des
Herausgegeöen im Auftrage des Vereins - Au8fchusse8.
Inserate werden mit 7 kr.
oder 2 Sgr. für die doppel-
spaltige Petitzcile berechnet.
Abonnementspreis: bei di-
rektem Bezug von der Expedi-
tion 36 kr. oder IS'/s Sgr.,
bei Bezug durch die Post oder
den Buchhandel 45 kr. oder
13 Sgr. für das Quartal.
Heidelberg, den 18. Oktober.
Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Oesterreich nach dem Kriege. — Sta-
tistisches. — Aus Thüringen. — Bom Neckar. — Aus der Schweiz. —
Mertko. — Zeitungsschau.
Wochenbericht.
Heidelberg, 16. Okk.
-'-Wie man vorauswisscn konnte, ist cs beim Vollzüge der
Förmlichkeiten der Einverleibung von Hannover, Kurhcssen
u. s. w. sehr frostig hcrgegangen. Mit Ausnahme von Emden
und einigen andern vereinzelten Punkten fehlte allenthalben
die festliche Stimmung, und mit Ausnahme von Frankfurt
traten nirgends die Merkmale einer ernstlichen Volkstrauer
hervor. Die Freunde Preußens fühlten sich gedrückt durch die
Umstände, unter denen die Erfüllung ihrer Wünsche vor sich
ging, die Widersacher Preußens hüllten ihren Groll in das
Schweigen der Hoffnungslosigkeit und die große Masse fügte
sich mit gemischten Empfindungen in das unabwendbare Ver-
hangniß. Das preußische Volk selbst hat den Tast, welcher
ihm einen Zuwachs von mehreren Millionen Köpfen gebracht,
mit einer gewißen Gleichgültigkeit vorübergehen lasten, Wie-
den Verfalltag einer Schuld, deren Zahlung man sicher war.
— Nach Lage der Dinge konnte das Alles, wie gesagt, gar
nicht anders erwart« werden. Wenn uns aber nickt bcschie-
den gewesen, im Wendepunkte der deutschen Geschickte selbst
ein nationales Jubelfest zu feiern, so können doch nur schwache
oder verschrobene Köpfe die ungeheure Bedeutung des histori-
schen Momentes verkennen, durch welchen Deutschland jetzt
hindurchgegangen.
Zunächst ist es an der preußischen Cabinetspclitik, die
große Bahn, in welche die Geschicke Deutschlands eingetrcten
sind, zu ebnen. Bisher ist zu diesem Zwecke wenig geschehen.
Wenn freilich die Männer der preußischen Negierung, nach
den Anstrengungen der letzten drei oder vier Monate, das
Bedürfnis' des Ausruhens haben, so wird man ihnen daraus
billiger Weise keinen Vorwurf machen können und, mit Rück-
sicht darauf, Anstand nehmen, von Versäumniß zu sprechen.
Nur daß die Pause in der politischen Arbeit nickt zu lange
währe und daß am allerwenigsten, in Ermangelung richtig
eingreifender Maßregeln, Mißgriffe geschehen wie die unlängst
ungeordnete Steucrverdoppelung in Hannover — ein Hülfs-
mittel, welches vielleicht zehn Mal thcuerer zu stehen kommen
wird, als eine entsprechende Anleihe beim Wucherer.
Von einer Cabinetsveränderung in Berlin, welche insbe-
sondere die Minister des Innern und der Justiz in Ruhestand
versetzen würde, und die von Herrn v. Bismarck selbst nach-
drücklich betrieben worden sein soll, ist es wieder still geworden.
