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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

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Heft 2/3
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Palasowsky, Edmund: Piu-Piu's Windglocke
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0042

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Piu-Piu’s Windglocke
Edmund Palasowsky
Piu her — Piu hin
Piu-Piu ist zerbrochen.
Kleine liebende Kinderhände haben die Scheiben
aufbewahrt
Vielleicht — vielleicht nicht ganz kaputt
(Aus Glasscheiben kann man noch eine Windglocke
machen)
Vielleicht — vielleicht
Bei neuem Mond, bei vollem Mond
Vielleicht bei Nacht wenn alle schlafen
Da kommt ein Südwind irgendwoher
Und die Scheiben klingen zusammen
Vielleicht — vielleicht —
Und Piu-Piu’s Stimme ertönt.
Bei neuem Mond
Die armen warmen Kinderhände streckten sich
über die Glocke aus
Sie atmeten heiß sie blühten heiß
Ihr Atem war hell und wie Hauch vom Süden —
Bei vollem Mond —
Da erklang Piu-Piu’s ferne Stimme.
„Wer ist die, die am liebsten hat Piu-Piu? —
Wen hat Piu-Piu am liebsten auf der Welt? —
Wer ist sie, die Piu-Piu am stärksten liebt? —
Wer liebt dich am meisten auf der ganzen Welt? —
Wer liebt Piu-Piu?“
Da weinten die Hände bei dem abwechselnden Mond
Die mageren kleinen lieben Kinderhände —
Das war Piu-Piu’s Paternoster
Und nächstesmal ertönte wieder die Glocke.
„Piu-Piu war sein Name.
Was heißt Piu-Piu?
Das heißt: lieb.
Es heißt ein Traum
Von einem der schön ist, Traum einer Schönen.
Wer war Piu-Piu? Ein armer Kerl
Ohne Hilfe ohne Trost
Bettler Piu-Piu aus hellem Nebel.

Sein Kopf war aus Frevel und Kuß —
Du hast Piu-Piu schön erträumt
Nur hat man ihn häßlich angeschaut —
Ja, Piu-Piu hatte viele Sünden, wahrlich das war
sein ganzes Vermögen —
Aber du sollst es wissen:
Was du träumst, ist Frühling
An wen du glaubst, ist Felsen
Wen du lieb hast, ist Tannenwald —
Was du tust; Feuer — Panorama^
Wo wohnt Piu-Piu?
Du sollst es nicht vergessen
Wo Piu-Piu wohnt.“
Da leuchteten die leuchtenden Hände wie Lotos:
Piu-Piu ist nicht zerbrochen —
Piu-Piu wohnt in mir.
Und klang die Glocke
Bei Nacht als alle alle schon schliefen:
„Sag’ nur, sag’ nur: Piu-Piu ist schön
Piu-Piu hat nichts getan —
Piu-Piu hat viele Krümmungen viele Gezweige —
Doch lieb’ Piu-Piu, liebe ihn.
Jetzt ist Piu-Piu klein —
Wird Piu-Piu einmal groß, ist es kein Witz mehr
ihn zu lieben!
Jetzt ist Piu-Piu finster —
Wird einmal Piu-Piu hell, ist es keine Kunst ihn
hoch zu schätzen.
Jetzt ist Piu-Piu krank
Jetzt muß man an ihn glauben —
Wird einmal Piu-Piu mächtig
Ist es kein Witz mehr ihm treu zu sein!
Jetzt muß man Piu-Piu sehr sehr lieben.“
Da zuckten die Hände
Die flammenden blühenden segnenden Hände:
Ich will mein Blut für Piu-Piu opfern.
Und wieder bei dem abnehmenden Mond
Die Glocke die Glocke:
„Sei nicht trüb!
Es kommt Piu-Piu neu
Er kommt an der Spitze der Schwarz-Amseln
Er kommt an der Spitze der Teddy-Bären
Er kommt an der Spitze der Wasserfälle.

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