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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Walden, Herwarth: Raummangel II
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Walden, Herwarth: Der eingestellte Heilstätten-Chefarzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0051

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helfen unterläßt. Oder wenn selbst der Herr Professor Friedmann
einzelne Aerzte mit schwersten Verdächtigungen angegriffen haben
sollte, was können die unglücklichen Patienten dafür, die man
schlicht mit dem Friedmann-Mittel heilen kann. Der Patient ist
zwar ein Duldender. Dulden soll ja eine vornehme menschliche
Tätigkeit sein. Aber schließlich wird es einigen Geduldigen doch,
zu viel, wenn man etwa immer Blut spuckt. Da geht vielen Leuten
sogar die geduldigste Puste aus. Und wenn man den Auswurf
beseitigen kann, kommt es doch nicht auf einen Anwurf von Herrn
Friedmann an. Es ist ganz amüsant, Bazillen zu beobachten, wie sie
wachsen, blühen und vernichten. Reinkultur ist etwas sehr Schönes.
Aber auch die Kultur hat ihre Grenzen. Wenn man nämlich letal
abgehf, nützt einem die amüsanteste Reinkultur nichts mehr. Also
seien wir schon im Interesse der Kultur friedlich und verhindern
wir die Kranken nicht weiter daran, sich am Leben und Treiben
der Bazillen zu erfreuen und sie in den Laboratorien und in der
Fachpresse zu bewundern. Aber aus dem Körper sollen sie heraus.
Auch wenn sie einzelnen Aerzten verdächtig sind, lind gerade in»
diesem Kampf für das Friedmann-Mittel erleben wir es zu unserer
großen Freude, zu unserer Laienfreude, täglich mehr, daß die Aerzte
nicht länger die Absicht haben, sich ihrer sittlichen Berufspflicht zu ent-
ziehen: Krankheiten zu heilen und zu verhüten. Mit dem Rest der
Aerzte, die sich in die Archive zurückziehen, werden wir Laien zum.
höchsten Erstaunen dieser Herren recht bald fertig sein. Sonst soll
es ihnen hoffentlich recht gut gehen.

Herwarth Walden

Der eingestellte Heilstätten-Chefarzt
Aus einem Heilstätten-Brief aus einer großen Lungenheilstätte vom
11. Februar 1932: „Wie Sie aus den Akten feststellen können, bin ich am
23. 12. 31 im Friedmann-Institut zum ersten Mal geimpft. Die Kaverne
war apfelgroß über drei Rippen. Am 7. 1. 32 zeigte der Film eine Ver-
kleinerung der Kaverne um die Hälfte.
Der Chefarzt, Herr Professor S., war so überrascht, daß er die
mir vorgeschlagene Plastik sofort fallen ließ.
Der Oberarzt ist ein tüchtiger Chirurg. Er ist aber durch meinen Fall
meines Erachtens überzeugt und sagte kürzlich, er möchte mal zweihundert
Mann mit dem Friedmann-Mittel durchimpfen, wenn nur der Chefarzt
anders eingestellt wäre. Er würde sein Messer gern weglegen. Bis
heute verdanke ich dem Friedmannschen Mittel schon sehr viel, zumindest
meine Rippen. Der Chefarzt hat nämlich auf die vorgeschlagene Plastik
jetzt verzichtet . . . Hier war schon ein wahrer Aufruhr, denn daß eine
große Kaverne in vierzehn Tagen um die Hälfte kleiner wird, ist noch
nicht dagewesen. Gez. B., Gemeindeobersekretär.“
Es bleibt also nur die Frage zu lösen, wie man Einstellungen umstellt.


H.W.

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