wer-
tung der einzelnen Materialien. Die Merz-
malerei bedient sich also nicht nur der
Farbe und der Leinwand, des Pinsels und
der Palette, sondern aller vom Auge wahr-
nehmbarer Materialien und aller erforder-
lichen Werkzeuge. Dabei ist es unwesent-
lich, ob die verwendeten Materialien schon
für irgend welchen Zweck geformt waren
oder nicht. Das Kinderwagenrad, das Draht-
netz, der Bindfaden und die Watte sind der
Farbe gleichberechtigte Faktoren. Der
Künstler schafft durch Wahl, Verteilung und
Entformung der Materialien.
Das Entformeln der Materialien kann schon
erfolgen durch ihre Verteilung auf der Bild-
fläche, Es wird noch unterstützt durch Zer-
teilen, Verbiegen, Ueberdecken oder Ueber-
malen. Bei der Merzmalerei wird der Kisten-
deckel, die Spielkarte,; der Zeitungsaus-
schnitt zur Fläche, Bindfaden, Pinselstrich
oder Bleistiftstrich zur Linie, Drahtnetz,
Uebermalung oder aufgeklebtes Butterbrot-
papier zur Lasur, Watte zur Weichheit.
Die Merzmalerei erstrebt unmittelbaren Aus-
druck durch die Verkürzung des Weges von
der Intuition bis zur Sichtbarmachung des
Kunstwerkes.

inhalt
Herwarth Waiden: Die Kunst in der Freiheit
Herwarth Waiden: Die Kunst in der Fachkritik
Lothar Schreyer: Gedichte
Wiiheim Schiichtkruü: Frühiing
Widy Knobioch: Gedichte
Kurt Heynicke: Gedichte
Kurt Schwitters: Gedichte
Christof Spengemann: Der Kunst!er
Kurt Schwitters: Merzmaierei
Kurt Schwitters: Abstraktion
Kurt Schwitters: Konstruktion
Pau! Kiee: Spie! der Kräfte einer Landschaft / Fünf-
farbendruck
Arnold Topp: Holzschnitt / Vom Stock gedruckt
Jnii 1919
 
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