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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 21.1932

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Lube, Friedrich: Der Kampf um Friedmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.47223#0084

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wird aber immer nicht genug gewürdigt. Dem Kranken ist
damit nicht gedient, wenn ihm der Arzt sagt, die Wissen-
schaft sei sich noch nicht einig. Es wird sogar gut sein, wenn
dem Kranken verschwiegen wird, wie wenig einig sich die;
Wissenschaft ist. Der Kranke will eine Entscheidung. Und
wenn er nach langer Behandlung von dem Friedmannschen
Mittel hört und von seinem Arzt eine Behandlung mit dem
Mittel wünscht, oder die Behandlung auch nur zur Dis-
kussion stellt, so kann er eine Entscheidung verlangen. Die
Entscheidung setzt, wie es sonst auch in der Medizin ist, die
Kenntnis voraus. Unkenntnis entschuldigt auch hier nicht.
Und bei der Entscheidung über eine Behandlungsmethode
darf es nicht ausschlaggebend sein, ob die Methode nun
einen durchaus kommentmäßigen Weg gegangen ist. Es wäre
doch nicht das erstemal, daß große Entdeckun-
gen zunächst totgeschwiegen oder verlacht wurden.
Nach meiner Auffassung ist der Arzt verpflichtet, eine Be-
handlungsmethode anzuwenden, die Besserung bringen kann.
Man verlangt auch sonst nicht, daß die Besserungen vorher zu
hundert Prozent sicher sind, nur verlangen muß man, daß
die Methode unschädlich ist. Da das auf die Behandlung
mit dem Friedmannschen Tuberkulosemittel zutrifft und da
über Besserungen und Heilungen in ungewöhnlich
großer Zahl berichtet wird, fühle ich mich verpflich-
tet, mit diesem Mittel zu behandeln. Und die Wissenschaftler und
Fachkollegen, die das nicht richtig finden, bitte ich, mir zu sagen,
ob es richtiger wäre, tatenlos zu bleiben oder eine Schein-
behandlung mit allgemein kräftigenden Mitteln durchzu-
führen. Ich bitte die Vertreter der Wissenschaft und die
Fachkollegen, zu bedenken, daß der Kranke, der zum Arzt
kommt, geheilt werden will, daß er aber an dem Streit der
Wissenschaft uninteressiert ist, wenn ihm geholfen wird.
Diese Tatsache hat beim Friedmannschen Mittel den bis-
herigen Rahmen gesprengt und hat zu den unerfreulichsten
Erscheinungen geführt. Denn einen wissenschaftlichen Streit
kann man nun mal nicht mit Mitteln ausfechten, die an die
tiefsten Niederungen des Tageskampfes erinnern. Das
schadet der Wissenschaft, weil sie an Ansehen verliert. Das
schadet dem praktizierenden Arzt, weil es ihn unsicher macht.
Das schadet dem Kranken, weil nicht das ganze Rüstzeug
zur Ueberwindung der Krankheit eingesetzt wird.
Ich betone nochmals, an dem eigentlichen Streit bin ich
nicht beteiligt und werde mich nicht an ihm beteiligen. Ich
rufe aber alle auf, die guten Willens sind, einem unwürdigen
Zustand dadurch ein Ende zu bereiten. Es muß verlangt

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