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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

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Heft 10
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Delak, Ferdinand: Das neue slovenische Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0156

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Das neue slovenisehe Theater

Ferdinand Delak

Plastisch — atmend
Synthetisch — sichtbar
Phonetisch — tönend
1. Das slovenisehe Theater
Es sind 150 Jahre verstrichen, seitdem das erste
slovenisehe Theaterstück aufgeführt wurde. Man
könnte also bereits eine umfangreiche Geschichte
des slovenischen Theaters schreiben, man kann
aber leider nicht von einer slovenischen Theater-
kunst sprechen. Und doch könnten wir Slo-
venen aus der Mannigfaltigkeit und Besonder-
heit unseres Volkslebens eine eigene, rein
slovenisehe Theaterkunst schöpfen, die durch
die aufgeführten Stücke sowie die schauspiele-
rischen Elemente ein Ausdruck unseres natio-
nalen Charakters sein könnte. Ein Theater,
das Slovenien zeigen würde, dieses Land mit
idyllischen grünen Wäldern und himmelblauen
Seen, mit dunklen Bergwerken und elenden
Arbeitsrevieren, mit den frohen Liedern und
einem ausgelassenen Tanz in sorgenlosen
Stunden. Darum ist für den neuen Theater-
künstler eine durchaus gründliche Kenntnis
der slovenischen Landschaft, der Trachten und
Sitten, des Volkstanzes und Volksliedes und
in erster Reihe der slovenischen Volkssprache
erforderlich. Aus all diesen Elementen muß
man den wesentlichen Gehalt herausdestillieren
und das so Gewonnene dem Publikum in einer
den zeitgenössischen Tendenzen und dem heuti-
gen Rhythmus angepaßten Form vorführen.
2. Das Theater
Das heutige Theater, das wir als dekadent
bezeichnen können, steht in einer schweren
Krisis. Das kann erst anders werden, wenn
das Theater nicht mehr Gegenstand verschie-
dener Spekulationen, sei es individueller, kapi-
talistischer oder bürokratischer, sein wird,

Das Theaterkunstwerk ist die Synthese des
menschlichen Geistes und als solches ein Kon-
zentrationspunkt der zeilgenössischen kollek-
tiven Ideen, ein Heim des geistigen Nutzens
des Menschen, der Nährboden derjenigen
zeitgenössischen Funktionen, die auf eine
Harmonisierung der menschlichen Gesellschaft
hinzielen. Darum muß das Theater sein
eine Sammelstätte aller Taten von Schönheit,
Gerechtigkeit und der Bewegung aller, die für
die Reformierung der Gesellschaft kämpfen
und die an der Erziehung der jungen Generation
im neuen Geiste arbeiten wollen. Das Theater
ist also a’s Synthese des Lebens, eine geistige
Nahrung in Zeit und Raum.
3. Das neue slovenisehe Theater
Das neue Theater soll eigentümlich slovenisch
sein und soll veiweifen alle Theatertradition,
die ihm nicht eigen ist und die aus fremden
Schulen stammend, schlecht und recht nach
einer immer gleichbleibenden Schablone dem
slovenischen Charakter aufgepfropft worden ist.
Aus den eigenen nationalen Kräften muß sich
das neue sloveniseheTheater sein neues Gesicht
schalten. Dieses Gesicht, ausgemeißelt aus
dem Stein des nationalen Ursprunges, muß
aber auch den Tendenzen und dem Verstehen
unserer Epoche gemäß geformt werden. Darum
muß das neue slovenisehe Theater zwei zeit-
gemäße Wesenheiten darstellen: Kinetik und
Harmonie; muß eine gemeinsame Expansion
talentierter Elemente, eine dynamische Mani-
festation der Zeit sein. Die Basis des neuen
Theaters ist nicht die des heutigen dekadenten
Bühnenbetriebes. Das neue slovenisehe Theater
muß auf kollektiver Grundlage operieren und
darf nicht kammerspielartig sein. Es gilt ein
Gesamtkunstwerk zu schaffen; der Dualismus

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