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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Walden, Herwarth: Neue und alte Zeit
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Das einzig unartige Kulturmittel
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0030

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ausgesprochene proletarische Tendenz, sind: Kupala, Kolaß, Biadula.
Wemanski. Auch ihre Werke sind im Reichsverlag erschienen. Be-
sonders hochgeschätzt wird der proletarische Jiddische Dichter Cha-
rek und die jiddischen Mitläufer Kulbak und Axel Rot. In ganz
wenigen Jahren wird nichts mehr in der Weißrussischen SSR an
die kleine großrussische Zeit erinnern. TT
Herwarth Walden

Das einzig unartige Kulturmittel
Die ersten Ansätze zum idealen Rundfunk scheinen da zu sein.
Schon haben die Sendegesellschaften fast gemerkt, daß der Hörer
nicht für den Rundfunk, sondern der Rundfunk für den Hörer ist.
Diesem Hörer will man dienen. Man sieht aber nicht den Hörer*
als Individuum, sondern den Hörer als Masse. Und zwar als ganz
bestimmte Masse. Für den Rundfunk gibt es nur niveaulose, zu-
friedene Kleinbürger. Ihnen „dient“ man mit niveauloser Unter-
haltungsmusik und quatschigen Funkkabaretts. Zwischendurch gibt
es ab und zu als Konzession an die „Intellektuellen“ Hörspiele,
bei denen das Hören verstimmt.
Im Rundfunkjahrbuch 1932 (herausgegeben von der Reichs-
rundfunkgesellschaft) ist von der „Einzigarfigkeif des Kultur-
mittels Rundfunk“ die Rede. Einzigartig leider nur dadurch, daß
von Kultur herzlich aber wenig zu merken ist. Warum versucht
man nicht, gerade den Hörern, denen das Jetzige Programm „dient“,
wenigstens in kleinen Dosen das zu verabreichen, was man Kultur
nennt? Damit würde der Dienst beginnen. Aber beim Rundfunk
dauert alles seine Zeit. Man darf nicht vergessen, daß die Gebühren
von der Post auf dem Dienstwege eingezogen werden. Dadurch
ist der ganze Rundfunk auf die Post gekommen und durch und
durch postalisch geworden. Postalisch.
Wir werden noch lange auf führende Persönlichkeiten beim Rund-
funk warf en müssen. Und wenn sie da sind, werden wir nicht viel von
ihnen merken. Denn sie werden systematisch ausgeschalf et. Wie man es
auch mit dem Berliner Intendanten Flesch machte. Als Flesch von
Frankfurt nach Berlin kam, war helle Begeisterung. Seine Arbeit
wurde anerkannt. Von heute auf morgen hatte das Berliner Pro-
gramm Niveau. Flesch kümmerte sich um alles, von der Kinder-
stunde bis zum Abendprogramm. Mit einem Mal war es aus. Man
hört und sieht nichts mehr vom Berliner Intendanten. Das Berliner
Programm steht wieder unterm Durchschnitt, weit, weif hinter
Breslau, das heute noch für alle Sender Vorbild sein sollte.
Flesch hat sein Verschwinden selbst verschuldet: er gehörte
zu den wenigen konsequenten Männern, die es heute noch gibt.
Politisch und weltanschaulich.
Das ist die „Einzigartigkeit des Kulturmitfels Rundfunk“.

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