Sie ist, wie es heißt, auf den bekannten „unbesiegt ichen Wi-
derstand" gestoßen. Auch in der Handhabung der Verwaltung
und der Justiz macht sich keine, dem erfolgten Austausch guter
Dienste zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus entspre-
chende Veränderung bemerklich. Die „Versöhnung" ist eben,
wie sich vorhcrsehen ließ, einstweilen eine bloße Formalität
geblieben, mit deren Hülfe man sich über gewisse Verlegen-
beiten des Augenblicks hinweggesetzt. Ob es auch für die nächste
Zukunft sein Bewenden dabei haben wird, hangt vcrmuth-
lich von einer entscheidenden Probe ab, welche der Einfluß des
Hrn. v. Bismarck bei dessen Rückkehr nach Berlin zu bestehen
haben wird.
— Die württembergische Kammer erfüllt die Prophezeiungen
ihrer schlimmsten Verächter. Eine ähnliche Summe von po-
litischen: Unverstand, partiknlaristischer Gehässigkeit und eng-
herziger Krähwinkel«, wie sie in den Stuttgarter Adreßver-
handlungen zum Vorschein gekommen, würde man in den
stenographischen Berichten aller bisherigen deutschen Landtage
wahrscheinlich vergebens suchen. Ganz gewiß aber ist es, daß
der nationale Patriotismus, die deutsche Ehrenpflicht, niemals
auf irgend einem deutschen Landtage dreister verleugnet worden
ist, als in der württcmbergischen Kammer. Ob Württemberg,
im Fall eines Krieges zwischen Preußen und Frankreich, zum
erstern oder letzter» halten solle, wurde ohne alle Scheu zu einer
bloßen Frage der Umstände gemacht, wiewohl' die feinsten
Schlauköpfe des Schwabcnthums jeder Wahl dieser Arr
eine weise Neutralität vorzuzichcn schienen. Napoleon und
Bismarck sollen die Sacke unter sich ausmacken — lautete
der mit behaglichem Beifallsgelächter aufgenvmmene schließ-
liche Ausspruch einer Landtagsgröße ersten Ranges. Warum
uns gegen Preußen verpflichten, meinte ein Würden-
träger des-weiland Stuttgarter Rumpfparlaments, da Preu-
ßen uns ja doch im eigenen Interesse gegen Frankreich decken
muß! Fort mit jedem Gedanken an den Eintritt in den
norddeutschen Bund, hieß cs von anderer Seite; wenn aber
Frankreich die deutschen Gränzen bedroht, dann, aber auch
erst dann leihen wir Preußen unfern großmüthigcn Beistand
— natürlich auf unsere eigenen Bedingungen, bknd eine
Mehrheit von drei Vicrthcilen der Stimmen setzte dieser
pfiffigen Dummheit die Krone auf. Angesichts solcher Er-
scheinungen begreift man den souveränen Hohn, mit welchem
die Machthaber vom Schlage eines Bismarck, Pfordten und
Varnbüler auf den „Parlamentarismus heruntersehen."
— Die vor wenigen Tagen zusammcngctretcne badische
Kammer hat noch keine Gelegenheit gehabt, ihre Willensmeinnng
in Bezug auf die deutschen Angelegenheiten zu erkennen zu
geben, indessen ist cs nicht zweifelhaft, daß sie mit noch grö-
ßerer Mehrheit, als die würtembergische, den geradezu entgegen-
gesetzten Standpunkt cinnchmcn wird. Da die baierischc
Kammer ihrerseits sich bekanntlich längst für den Anschluß an
Preußen erklärt hat, so wird also Würtemberg mit seiner
prcußcnfcindlichcn Monomonie ganz allein stehen, wenn es
nicht etwa Herrn v. Dalwigk gelingen sollte, mit Hülfe des
schlechtesten aller deutschen Wahlgesetze bei den bevorstehenden
darmstädtischen Wahlen eine Mehrheit für seine bis jetzt offen-
bar unveränderte „deutsche" Politik zu gewinnen, was indessen,
nach allen bisherigen Erfahrungen, bis auf Weiteres für
äußerst unwahrscheinlich gelten muß.
