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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

DOI Heft:
Heft 2/3
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Walden, Herwarth: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0040

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Herwarth Walden / Gedichte

Verschüttete Augen
Verschüchterter Mund
Verzittertes Herz
Bluthund kauert zwischen Brüsten
Spreizt die Augen
Blühen Vögel heller im Dunkel
Lechzen Zungen süßer am Stein
Duckt sich bäumt sich jagt Nacken herab
der Bluthund
Singt ein Kind zwischen Kraut und Unkraut
Zwei blanke Scheidemünzen
Zwei blanke Scheideherzen
Er herzt meine Münze
Kraut zwischen Unkraut münz ich mein Herz
Armer Hund du wirst geschlagen
Reicher Hund du wirst geküßt
Kraut zwischen Unkraut klettert herzdurch
Die Jungfrau blüht

Brüllt die Erde heiß eisern durch viele Rohre
Heiß heiser
Feuer schmettert den Himmel auf
Stahl platzt
Bäume zersplittern die Luft
Herzen zerreißen
Blut schäumt träumende Wasser auf
Dein Auge singt süß
Eine Sonnenblume senkt ihr blondes Haupt
Fruchtbar bar der Furcht
Dein süßes Auge singt Leben
Leises Leben siegsingt über heisere Erdschreie
Eine Kinderträne löscht alle Feuer aus
Eine Kinderträne keimt eine stille Knospe auf
O Du mein Jungkind
O Du mein Jungmädchen
O Du meine Jungfrau
Heult die Erde alle Tode auf
Immer keimt das Leben dem Singen eines
süßen Auges
Deines Auges
Eine Sonnenblume senkt ihr blondes Haupt

Hinten auf der Mondstraße schreiten zwei Füße
an schimmernden Knöcheln.
Lärm schwärmt auf.
Du Talsanftmut meiner steigenden Berghärte
Rollt Stein auf Stein unter weichen Füßen
Grollt Lärm auf Lärm über heißen Wolken
Staubt Kern auf Kern an schimmernde Knöchel
Ein Ton tropft auf die Mondstraße
Er klingt von Welt zu Welt
Ein Korn zertreten rollt er unter weichen Füßen
Rollt hinab
zerspellt
zerklingt
Eine harte stumme Wand steilt die Mondstraße
Bergt auf sich zum Himmel
Birgt in sich den Himmel
Nun schweigt der Ton von Welt zu Welt
Zwei kleine Füße tanzen an schimmernden
Knöcheln auf der Mondstraße
Schweigen tönt
Klingt
rauscht
schreit
heult
schreit
rauscht
klingt
tönt
hallt
verhallt
Morgen ist es auf der Erde

Ich wandle durch die Gassen aller Herzen
Mein Fuß stockt an der Kammer
Blut sickert zag
Aus jeder Kammer seufzt ein schweres Schweigen
Und alle Gassen schließen sich zum Kreise
Schmal ist der Pfad, der durch die Herzen führt
Und stockt der Fuß, das Schweigen lockt ihn
weiter
Blut sickert zag
Ich wandle schwer und wandle

Aus dem Gedichtband „Im Geschweig der Liebe" von Herwarth Walden / Verlag Der Sturm z Ganzleinen 3 RM

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