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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Räusch, G: Tonflimmernebengeräusche
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0058

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T onflimmernebengeräusche
Emil und die Manuskriptdetektive
„Emil und die Defektive.“ Ein komischer Film. Komisch dadurch, daß
er für Jugendliche freigegeben ist.
Emil und die Manuskriptdefekfive. Ein Problem. Problem dadurch
daß der neue Janningsfilm mit dem edlen Titel „Stürme der
Leidenschaft“ zum hundertfünfundsiebzigsten Male den Beweis
brachte, daß die deutschen Manuskriptdefekfive endgültig versagen. Sie
hätten die Pflicht, neue Gebiete für den Tonfilm zu erschließen. Der
stürmischen Leidenschaft der Produzenten können aber brot- und geld-
hungrige Textverfasser nicht widerstehen. Sie unterliegen.
Seit Monaten ist europäische und außereuropäische Unterwelt große
Filmmode. In jedem zweiten Tonfilm hört man Maschinengewehrknaffer.
Alkoholschmuggler, Zuhälter, Banditen, Ganoven kleinen und großen For-
mats wälzen sich auf der Tonflimmerwand. Mord, Totschlag, Straßen-
gefechte und ähnliche Scherze bilden das Schema der Großtonfilme.
Die Unterwelt zieht und hütet Filmfabriken vor Unferbilanz.
Auch Emil Jannings, gelegentlich Menschendarsfeller, spielt in seinem
neuen Film einen Unterweltler. Gut. Was nützt es?
Was nützen gute Regisseure und gewandte Kameramänner, wenn
die Manuskriptdefekfive vom Kartell der Unterweltfilmfabrikanfen ge-
zwungen werden, ausschließlich Schmutz und Schund zu liefern.
Die gesamte deutsche Filmindustrie erfüllt ihre Mission
in Sachen Kultur und fördert die Volksverblödung. Nach bestem Wissen
ohne Gewissen. Also: Planwirtschaft!

Nachtlokal-Notverordnung
Ächtung, Gesetzgeber der Deutschen Republik! Wir
schlagen vor, die Reichsverfassung zu ergänzen, und schlagen vor, die
gesetzliche Reglung einer Lebenswichfigkeit. Es muß festgefügt werden,
was sich in der Praxis glänzend bewährt hat: Daß in jedem deutschen
Tonfilm mindestens zwei Szenen in einem Nachtlokal ge-
spieltwerden. So wird das Kino endlich zur moralischen Erziehungs-
anstalt des deutschen Volkes. Und der benachbarten Nationen.
Dr. phil. G. Rausch

Die Gedenktafel
Der Lusfspielautor Louis Verneuil bummelt mit einem jungen Kollegen.
Die beiden kommen an dem Hause vorbei, auf dessen Wand die Gedenk-
tafel Joris Karl Huysmans ist. Der junge Mann bleibt vor der Tafel
stehen: „Glauben Sie, lieber Verneuil, daß man an dem Hause, in dem
ich jetzt wohne, später auch eine Gedenktafel anbringen wird?“ — „Na-
türlich“, lächelt Verneuil, „mit der Anschrift: Hier ist ein möbliertes Zimmer
zu vermieten“.

Unamuno junior
Miguelle de Unamuno hat zwei Jungens. Die beiden liefern dauernd
für die Kindermundsparte der spanischen Presse. Einmal versuchte der
zehnjährige Unamuno seinen nur achtjährigen Bruder über die Rechte
der Erstgeborenen sachlich aufzuklären: „Weißt Du denn nicht, daß der
Jüngere immer nachgeben muß?“ — Unamuno der Kleinste war tief be-
leidigt: „Hätte ich das rechtzeitig erfahren, wäre ich bestimmt nicht
zur Welt gekommen!“

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