DOI Artikel:
Kún, André von: Rampenrummel
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0056
Rampenrummel
Sprechbeamte sprechen
Ort der Handlung: St. Helena. Auf der Bühne der Berliner
Volksbühne. In der Mitte der Handlung „Der Gefangene“.
Monsieur Napoleon persönlich, wie er lebt und leibt. Das heißt:
wie Herr Alexander Moissi das Leben und Leiben des Franzosen-
kaisers vorstellt. Der Alexander den Napoleon.
Bühnenschriftsteller und Dramatiker Alexander Moissi kam auf
den smarten Gedanken, die Zwiespälte zwischen Mensch Napoleon,
und Heros Napoleon „aufzuzeigen“. Dieser fast interessante Ge-
danke fiel im Lauf der Zeit mehreren Schriftstellern ein. Sie haben
das Zwiespalt-Problem fallweise mit und ohne Geschick „erledigt“.
Alexander Moissi geht nicht so weit. Er begnügt sich, unwesentliche
äußere Geschehnisse in äußerliche Wörter zu verpacken. Man hört
Wörter. Keine Worte. Beziehungen hat Moissi nicht zu dem Men-
schen, noch zu dem Heros Napoleon.
Nicht nötig. Ein Sprechbeamter setzt sich kunst-ulkshalber an
seinen kunstgeschnitzten Schreibtisch und schreibt eine Bomben-
rolle für einen Kollegen. Für Albert Bassermann, der, einmal
gestaltender Schauspieler, sich auf den formvollendeten Sprech-
beamten zurückgezogen hat.
Sprechbeamte sprechen. Schade, daß sie nichts — sagen. Das
heißt: Premiere des großangelegten Napoleon-Dramas . . .
Ahoi: Der Neger ist ein Mensch
Mister Eugene O’Neill ist reinrassiger Ire. Folglich Voll-
blutamerikaner. Er rollt das Rassenproblem der USA. auf. Das
Problem Schwarzweiß. Das weißschwarze Problem heißt: „Alle
Kinder Gottes haben Flügel“.
Was hat der liebe Gott mit den Kindern einerseits, anderer-
seits mit den Flügeln zu tun. Und wie stellt sich der liebe Gott
zu den geflügelten Worten des Vollblutamerikaners Eugen O’Neill?
Dies zu erfahren, technisch unmöglich, wäre interessanter als das
Rasseproblemstück. Das nach sehr geschickt konstruierten Szenen
und nach endlosen Längen zu einem aufreizend originellen Ergebnis
kommt. Die Gegensätze zwischen Weiß und Schwarz sind nicht
zu beseitigen. Man hat es schon lange gewußt. Oder man dachte
darüber schon immer anders.
Der irische Vollblutyankee hat uns nichts erzählt. Er ist zwar
ein Kind Gottes. Aber ohne Flügel im Sinne Gottes.
Jedoch das wichtigste: das flügellose irisch-amerikanische Dra-
matikerkind Gottes hat festgestellt, daß auch die Neger Menschen
seien. Ahoi!
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Sprechbeamte sprechen
Ort der Handlung: St. Helena. Auf der Bühne der Berliner
Volksbühne. In der Mitte der Handlung „Der Gefangene“.
Monsieur Napoleon persönlich, wie er lebt und leibt. Das heißt:
wie Herr Alexander Moissi das Leben und Leiben des Franzosen-
kaisers vorstellt. Der Alexander den Napoleon.
Bühnenschriftsteller und Dramatiker Alexander Moissi kam auf
den smarten Gedanken, die Zwiespälte zwischen Mensch Napoleon,
und Heros Napoleon „aufzuzeigen“. Dieser fast interessante Ge-
danke fiel im Lauf der Zeit mehreren Schriftstellern ein. Sie haben
das Zwiespalt-Problem fallweise mit und ohne Geschick „erledigt“.
Alexander Moissi geht nicht so weit. Er begnügt sich, unwesentliche
äußere Geschehnisse in äußerliche Wörter zu verpacken. Man hört
Wörter. Keine Worte. Beziehungen hat Moissi nicht zu dem Men-
schen, noch zu dem Heros Napoleon.
Nicht nötig. Ein Sprechbeamter setzt sich kunst-ulkshalber an
seinen kunstgeschnitzten Schreibtisch und schreibt eine Bomben-
rolle für einen Kollegen. Für Albert Bassermann, der, einmal
gestaltender Schauspieler, sich auf den formvollendeten Sprech-
beamten zurückgezogen hat.
Sprechbeamte sprechen. Schade, daß sie nichts — sagen. Das
heißt: Premiere des großangelegten Napoleon-Dramas . . .
Ahoi: Der Neger ist ein Mensch
Mister Eugene O’Neill ist reinrassiger Ire. Folglich Voll-
blutamerikaner. Er rollt das Rassenproblem der USA. auf. Das
Problem Schwarzweiß. Das weißschwarze Problem heißt: „Alle
Kinder Gottes haben Flügel“.
Was hat der liebe Gott mit den Kindern einerseits, anderer-
seits mit den Flügeln zu tun. Und wie stellt sich der liebe Gott
zu den geflügelten Worten des Vollblutamerikaners Eugen O’Neill?
Dies zu erfahren, technisch unmöglich, wäre interessanter als das
Rasseproblemstück. Das nach sehr geschickt konstruierten Szenen
und nach endlosen Längen zu einem aufreizend originellen Ergebnis
kommt. Die Gegensätze zwischen Weiß und Schwarz sind nicht
zu beseitigen. Man hat es schon lange gewußt. Oder man dachte
darüber schon immer anders.
Der irische Vollblutyankee hat uns nichts erzählt. Er ist zwar
ein Kind Gottes. Aber ohne Flügel im Sinne Gottes.
Jedoch das wichtigste: das flügellose irisch-amerikanische Dra-
matikerkind Gottes hat festgestellt, daß auch die Neger Menschen
seien. Ahoi!
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