müssen, so dürfen wir doch auch hier nicht den Fehler machen, diese
nationale Kultur Deutschlands als aus einer einheitlichen, etwa einer
„urgermanischen“ Wurzel hervorgegangen, zu denken. Die alte ger-
manische Kultur, wie sie noch etwa zur Zeit von Caesar und Tacitus
bei den Germanen-Stämmen bestand, mag das Grundkapital gebildet
haben, mit dem Deutschland in seine Kulturentwicklung eintrat. Aber
wir dürfen doch nicht übersehen, daß noch in der zweiten Hälfte
des ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung große Teile des
heutigen Deutschlands von keltischen Stämmen bewohnt wurden, so
wie noch tausend Jahre später andere Teile Deutschlands von Slaven
besiedelt waren, der weniger umfangreichen und nur kurzen römi-
schen Okkupation deutscher Gebiete gar nicht zu gedenken. Alle
diese nichtgermanischen Elemente haben mit ihrer spezifisch nationa-
len Eigenart an der Synthese unserer heutigen deutschen Kultur teil-
genommen und wenn auch die spezifisch germanische Kultur bei dieser
Synthese immer den eigentlichen Stammorganismus gebildet hat, der
die anderen Kulturelemente assimilierte, so sind doch deren Ein-
wirkungen nicht spurlos verschwunden. Die Wacholderbeeren, die das
Haselhuhn verzehrt, sind auch nicht verloren; sie geben dem Braten
einen feinen pikanten Geschmack, wenn sie auch selbst allein noch
kein Haselhuhn sind. Die einzelnen keltischen, römischen, slavischen
Bestandteile in unserer Kultur sind freilich nicht immer von fern
schon leicht zu erkennen. Sie sind auch oft nicht mehr als solche
erhalten, sondern haben nur vorübergehend ein Glied in der Ent-
wicklung gebildet, die im übrigen über sie hinaus gegangen ist. Es
bedarf daher einer eingehenden Analyse und manchen Umweges, um
sie zu entdecken. So hat die vergleichende Sprachforschung zahlreiche
Worte, die bis in die keltische Besiedelungsperiode Deutschlands zu-
rückgehen und die doch nicht einer gemeinsamen indogermanischen
Wurzel zu entstammen scheinen, in unserem heutigen Sprachschatz
noch nachweisen können. Zum Beispiel haben die germanischen
Stämme das Wort für unser wichtigstes Metall, Eisen, altgermanisch
isarna, keltisch isarnon, erst durch Vermittelung der Keifen, der
Meister in seiner Bearbeitung, näher kennengelernf. Ebenso wie
keltische finden sich nun auch zahllose römische und slavische Ele-
mente in der deutschen Kultur.
Krieggrab
Stäbe flehen kreuze Arme
Schrift zeigt blasses Unbekannt
Blumen frechen Staube schüchtern
Flimmer
Tränet
Glast
Vergessen August Stramm
36
nationale Kultur Deutschlands als aus einer einheitlichen, etwa einer
„urgermanischen“ Wurzel hervorgegangen, zu denken. Die alte ger-
manische Kultur, wie sie noch etwa zur Zeit von Caesar und Tacitus
bei den Germanen-Stämmen bestand, mag das Grundkapital gebildet
haben, mit dem Deutschland in seine Kulturentwicklung eintrat. Aber
wir dürfen doch nicht übersehen, daß noch in der zweiten Hälfte
des ersten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung große Teile des
heutigen Deutschlands von keltischen Stämmen bewohnt wurden, so
wie noch tausend Jahre später andere Teile Deutschlands von Slaven
besiedelt waren, der weniger umfangreichen und nur kurzen römi-
schen Okkupation deutscher Gebiete gar nicht zu gedenken. Alle
diese nichtgermanischen Elemente haben mit ihrer spezifisch nationa-
len Eigenart an der Synthese unserer heutigen deutschen Kultur teil-
genommen und wenn auch die spezifisch germanische Kultur bei dieser
Synthese immer den eigentlichen Stammorganismus gebildet hat, der
die anderen Kulturelemente assimilierte, so sind doch deren Ein-
wirkungen nicht spurlos verschwunden. Die Wacholderbeeren, die das
Haselhuhn verzehrt, sind auch nicht verloren; sie geben dem Braten
einen feinen pikanten Geschmack, wenn sie auch selbst allein noch
kein Haselhuhn sind. Die einzelnen keltischen, römischen, slavischen
Bestandteile in unserer Kultur sind freilich nicht immer von fern
schon leicht zu erkennen. Sie sind auch oft nicht mehr als solche
erhalten, sondern haben nur vorübergehend ein Glied in der Ent-
wicklung gebildet, die im übrigen über sie hinaus gegangen ist. Es
bedarf daher einer eingehenden Analyse und manchen Umweges, um
sie zu entdecken. So hat die vergleichende Sprachforschung zahlreiche
Worte, die bis in die keltische Besiedelungsperiode Deutschlands zu-
rückgehen und die doch nicht einer gemeinsamen indogermanischen
Wurzel zu entstammen scheinen, in unserem heutigen Sprachschatz
noch nachweisen können. Zum Beispiel haben die germanischen
Stämme das Wort für unser wichtigstes Metall, Eisen, altgermanisch
isarna, keltisch isarnon, erst durch Vermittelung der Keifen, der
Meister in seiner Bearbeitung, näher kennengelernf. Ebenso wie
keltische finden sich nun auch zahllose römische und slavische Ele-
mente in der deutschen Kultur.
Krieggrab
Stäbe flehen kreuze Arme
Schrift zeigt blasses Unbekannt
Blumen frechen Staube schüchtern
Flimmer
Tränet
Glast
Vergessen August Stramm
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