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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

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Heft 5
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Laban, Rudolf von: An die deutsche Tänzerschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0080

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An die deutsche Tänzerschaft

Der Tänzerbund hat mich zum Vorsitzenden
des Kunstausschusses für Tanz berufen. In
dieser Eigenschaft bin ich beauftragt, der
deutschen Tänzerschaft den Aufgabenkreis und
das Arbeitsprogramm vorzulegen. Indem ich
in Vorliegendem diesen Auftrag erfülle, richte
ich an alle Tänzer die Bitte, durch
Mitteilungen und Anregungen an diesem be-
deutungsvollen Aufbau mitzuarbeiten.
Was veranlaßt die deutsche Tänzerschaft, sich
heute zusammenzuschließen?
Zweifellos ist der Hauptantrieb die Erkenntnis,
daß die Kämpfe der letzten Jahrzehnte heute
schon soweit ei folgreiche Klärung brachten,
daß man Wesen und Aufgaben des Tänzertums
klar zu umreißen vermag.
Dieser Erkenntnis entsprang auch die erste
Manifestation der Gemeinsamkeit, der erste
deutsche Tänzerkongreß in Magdeburg
Sommer 1927, den miteinzuberufen ich die
Ehre hatte.
Dort wurde der Beschluß gefaßt, zusammen-
zustehen und wirtschaftlich und künstlerisch
gemeinsam vorzugehen, wo es not tut!
Als Rahmen des Zusammenschlusses wurde die
seit Jahrzehnten bestehende deutsche Tänzer-
organisation gewählt, nachdem die Führer der-
selben ihren Willen kundtaten, den bisherigen
Ballettverband den Bedürfnissen auch der freien
Tänzerschaft gastfreundlich anzupassen. Dies
geschah durch Namens- und Statutenänderung
zur beiderseitigen Zufriedenheit, und so ist ein
überwiegend großer Teil der deutschen Tänzer-
schaft in der Lage, durch den Tänzerbund als
Organisation die wirtschaftlichen Ziele und
durch den Kunstausschuß des Tänzerbundes
den künstlerischen Tanzwillen unserer Zeit
kundzutun und durchzusetzen.
Die Allgemeinheit ist heute überzeugt, daß die
Tanzkunst eine wertvolle Eigenkunst ist, und
daß ihr ein Platz neben den anderen Künsten
gebührt.

Mehr noch als das! Der Wert des Tanzes und
des tänzerischen Wesens für unsere gesamte
Kulturentwicklung ist heute allen Denkenden
und Vorwärtsstrebenden klar geworden.
Darum hat der Tänzerbund nicht nur Theater-
tänzer und freie Tänzer vereint, sondern auch
der Tanzpädagogik im weitesten Sinne ein
Augenmerk geschenkt. Nicht nur in der wirt-
schaftlichen Organisation, sondern vor allem
auch in den Bestrebungen des Kunstausschusses
wird daher dem laientänzerischen Element, wie
es sich etwa in Laien-Tanzschulen, Bewegungs-
chören und in der allgemeinen tänzerischen
Körperbildung auswirkt, größtes Interesse ent-
gegengebracht.
Die Reinheit der tänzerischen Idee hängt von
zwei Faktoren ab. Erstens von einer sach-
gemäßen und allen Zukunftswünschen ent-
sprechenden tänzerischen Erziehung
und zweitens vom Sichtbarwerden einer tänze-
rischen Kultur, die im Schaffen und Auf-
führen von tänzerischen Kunst-
werken gipfelt.
Nur so kann der Gedanke länzerischen Wesens
und tänzerischer Kultur der Allgemeinheit nahe-
gebracht werden. Nur so kann der Tanz seine
grundlegende, ja führende Rolle im Kultur-
geschehen erfüllen.
Die tänzerische Erziehung hat heute schon
einheitliche Normen, die aber nur immanent
im Bewußtsein einzelner Führer leben. Diese
Normen herauszukristallisieren und ihnen eine
zeitgemäße Form zu geben, ist eine Grund-
aufgabe des Kunstausschusses und das eigent-
liche geistige Programm des Tänzerbundes.
An praktischen Maßnahmen wird zur Durch-
führung dieses Programmes notwendig sein,
pädagogische Richtlinien für die Tanzschulung
zu finden und diese Richtlinien und ihre richtige
Handhabung durchzusetzen.

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