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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 19.1928-1929

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Heft 11/12
DOI Artikel:
Vogt, Karl Anton: Raumsturz des Sprechens
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https://doi.org/10.11588/diglit.47219#0198

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Unterarm bei leichter Ballung; der
Faust lebhaft kreist. Jetzt verstärkt
sich die Aktivität, wird etwa eine
lustige Bedrohung: auch der linke
Arm stemmt sich in die Hüfte, und
beide Unterarme kreisen jetzt zu
einem verstärkten wirbelnden r.
Der Vokal a drückt durch Weiten aller
seelischen und körperlichen Räume
Befreiung, Entspannung, Größe und
Andacht aus. Wir hocken auf den Fer-
sen, der Oberkörper liegt wagerecht
aufden Oberschenkeln, die Hände liegen
weit vorgestreckt auf dem Boden.
Jetzt wird tief und langsam geatmet,
während der Oberkörper sich lang-
sam auf richtet und die Arme wage-
recht in die Höhe mitgehen. Sind die
Hände so in Augenhöhe und der Ober-
körper noch in hockender Stellung
senkrecht gerichtet, ist die tiefe lang-
same Einatmung zu Ende. Jetzt lang-
sames Aufstehen, ein Bein wird ge-
rade unter dem Oberkörper durch
nach vorn gezogen -—- dieses erfordert
eine weiche Durcharbeitung der Mus-
kulatur und ist etwas schwierig — zu-
gleich werden die Arme weit ausge-
breitet und die Brust immer stärker
gewölbt, während ein entsprechendes,
immer stärker anschwellendes a er-
tönt, das dann langsam mit einem
leichten Rückschwingen der geöffne-
ten Arme in Schulterhöhe abschwillt.
Aus dieser Stellung knicken die Arme ein.
Die steilen Handflächen nach vorn
offen bewegen sich hin und her. Die
Bewegung begleitet der Laut ä im
Sinne des Abstandnehmens, fast des
Ekels.

Nach der Fermate dieser Bewegung er-
folgt ein strenges ehernes c, das in
unbewegter, aber gespannter Haltung
ertönt, nachdem der Körper sich steif
aufgerichtet hat, die gewinkelten Arme
und die sie fortsetzenden Hände in
streng wagerechter Linie sich unter
dem Kinn begegnen.
Von hier erfolgt der Uebergang zum i,
dessen oppositionelle Deutung wir
hier als fruchtbar erachten. Der linke
Arm geht gestreckt diagonal nach
vorn, Oberkörper und Kopf folgen in
die gleiche Diagonale, die linke Hand
steht steil hoch, die rechte Hand liegt
ebenso vor dem Gesicht, der Daumen
nächst der Nase. Nach Vollendung der
Bewegung ertönt der Laut i als Ekel
und Abwehren.
Die Spannung löst sich, Wendung zurück
in die Frontale, die Arme gehen halb
hoch nach vorn, dann rund her-
unter und innen wieder hoch. Jetzt
ertönt der Laut o im Tone der Ver-
ehrung und Andacht, Stellung etwa
des griechischen Beters.
Die oben stehenden Arme lösen sich, die
Ellbogen etwas einwinkelnd, und jedes
Mal mit dem Laute u geht Hand nach
Hand, Teller nach unten, eine Spanne
hinab. Der Oberkörper geht leicht
mit. Thema der Bewegung: Druck,
Erdrückung, fast stöhnend, — Körper
und Ton aber nur in geringer Span-
nung.
Wichtig für alles Sprechen und Bewegen
ist ein organisches Einbauen und
Funktionieren der Atmung.

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