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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

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Heft 2/3
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Vogt, Karl Anton: Der Krieg: Ein Chorspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0046

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DER JUNGE: Ich habe so schlecht geträumt.
Es war so kalt.
Vom Himmel fiel giftige Luft,
Alle starben in einer Minute.
(Das Licht erlischt.)
CHOR: Europas Kinder können nicht schlafen,
Europas Kinder sind friedlos,
Fühlen ein Drohen,
Opfer unmenschlich unmenschlicher Greuel.
(Trommelwirbel, viermal, wie vorher.
Leise Jazzmusik, nicht zu lang.)
DIE BEHAGLICHEN: Sie liefern Weizen, gut, zu
fünfunddreißig.
Um neun Uhr fahre ich in mein Büro.
Ja, mit den Steuern geht’s uns allen so.
Ich bin versichert noch und noch, was
weiß ich.
Des Sonntags meine Pfeife in der Laube.
Mein Sohn treibt Fußball, meiner boxt,
ja Sport!
Wir sitzen nur am Radio immerfort!
Der heutigen Jugend fehlt der wahre Glaube.
Ja,Zucht und Ordnung! Meine Kuxen steigen.
Mein Auto? Fabelhaft — 70 PS.
Was? Süße Kleine! Ganz was Zuckriges.
Demonstration? Den Lümmeln müßt
mans zeigen!
Prügelt sie in die Kasernen,
Damit sie wieder strammstehn lernen!
DIE RAUHEN: Wolken schwarzer Essen schwülen.
Drehbank, Schwungrad, Schmutz und Ruß,
Stumpfes übermüdes Quälen,
Eisern immergleiches Muß.
Mann der Arbeit, Mann der Arbeit!
Riesenkran und Stundendröhnen,
Hämmer donnern schweren Falls,
Augen beizt uns bis zu Tränen,
Strang des feurigen Metalls.
Uns bleibt nichts als unser Sehnen.
Hassend zischt uns Kolbenfauchen,
Graues Gitter der Fabrik.
Müssen letzten Atem brauchen,
Frohn des Laufbands, Stück um Stück.
Arbeitstiere des Kapitals!
DIE BEHAGLICHEN: Das Elend uns die Freude stört!
Was will das Volk? Habt Ihrs gehört?
Es gab doch immer arm und reich!
Streik? Rebellion! Das bleibt sich gleich!

DIE RAUHEN: Für uns der dumpfe Harm des
Menschenseins!
Für uns das Triebwerk und der Not Gebrest,
Stadt im Taumel des Scheins.
In dunklen Höfen unsere Kinder,
In Hinterzimmern unser Dasein.
Wir hungrig nach Fröhlichkeit und Licht,
O brudergläubig Menschsein!
DIE BEHAGLICHEN: Was soll man tun? Wir
werden sehn,
Die Zeit ist hart. Vielleicht wird’s gehn.
Wir müssen die Absatzmärkte verbreiten,
Die Preise erhöhn, den Umsatz weiten.
Kommt alles in Schwung, verdient auch ihr,
Es bleibt schon übrig.
(Sie verschwinden)
DIE BEAMTEN: Wir sind Beamte,
Respekt!
Obrigkeit!
Der Staat!
Der Staat:
Stramm, stramm, stramm,
Alles über einen Kamm!
Wir sind Beamte,
Respekt!
Pflicht! Pflicht!
Streng meinen Dienst —
Mehr nicht —
Ordnung, Zucht!
Ordnung, Zucht!
Eignes Denken ist verrucht.
Wir sind Beamte,
Respekt!
Wir regieren,
Zu vieren,
Beamte, Militär,
Und Kirche, Schule nebenher.
Ordnung muß sein,
Der Staat muß gedeih’n
DIE UNRUHIGEN (dazwischen):
Denkt!
Euch selbst zu entscheiden,
Es bleibt nicht geschenkt.
DIE SCHLAFENDEN: Den Geist aufrühren?
In Zweifel verlieren?
Alles selber bedenken?
Die Gehirne verrenken?

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