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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Nebel, Otto: Doktor Sport
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0046

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Doktor Sport
Otto Nebel
Es wird euch nicht wundern zu erfahren, daß sich ein Mützen-
fabrikant en gros leicht allerlei in den Kopf setzen kann en detail.
Hugo Sport in Pasewalk, der Erfinder der bekannten Sport-
mützen, litt in geradezu manischer Weise an einer blinden Ver-
ehrung aller Leute, die unter dem Schirme des Doktortitels durch
das Gestöber des Daseins stolzieren.
Als er in die Umstände kam, seinem ersten und einzigen,
Sohne einen Rufnamen zu verpassen, kam ihm der glückliche Ge-
danke, den Jungen mit dem Vornamen Doktor zu segnen. Das war
eine grandiose Eingebung, deren diesseitige Tragweite selbst der
Pastor in Pasewalk nicht zu Ende denken konnte.
Hugo Sports Ehefrau, eine Dame von zwei Zentnern Urmasse,
heiter und sinnig, trug den Rufnamen Balbina. Balbina Sport, ge-
borene Lau. Sie war am 31. März geboren. Ihr Vater, der selige
Lau, hatte damals einfach das Kalenderblatt vor die Nase genommen
und sich für diesen rundlichen Vornamen erwärmt. Der Mützen-
fabrikant Hugo Sport aber ließ zur Taufe seines eingeborenen.
Sohnes drei Vornamen in das Register einfragen: — sich selber
zu Ehren natürlich den Vornamen Hugo, seiner Frau, der rüstigen
Pasewalküre zu Ehren den Zwischennamen Balbinus, und schließ-
lich als Krönung der Sache den schönen Rufnamen Doktor, so-
daß der Säugling als Hugo Balbinus Doktor Sport von den Be-
hörden theoretisch zur Kenntnis genommen werden konnte. Man
muß Pasewalk kennen, diesen Ort, der seit dem Abrücken der
Kürassiere außer dem rapiden Geburtenrückgänge auch sonst eine
schwere Einbuße an Lebensfülle zu beklagen hat, um ganz zu er-
messen, welche weltmännisch hinauslangende Geste in solcher
Namengebung zum Ausdruck kam.
Den Jungen nannte man von Anfang an immer nur Doktor,
kurzweg. Er konnte nichts dafür. Er war gesund und nie auf den
Kinderkopf gefallen. Audi der englischen Krankheit war er mit
gutem Instinkt ausgewichen.
Als er zur Schule kam, wurde er vom Lehrer Mix als erstem,
und dann sofort automatisch von seinen Mitschülern wegen seines
Doktortitels entsprechend gehänselt. Er hafte ein Gemüt gleich
dem Seidenfutter einer prima Sportmütze vom Vater her, jedoch
von der schweren Mutter her eine dickfellige Oberhaut über diesem
Gemüfe, sodaß er sehr rasch lernte, das Futter seines Wesens
nach innen zu wenden und den Menschen die Lederseite zu bieten.
Nachdem er die Schule hinter sich und die Reifezeugnisse in
der Tasche hatte, entschloß er sich, entschlossen wie er war, Medizin
zu studieren und sich den Dokforfitel zu erwerben. Gedacht, getan!

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