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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Pfister, Julius: Mode
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Nebel, Otto: Worte zur rhythmischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0033

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schon seif hundert Jahren die Demokratie und den tatsächlichen
Kollektivismus wieder. Nicht mehr die berufssfändische und po-
litisch bestimmte Form unterscheidet die Menschen und ihre
Kleider. Nur noch die Kostbarkeit der Stoffe — das Geld. Russen-
kittel und Braunhemden sind Ansätze zu neuer Repräsentation po-
litischer Machtverhältnisse. Man wird besonders darauf gespannt
sein dürfen, wie sich in einem Staat wie die Sowjetunion die
Kleidung und mit ihr die ganze Kunst als sichtbares Abbild
der politisch-soziologischen Ordnung entwickeln wird
— ob als massenweiser Abklatsch der westlichen Zivilisation oder
als selbständige Formung der eigenen Realität.
J. Pfister
Worte zur rhythmischen Malerei
Otto Nebel
Das rhythmische Bild ist eine Kompositionseinheit aus Funk-
tionsmomenten der Fläche.
Unter bestimmten Voraussetzungen ruft es trotz (oder dank)
seiner Zweidimensionalität eine Raumillusion hervor.
Diese scheinbare Räumlichkeit einer bildmäßigen Flächenlösung,
einer einwandfreien Bildkomposition ist für die Sinne eine Wirk-
lichkeit.
Die illusionäre Räumlichkeit dieser Art entsteht dadurch, daß
unterschiedliche Licht-Intensitätsgrade der aus einem mehrfarbigen
Bild wirkenden Farbklänge vom menschlichen Auge als unterschied-
liche Abstände empfunden werden.
Das heißt: die unterschiedlich getönten Farbformen einer Malerei
stellen sich in ganz bestimmte ihren Lichtpotentialen entsprechende
Ebenen. Das Auge distanziert die einzelnen Bildteile ent-
sprechend unterschiedlich.
Die Bildeinheit bleibt dabei als solche erhalten: das Bild zerfällt
nicht für das Äuge in zusammenhanglose Stücke, sondern es staffelt
sich in naturbedingfer Ordnung nach der Tiefe zu. Derart, daß die
gestaltete Bildfläche nicht mehr als eine plane Einhelligkeit, sondern
als eine harmonisch differenzierte Einheit von teils näher, teils
entfernter schwebenden oder stehenden Lichtflächen, Farbformen,
Helligkeiten und Dunkelheiten erscheint.
Solche Raumillusion ist vollkommen und beharrlich.
Sie kann vom wissenden Maler geplant und zielbewußf er-
schaffen werden, aber sie ist eine Unkonstruierbarkeif.
Sie resultiert als späteste Eigenschaft und letzte Tugend einer
hochwohlgeborenen Malerei, die in all ihren Werdestadien von den
Sinnen gehegt und geprüft, und als Bauvorgang kunstgerecht und
gewissenhaft beendet worden ist.

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