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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 10.1919-1920

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Siebentes Heft
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Walden, Herwarth: Die Männer mit Schatten
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Mürr, Günther: Raumfahrt
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https://doi.org/10.11588/diglit.37115#0104

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Die Männer mit Schatten
Herr Richard Strauß redet in einer Wiener
Monatsschrift, sie heißt schlicht und zeit-
gemäß Moderne Welt, große Töne über seine
neue Oper. Strauß sagte: ,,Mai 1914 begann
ich mit der Komposition. Drei volle Jahre
arbeitete ich mit großer Lust und Hingabe an
dieser meiner Oper, die also im Jahre 1917
vollendet war." Die Rechnung stimmt, sie
wurde aber zu früh ausgeschrieben, da diese
Oper Friedensstimmung braucht: ,,Die Frau
ohne Schatten ist meine erste romantische
Oper, sie sprießt aus dem Boden des Mär-
chens, verlangt ein ruhiges Genießen, Frie-
densstimmung." Der Dichter, Herr Hugo
von Hofmannsthal, hat sich gleichfalls voll
und ganz auf den Boden des Märchens ge-
stellt: ,,Die Dichtung ist von Hofmannsthal
frei erfunden, lehnt sich aber an indische
und chinesische Märchenmotive an, wendet
sich im einzelnen auch ?n Grimm und ist bei
aller Greifbarkeit der Handlung von Symbo-
len, aus denen ein tiefer Sinn spricht. Der
Schatten ist das Symbol der Fruchtbarkeit."
Dieses Symbol der Fruchtbarkeit, der Schat-
ten, ist durchaus greifbar, wenigstens für die
Fruchtbarkeit des Herrn von Hofmannsthal,
der sich anlehnt und sich wendet, aber eine
freie Dichtung erfindet. Woraus dann ein
tiefer Sinn spricht. Die Kaiserin ohne Schat-
ten sucht sich diesen Schatten, die Frucht-
barkeit, von einer Färbersfrau zu kaufen,
Greifbar zu kaufen. Worauf Richard Strauß
fruchtbar wird: ,,Das Sittliche daran ist, daß
der Schatten nicht im Wege einer Aeußer-
lichkeit erworben werden dürfte, (wie etwa
die Oper) sondern durch mannigfaltige Prü-
fungen. Alle vier mußten gereinigt werden,
der Kaiser, die Kaiserin, der Färber und die
Färberin." Der Färber und die Färberin hat
natürlich ihre guten greifbaren Beziehungen
zu der chemisch sittlichen Reinigung. Die
Firma kann daher von Herrn Richard Strauß
nur wärmstens empfohlen werden: ,,Sie
waren Prüfungen unterworfen, aus denen
sie glänzend hervorgingen. Man kann
sagen, daß ein hohes und ein niedres Paar
gleicherweise Prüfungen aller Art zu be-
stehen hatte, um dann in einem höheren
Sinne vermenschlicht zu werden." Die Rei-
nigungsanstalt arbeitet gewissenhaft und die
beiden Paare stehen einfach glänzend da.
Worauf der Ausfrager zu Herrn Richard

Strauß bemerkt: ,,Also eine Art Zauber-
flöte." Herr Richard Strauß erwidert
kulant: ,,Wenn Sie wollen, eine Fortset-
zung der Zauberflöte." Aber sofort packt
ihn die Angst um den Schatten seiner
Fruchtbarkeit und er erklärt feierlich:
,,Sagen wir: die Zauberflöte ist der Vor-
läufer der Frau ohne Schatten, etwa so auf-
zufassen, wie das Verhältnis des Lohengrin
zur Euryanthe." Das Verhältnis der Eury-
anthe warf seine fruchtbaren Schatten vor-
aus. Aus greifbaren Gründen hat Herr Ri-
chard Strauß der Frau ohne Schatten nicht
nur die Zauberflöte, er hat ihr einen Vor-
läufer zur Verfügung gestellt. Hingegen ist
das Verhältnis der Herren Verfasser nur in
einem höheren Sinne vermenschlicht aufzu-
fassen, Sie sind durchaus greifbare Sym-
bole, Schatten der Fruchtbarkeit.
Herwarth Waiden


Raumfahrt
Günther Murr
Träger tragen
Höhen heben
Tiefen höhen Wolken samenrings
Spannen Riesen
Spannen Weiten
Wölben weite Bogen
Biegen Sonnengrün durch blaues Wachsen
Rosen fallen taumelstieg durch blute Netze
Bogen über unter Bogen
Glasen licht
Herzhin gebrochen
Werfen Funkelbälle
Speien Bogen
Schreien Schwindel schlanke Bogen
Aufgestemmt
Glutlavalast erdauf Fontäne
Brüllen Felsen hoch
Klammern an durchbrannt
Kühlen
Kälten
Bersten Träger
Höhen
Sprühen Schnüre
Klares Glas
Spannen Weiten Höhen Bogen
Blut verglast
Wucht entwichtet

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