Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste (21.1932)

dieser am selben Abend von Porzia nm das Fleisch seines Feindes
geprellt wurde:
„Nimm denn den Schein, und nimm du dein Pfund Fleisch!
Allein vergießest du, indem du’s abschneidst,
Nur einen Tropfen Christenblut, so fällt
Dein Hab und Gut, nach dem Gesetz Venedigs,
Dem Staat Venedigs heim.“
— ja, da wußte ich genau, was dem Kluglack vorhin durch den
Kopf geschossen war . . .
Tatsächlich hafte er Peinhardt vorgeschlagen, im Interesse nicht
nur der unblutigen Operafionsmethode, sondern sogar der lieben
Judenheit, das Stück damit endigen zu lassen, daß Shylock zum
bassen Entsetzen der schlauen Porzia sich das Fleisch aus dem
Leib des Feindes mit dem elektrisch glühenden Messer-
draht heraussäge! Peinhardt lehnte ab, weil ja doch Porzia
noch die andere Bedingung stellte, nicht mehr noch weniger als
just ein Pfund Fleisch zu entnehmen. Infolgedessen bewohnt
Kluglack seit einiger Zeit eine gewisse Zelle, wo er der fixen Idee
nachgrübelt, wie das zu machen sei. — Lieber das Resultat ein
andermal.

Rampenrummel
Gerhart Hauptmann, jugendlicher Bergreifer, S'hrieb einstens
„Vor Sonnenaufgang“.
Gerhart Hauptmann, ältlicher Seefahrer, schrieb 1932 „Vor Sonnen-
untergang“. Ohne Stürme. Schilderung eines Einzelschicksals: Liebe
des alternden Mannes.
Menschengestaltung ist eine Stärke Hauptmanns. Die Menschenzeich-
nung ist auch im jüngsten Werk des alten Dichters echt und stark. Der
Aufbau des Dramas ökonomisch: mit starken Momenten und dramatischen
Höhen.
Trotzdem: matt. Papier. Kein Leben. Kein Menschheifssihidksal.
Gute Schauspieler im Deutschen Theater hauchen Leben in
die Papierfiguren.
*
Zwei Engländer, Neal le und Chesterton, haben ein Konver-
sationsstück verfaßt. Titel: „In jeder Ehe . . .“ Feststellung: in jeder
Ehe gibt es Krisen.
In der vorhandenen Ehe wird die vorhandene Krise gelöst. Durch die
Kinder. Belehrend und moralisch: Kinder kriegen Krise klein.
Hauptrolle: Leopoldine Konstantin. Begeisterter Beifall im Theater
in der Sfresemannstraße.
*
Zwischen Glück und Spiel und Unglück in der I iebe sowie umgekehrt
sollen laut Ueberlieferung Gegensätze bestehen.
Darüber unterhält sich in „Roulette“ der fnrrhtbar fnuchtbare
Molnar-Nachahmer Ladislaus Fodor. Sich und die Besucher «les
Deutschen Künstlertheaters.
A. v. K.

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