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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 10.1919-1920

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Elftes Heft
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Walden, Herwarth: Der letzte Despot von Cotta
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Schreyer, Lothar: Totentanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.37115#0174

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Roman (Verlag Cotta) beweist." Die
Schriftleitung darf. Ist er doch selbst
schöpferisch tätig, der blutige Laie. Sogar
beim Verlag Cotta. Bei dem bekanntlich
die deutschen Klassiker Goethe, Ludwig
Fulda, Schiller und Oskar Blumenthal er-
schienen sind. Dieser Verfasser klärt nun
mit einiger Sachkenntnis die Schriftleitung
über schöpferische Tätigkeit auf: „Jeder
Künstler muss — denke ich mir — im-
pressionistisch in sich aufnehmen, um
dann expressionistisch aus sich heraus zu
gestalten mit Erd- und Naturverbundenen
Menschen und Dinge formender Naturalistik
und ins allgemeine steigender Symbolik."
Also endlich eine Erklärung dieser Cotta-
verlegten schöpferischen Tätigkeit. Man
nehme etwas in sich auf und drücke es
mit Menschen, Naturalistik und steigender
Symbolik wieder heraus. Das ist die
ganze berühmte Tätigkeit. Nach diesem
Ausdruck seiner Persönlichkeit wird der
blutige Laie Fachmann, naturverbunden
oder verlagsverbunden nicht ohne sich
auf Goethes Faust (Cotta!) zu berufen:
„Aber ich bin nicht verpflichtet, den
Künstlern meine Phantasie zu leihen. Wenn
ich persönlich es fertig bringe, mir bei
solchen Bildern noch „Verzückung" vorzu-
stellen oder das „Chaos" (als Begriff) dann
kann ich es, weiss Gott, auch ohne das
Bild, aber besser." Aber ein Dichter! oder
wie die Tägliche Rundschau sagen würde:
Ecce poeta mit einiger Sachkenntnis. Das
ist eine Phantasie. Er kann sich eine Aus-
stcllungsgeschäftsführerin vorstellen, wenn
er davorsteht. Er kann sich ein Bild ohne
Bild vorstellen, aber besser, wenn er am
Verkaufstisch die Titel liest und, Gedanken-
strich, er kann sogar die Sonne sehen.
Die natur- und erdverbundene Sonne. Bei
Cotta kann er sie sogar in allgemeine
Symbolik steigen und die Naturalistik Dinge
formen lassen, worauf er ebenso stolz wie
symbolisch bemerkt: „Aber ich lehne es ab,
mich weiterhin mit diesem Quark zu be-
fassen." Künstler des Sturm, wollt Ihr
Euch etwas von dieser Quarkphantasie
leihen. Er gibt sie sicher billig ab, ohne
dazu verpflichtet zu sein; denn er ist Allein-
herrscher in seinem Reich, denkt er: „Ich
denke mir nämlich, Künstler sein heisst:
Alleinherrscher sein in seinem Reich. Nicht
Mitglied einer Räteregierung." Der letzte

Kaiser von Cotta. Ich leihe ihm diesen
Titel für seinen nächsten Roman, ohne
dazu verpflichtet zu sein. Ich will sogar
bei der Räteregierung seiner Phantasie
einige gute Wörter für ihn einlegen, in
Quark einlegen. Wem aber trotzdem die
schöpferische Tätigkeit noch nicht einge-
gangen ist, empfehle ich die Einlage selbst
aufzunehmen. Sie heisst: „Der Ismus, ge-
sehen von Hans Gustav Wagner." Die
Arbeit erscheint demnächst mit erläuternden
Anmerkungen der Schriftleitung (Dreistem)
bei Cotta. Herwarth Waiden

Totentanz
Lothar Schreyer
Heulen
Heulen
Kratzen
Tasten
Gellen schleift Geschlecht
Brünsten Weiber schleppen Schaum
Giesen Bäuche rollen Haar
Prassei Glieder Funk
Platzt der Hund der Nacht
Bluter Vater feucht
Weht Weibeihemd um Kreuz
Richten Richten
Alle Menschen Brüder
Alle Menschen Samen
Alle Menschen Keimen
Schlingt Schlund Schnitt
Nacktet Bruder Schwester
Türmen Brüste Brüste
Kreisel Kreisel Schlupp
Bein
Kopf
Scham
Köpft
Fetzen Häuten Flatter
Bohren Burt zerfrucht
Fletzschen Schenkel
Brechen Zähne Finger
Quirl
Katzen grunzen blonden weich
Zwischen jungfert warmes Knie
Reckt die Raupe haarig Hörner Frass
Männer wälzen nüstern Jagd
Schlag in Hüften
Wicherjohl
Krümmt die Pflanze gatten Kern

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