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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

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Heft 5
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Rejsner, Larisa M.: Junkers, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0071

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Junkers
Larissa Reissner
II
Die Erde gehört „der Republik“. Sie ist rest-
los aufgeteilt, für viele Jahre zugeschnitten.
Die Nähte, die der Versailler Friede und der
Dawes-Pakt gezogen haben, werden nicht so
bald von Bajonetten aufgetrennt werden. Da-
gegen ist der Himmel, der große, blaue Kon-
tinent, noch nicht restlos entdeckt und erobert.
Hier gibt es unberührte Tiefen und Wege, die
noch keiner gegangen ist. Wie reiche, dem
Raub preisgegebene Karawanen ziehen dort
die Wolken vorüber. Auch läßt sich das bereits
Eroberte nicht so ohne weiteres festhalten. Die
Hegemonie in der Luft bleibt stets das labile
Ergebnis der sich ändernden Kräfteverhältnisse.
Der kühnste Flug hinterläßt keine Spur —
nicht einmal jenen flüchtigen Schaum, der dem
Dampfer durch den Ozean folgt.
Die Großmächte schleudern eine Luftflotte nach
der anderen in den Raum, aber die Tonnage
dieser Schiffe ist, verglichen mit den Millionen
von Kubikkilometern, lächerlich gering. Das
ist der Traum des künftigen Krieges: um
Rußlands Schneebenen mit Dynamit zu be-
decken, um China zur Vernunft zu bringen —
muß die Flotte des Gegners, einem Sternen-
meer gleich, die Erde belagern, den Tag in
die Nacht verwandeln können.
Die zur Zeit des Kaiserreichs begonnene Ex-
pansion setzt sich in den Bewegungen der
Junkers-Flugzeuge fort, die fremde Himmels-
gewölbe durchfurchen. China ist verloren,
Kiautschau entrissen; die Bagdad-Bahn ver-
loren, Kongo ebenfalls. Aber es gibt einen
chinesischen Himmel, der allen Winden offen-
steht. Die verlorene Flagge der Festung am
Stillen Ozean flattert jetzt über den Wolken.
Hoch oben kreuzen und schneiden sich die
feindlichen Linien. Der Kampf um diese
Kolonien beginnt erst.

Die Junkers-Flugzeuge gewinnen sie nicht für
sich selbst, nicht für ihr Land. Die Versailles-
Fesseln sind nicht so leicht abzuschütteln. Man
arbeitet für jeden beliebigen Auftraggeber, für
jeden Käufer.
Die Fühlhörner der „Deruluft“ betasten Italien,
Schweiz, die skandinavischen Länder; Sachsen-
berg unternimmt einen Angriff gegen den Balkan
und weiter gegen die anatolische Türkei.
In dem sonst so stillen Dessau begann es eines
Tages wie in einem aufgeregten Bienenkorb
zu lärmen. Die zusammengeflogenen Piloten
setzten sich mit finsteren Gesichtern an ihren
Kantinentisch. Streng nach Rang und Ordnung,
wie in einem Offizierskasino. Der eine kam
aus Persien, der andere brachte den Sand der
Gobi-Wüste an seinen Kleidern mit, der dritte
— den Sonnenbrand des russischen Sommers.
„Wie geht es dem Kronprinzen?“
„Ich danke, Seine Majestät hat ein neues Pferd
gekauft.“
„Der König von Sachsen . . .“
Aber diese Neuigkeiten sind nicht von jener
Art, um derentwillen sie sonst bereit sind, den
Himmel der ganzen Welt abzusuchen. Die
Bombe kommt erst.
„Haben Sie schon gehört? Junkers hat mit
Polen eine Konzession unterzeichnet. Wir
werden für diese Kanallien eine Flotte bauen.“
Eine ganze Woche lang trinkt diese Gralrunde
mit finsteren Gesichtern, schweigt und macht
widerwillig seine Kutscherrechnung: mißt die
Kilometer ab, die ihre Flugzeuge bei der letzten
Fahrt zurückgelegt haben. Nichts zu machen.
So ist das Gesetz der kapitalistischen Entwick-
lung. Der Handel ist parteilos, international.
Der obdachlose deutsche Imperialismus züchtet
bei Freund und Feind seine Zerstörer. In der
Hoffnung, daß die Lehrlinge und Gesellen nicht
so bald die Meisterreife erlangen, daß im ent-
scheidenden Augenblick eigene Leute am Steuer
sitzen, daß niemals deutsche, von deutschen In-
genieuren gebaute Flugzeuge auf deutsche Felder
ihre Schatten werfen. Vergebliche Hoffnung!

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