Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

DOI Artikel:
Günter, Jean: Abbau die große Mode
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0063

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abbau die große Mode
Der Rundfunk ist verbeamtet. Der Apparat braucht einen obersten
Beamten, einen Kommissar. Das ist der Doktor Bredow. Er muß bei
offiziellen Rundfunkveransfaltungen sprechen. Auch bei der Großen
Deutschen Funk- und Phonoschau in Berlin. Dr. Bredow tut das. Jedes
Jahr. Auch 1931 ließ er sich hören: „Seitdem der Rundfunk seine Auf-
gabe als Spiegel der Zeit erkannt hat, wurde er auf eine neue Ebene
gestellt.“ Diese neue Ebene haben wir bereits gemerkt. Sie ist eine
schiefe Ebene. Der ganze Rundfunk rollt bergab. Kein Mensch kann ihn
aufhalfen. Auch nicht Herr Dr. Bredow. Niemand, der seine Aufgabe
sieht. Nur im Reden.
Heute ist alles auf einer schiefen Ebene. Politik, Wirtschaft, das
ganze Leben. Bredow konnte gar nichts anderes tun, als sich anpassen.
Bredow ist seiner Zeit vorausgeeilf. Sein Rundfunk ist kein Spiegel
mehr. Eher ein Fernrohr.
Spiegel der Zeit wäre: Sparmaßnahmen. Und unvermeidlicher Abbau.
Fernrohr der Zeit ist: Sparmaßnahmen überall. Abbau überall. Audi
ohne Grund.
Fernrohr-Methoden sind leicht durchzuführen, wenn der Rundfunk,
ein öffentliches Organ, nicht der Kontrolle der Oeffentlichkeit unterliegt.
In der Verwaltung. Das Sparen wirkt allerdings auf die Sendungen.
Hauptsache: die Hörer zahlen ihre zwei Märker im Monat.
Die Hörer zahlen weiter. Etwa 7 Millionen Mark monatlich. 84 Milli-
onen Mark im Jahr. Dauernd strömt das Geld. Der Rundfunk ist
das einzige Unternehmen, das unter der schlechten
Wirtschaft nicht leidet. Staff weniger werden immer mehr
Hörer. Die Einnahmen steigen.
Was macht man mit dem Geld? 60 Prozent behält die Reichsposf.
Der Rundfunk ist postalisch. Außerdem muß der Kassierer seine Pro-
zente verdienen. Die Post leistet dafür etwas: sie unterhält die technischen
Anlagen. Das kostet keine 50 Millionen jährlich. Nicht einmal 25 Milli-
onen. Gut. Soll die Post verdienen. Was geschieht mit dem schäbigen
Rest, mit den 21/2 Millionen Mark monatlich? Man gibt ihn an die neun
deutschen Sendegesellschaffen und an den Deufschlandsender weiter.
Die können damit machen, was sie wollen.
Sie machen, was sie wollen. Sie bauen alle Gehälter und Honorare
ab. Bei steigenden Einnahmen! Die Sendegesellschaffen sind eben nicht
postalisch. Sie sind gemeine Aktiengesellschaften, aus denen
möglichst hohe Dividenden herauszuholen sind.
In Breslau etwa: kein Rundfunkangesfellfer, nicht einmal der Oberst-
angestellte, weiß genau, wie hoch der wirkliche Etat ist. Nur der ge-
schäftsführende Direktor kennt die Einnahmen. Er sagt seinen Leuten:
„Ihr dürft so viel verbrauchen, mehr nicht!“ Dann erzählt er freude-
strahlend dem Äufsichtsraf, um wie viele tausend Mark er die Hörer
wieder betrogen hat. Es gibt Dividenden. Mit solchen Aktiengesell-
schaften haben wir immer Erfahrungen gemacht. Traurige Erfahrungen!
Etwas besser ist es bei der Berliner Funksfunde. Dorf weiß man
wenigstens, wieviel man täglich für das Programm ausgeben darf:
11500 Mark. Täglich! Und dafür kann man nichts Anständiges
bieten.
Die Funkstunde wurde angegriffen.
Bis sie eines Tages einen Verteidiger fand. In einem Berliner Funk-
kritiker, der wegen seiner sonderbaren Einfälle von seinen Kollegen
schon lange Primadonna genannt wird. Dieser Mann kam jetzt auf den
Einfall, zu erklären, warum der Rundfunk sparen muß: einzelne große

61
 
Annotationen