— Mit dem Abschlüsse des österreichisch-italienischen Frie-
dens hat die Wiener Hofburg ihrem italienischen Ehrgeize,
allen Anzeichen zufolge, ein für alle Mal entsagt und den Vor-
satz der endgültigen Aussöhnung mit der Regierung Viktor
Herausgegeöen im Auftrage des Vereins - Au8fchusse8.
Inserate werden mit 7 kr.
oder 2 Sgr. für die doppel-
spaltige Petitzcile berechnet.
Abonnementspreis: bei di-
rektem Bezug von der Expedi-
tion 36 kr. oder IS'/s Sgr.,
bei Bezug durch die Post oder
den Buchhandel 45 kr. oder
13 Sgr. für das Quartal.
Heidelberg, den 18. Oktober.
Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Oesterreich nach dem Kriege. — Sta-
tistisches. — Aus Thüringen. — Bom Neckar. — Aus der Schweiz. —
Mertko. — Zeitungsschau.
Wochenbericht.
Heidelberg, 16. Okk.
-'-Wie man vorauswisscn konnte, ist cs beim Vollzüge der
Förmlichkeiten der Einverleibung von Hannover, Kurhcssen
u. s. w. sehr frostig hcrgegangen. Mit Ausnahme von Emden
und einigen andern vereinzelten Punkten fehlte allenthalben
die festliche Stimmung, und mit Ausnahme von Frankfurt
traten nirgends die Merkmale einer ernstlichen Volkstrauer
hervor. Die Freunde Preußens fühlten sich gedrückt durch die
Umstände, unter denen die Erfüllung ihrer Wünsche vor sich
ging, die Widersacher Preußens hüllten ihren Groll in das
Schweigen der Hoffnungslosigkeit und die große Masse fügte
sich mit gemischten Empfindungen in das unabwendbare Ver-
hangniß. Das preußische Volk selbst hat den Tast, welcher
ihm einen Zuwachs von mehreren Millionen Köpfen gebracht,
mit einer gewißen Gleichgültigkeit vorübergehen lasten, Wie-
den Verfalltag einer Schuld, deren Zahlung man sicher war.
— Nach Lage der Dinge konnte das Alles, wie gesagt, gar
nicht anders erwart« werden. Wenn uns aber nickt bcschie-
den gewesen, im Wendepunkte der deutschen Geschickte selbst
ein nationales Jubelfest zu feiern, so können doch nur schwache
oder verschrobene Köpfe die ungeheure Bedeutung des histori-
schen Momentes verkennen, durch welchen Deutschland jetzt
hindurchgegangen.
Zunächst ist es an der preußischen Cabinetspclitik, die
große Bahn, in welche die Geschicke Deutschlands eingetrcten
sind, zu ebnen. Bisher ist zu diesem Zwecke wenig geschehen.
Wenn freilich die Männer der preußischen Negierung, nach
den Anstrengungen der letzten drei oder vier Monate, das
Bedürfnis' des Ausruhens haben, so wird man ihnen daraus
billiger Weise keinen Vorwurf machen können und, mit Rück-
sicht darauf, Anstand nehmen, von Versäumniß zu sprechen.
Nur daß die Pause in der politischen Arbeit nickt zu lange
währe und daß am allerwenigsten, in Ermangelung richtig
eingreifender Maßregeln, Mißgriffe geschehen wie die unlängst
ungeordnete Steucrverdoppelung in Hannover — ein Hülfs-
mittel, welches vielleicht zehn Mal thcuerer zu stehen kommen
wird, als eine entsprechende Anleihe beim Wucherer.
Von einer Cabinetsveränderung in Berlin, welche insbe-
sondere die Minister des Innern und der Justiz in Ruhestand
versetzen würde, und die von Herrn v. Bismarck selbst nach-
drücklich betrieben worden sein soll, ist es wieder still geworden.
