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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Rampenrummel-Reigen
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Pfister, Julius: Mode
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0032

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Rampenrummel-Reigen
Uraufführung im „Theater der Ewigjungen“. Große Aufmachung.
Große Enttäuschung. Nicht einmal im Uebermaß vorhandene Worte
sind für die Leere des neusten Stückes des ältesten Dichters
voll genug. Die Herren von der Kritik schlafen schon nach der
dritten Szene. Korporativ. Also nimmt die Premiere den gewohnten
Verlauf: Die Kritik schläft, das Publikum „geht mit“ und alles ist
in schönster Ordnung. Mehr Blumen und viele Hervorrufe.
In der Pause nach dem ersten Akt studieren die Vertreter der
öffentlichen Meinung die Oeffentlichkeit. Der Herr vom General-
anzeiger fragt einen Kollegen: „Hast Du vielleicht eine Ahnung, wer
die Dame in der Proszeniumloge ist?“
„Keinen Schimmer.“
Zweiter Akt. Noch schwächer als der erste. Zweite Pause. Der
zweite Kritiker geht an den ersten heran: „Nun weiß ich, wer die
Fremde in der großen Loge ist. Die Gattin des neuen Botschafters
der Spanischen Republik.“
Ein vorwurfsvoller Blick: „Konntest Du das nicht schon in der
ersten Pause erfahren? Du hättest mir diesen schlaf-
losen Akt erspartl“
Mode
Die Mode gehört zu den verkannten und umstrittenen Dingen
— sie wird also besonders wichtig sein. Zunächst hat Mode eine
doppelte Bedeutung: im weiteren Sinne ist sie das Vorstadium
der Kultur, im engeren die „Bekleidungskunst“. Mode gibt es auf
allen Kulturgebieten, in Religion, Politik, Wissenschaft, Kunst, Sitte
und Wirtschaft. Ihre positive Aufgabe besteht darin, die neuen
oder die erneuerten Kulturgüter ins Bewußtsein der Massen zu
bringen, ihre Qualität und Brauchbarkeit vor der endgültigen Ein-
führung auszuprobieren und ihnen die Aufnahme in den dauernden
Besitz eines Volkes, in seine Kultur, zu ermöglichen. — Die Mode
als „Bekleidungskunst“ ist nur ein Teil dieses Kulturprozesses,
der die Fortentwicklungen und Wandlungen des Lebens anzeigt.
Volkswirtschaftlich gesehen ist die Bekleidungskunst ein
sehr wesentlicher Teil von Handwerk, Industrie und Handel; künst-
lerisch ist sie das umfangreichste Gebiet der Kunst. Seinem
Wesen nach ist das Kleid ein Gesamtkunstwerk von angewandter
Malerei, Plastik und Architektur. Kulturell ist die Kleidermode
der genaue Spiegel der politischen, soziologischen und ökonomischen
Zustände und Kämpfe.
Aus solchen Kämpfen erklären sich auch die propagandistischen
Diffamierungsversuche der Mode als unsittlich, verschwenderisch,
ausländisch usw. So spiegelt etwa die Uniformität unserer Kleidung

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