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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

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Heft 5
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Walden, Herwarth: Aus der Zeit für die Zeiten, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0086

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edel. Oder man drechselt, was das Zeug aus-
hält. Holzsäulen unten und oben machen alles
griechisch. Dazu noch ein Bild in die Frisier-
toilette, Delfter Kacheln in die Paneele ein-
gelassen und das Heim ist fertig. Schränke
aus dem Mittelalter und Stühle aus der Ritter-
zeit, stilechte Kopien, erfüllen das bürgerliche
Leben mit Phantasie. Und Wandregale geben
für bessere Dichter und Denker in Kleinformat
immer noch einen bescheidenen Platz.
Mit diesem Unrat räumt der „Hausrat Qildenhall“
auf. Man macht brauchbare und gebrauchs-
fähige Gegenstände. Ohne ungestaltene Kunst,
aber mit gestaltenden Sinnen. Man läßt keine
Löwen aus den Betten brüllen oder Vögel auf
den Stühlen hocken. Oder Weinranken über
die träumenden Schränke gleiten. Man läßt
das einfach alles fort und die Möbel sind an-
ständig. Eben Möbel. Wenn der Mensch als

Ebenbild Gottes schon einen Vogel haben muß,
braucht der Stuhl doch durchaus nicht Ebenbild
des Menschen zu werden. Und daß der Teller
nach dem Genuß des Bratens fettige Blumen
zeigen muß, mag künstlerisch sein, bleibt aber
trotzdem nicht appetitlich.
Aus Gildenhall kann man das ganze Haus,
vom Haus selbst bis zum Korkenzieher, be-
ziehen. Alles einfach in der Form und vielfach
in der Farbe. Handgefertigt mit künstlerischem
Sinn und ohne künstlerischen Unsinn. Der
leitende Architekt Westphal sucht die Kollektiv-
arbeit der Handwerkschaft Gildenhall. Die sucht
den Kollektivauftrag. Ihn zu geben ist eine
lohnende Aufgabe in jedem Sinn. Denn nur
durch organische Zusammengehörigkeit des
Äußeren und des Inneren entsteht eine Wesen-
heit.

September: Sonderheft
„Moderne Typographie und Reklame“

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