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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Neumann, Zlatko: Das Kleinhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0088

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Das Kleinhaus
Zlatko Neumann
Die Siedlungsbewegung, insbesondere der große bodenreforma-
torische Gedanke Leberecht Migges und — Hand in Hand — der
Baugedanke Adolf Loos’ ermöglichen es heute dem Arbeiter, auf
Grund des Ertrages seines Schrebergartens in den Besitz eines
eigenen Hauses zu gelangen. Immer nähern wir uns mehr dem
Zeitpunkt, wo die bereits teilweise verwirklichten Ideen dieser
beiden Reformatoren alle „Kunstbauten“ der zahllosen „Baukünst-
ler“, die hinter dem Schild der Siedlungsbewegung verkrochen heil-
losen Unfug treiben, endgültig verdrängen werden und jeder, der
seinen kleinen Garten redlich zu bearbeiten gewillt ist, auf Grund
seines Bodenertrages sein eigenes Haus haben wird.
Adolf Loos sagt im Vortrag über „Die moderne Sied-
lung“: „Nicht alle Menschen können einen Schrebergarten besitzen
oder bebauen. Es gibt viele Berufe, die den Menschen von der
Gartenarbeit ausschließen. Ein Feinmechaniker darf nicht einen
Spaten in die Hand nehmen, er ruiniert seine Hand; ein Violin-
spieler darf nicht einen Spaten in die Hand nehmen, er ruiniert
seine Hand. Viele geistige Berufe sind nicht dazu geeignet“ Kann
nun ein solcher Mann nie sein eigenes Haus besitzen, wenn er
auch vielleicht über ein geringes Kapital verfügt, welches ihm aber
nicht gestattet, ein Haus eines Großkapitalisten zu erbauen?
Das moderne Haus ist eine Maschine. Der reine Zweck ist
das Primäre bei der modernen Architektur. Daraus folgt erst,
als Sekundäres, die Form, die logischerweise die moderne Form ist.
Das wird von den „modernen Baukünstlern“ gedankenlos nach-
geplappert und durch ihr Ornamentgehirn und ihre faule Ro-
mantik vergewaltigt, indem der unangetastete Grundriß, die un-
berührte Wohnart des 18. Jahrhunderts in eine ornamentlose Hülle
gesteckt, mit einem flachen Dach versehen — so: „als ob . . .“ —
als Formexperiment, als „die moderne Bauform“ ausposaunt wird.
Größte Oekonomie mit jedem Kubikzentimeter des Raumes,
daher verschiedene Höhen der Räume; der Gedanke, daß „ich
mein ganzes Haus in einem Augenblicke bewohnen will“; daher
keine Türen zwischen den Wohnräumen (Schlafzimmer, Bibliothek
oder Arbeitsraum, wo man sich ungestört zurückziehen können
muß, haben natürlich Türen), sondern Trennung der einzelnen
Räume durch Niveauunterschiede; Schlafen getrennt vom Wohnen;
quadratische Grundrißform des Hauses, weil Minimum der Um-
fassungsmauern bei Maximum der bebauten Fläche; ökonomische
Organisation des wirtschaftlichen Teiles; alles wirklich wie Räder
einer Maschine ineinandergreifend und berechnet ist das moderne
Haus.

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