Sie ist, wie es heißt, auf den bekannten „unbesiegt ichen Wi-
derstand" gestoßen. Auch in der Handhabung der Verwaltung
und der Justiz macht sich keine, dem erfolgten Austausch guter
Dienste zwischen Regierung und Abgeordnetenhaus entspre-
chende Veränderung bemerklich. Die „Versöhnung" ist eben,
wie sich vorhcrsehen ließ, einstweilen eine bloße Formalität
geblieben, mit deren Hülfe man sich über gewisse Verlegen-
beiten des Augenblicks hinweggesetzt. Ob es auch für die nächste
Zukunft sein Bewenden dabei haben wird, hangt vcrmuth-
lich von einer entscheidenden Probe ab, welche der Einfluß des
Hrn. v. Bismarck bei dessen Rückkehr nach Berlin zu bestehen
haben wird.
— Die württembergische Kammer erfüllt die Prophezeiungen
ihrer schlimmsten Verächter. Eine ähnliche Summe von po-
litischen: Unverstand, partiknlaristischer Gehässigkeit und eng-
herziger Krähwinkel«, wie sie in den Stuttgarter Adreßver-
handlungen zum Vorschein gekommen, würde man in den
stenographischen Berichten aller bisherigen deutschen Landtage
wahrscheinlich vergebens suchen. Ganz gewiß aber ist es, daß
der nationale Patriotismus, die deutsche Ehrenpflicht, niemals
auf irgend einem deutschen Landtage dreister verleugnet worden
ist, als in der württcmbergischen Kammer. Ob Württemberg,
im Fall eines Krieges zwischen Preußen und Frankreich, zum
erstern oder letzter» halten solle, wurde ohne alle Scheu zu einer
bloßen Frage der Umstände gemacht, wiewohl' die feinsten
Schlauköpfe des Schwabcnthums jeder Wahl dieser Arr
eine weise Neutralität vorzuzichcn schienen. Napoleon und
Bismarck sollen die Sacke unter sich ausmacken — lautete
der mit behaglichem Beifallsgelächter aufgenvmmene schließ-
liche Ausspruch einer Landtagsgröße ersten Ranges. Warum
uns gegen Preußen verpflichten, meinte ein Würden-
träger des-weiland Stuttgarter Rumpfparlaments, da Preu-
ßen uns ja doch im eigenen Interesse gegen Frankreich decken
muß! Fort mit jedem Gedanken an den Eintritt in den
norddeutschen Bund, hieß cs von anderer Seite; wenn aber
Frankreich die deutschen Gränzen bedroht, dann, aber auch
erst dann leihen wir Preußen unfern großmüthigcn Beistand
— natürlich auf unsere eigenen Bedingungen, bknd eine
Mehrheit von drei Vicrthcilen der Stimmen setzte dieser
pfiffigen Dummheit die Krone auf. Angesichts solcher Er-
scheinungen begreift man den souveränen Hohn, mit welchem
die Machthaber vom Schlage eines Bismarck, Pfordten und
Varnbüler auf den „Parlamentarismus heruntersehen."
— Die vor wenigen Tagen zusammcngctretcne badische
Kammer hat noch keine Gelegenheit gehabt, ihre Willensmeinnng
in Bezug auf die deutschen Angelegenheiten zu erkennen zu
geben, indessen ist cs nicht zweifelhaft, daß sie mit noch grö-
ßerer Mehrheit, als die würtembergische, den geradezu entgegen-
gesetzten Standpunkt cinnchmcn wird. Da die baierischc
Kammer ihrerseits sich bekanntlich längst für den Anschluß an
Preußen erklärt hat, so wird also Würtemberg mit seiner
prcußcnfcindlichcn Monomonie ganz allein stehen, wenn es
nicht etwa Herrn v. Dalwigk gelingen sollte, mit Hülfe des
schlechtesten aller deutschen Wahlgesetze bei den bevorstehenden
darmstädtischen Wahlen eine Mehrheit für seine bis jetzt offen-
bar unveränderte „deutsche" Politik zu gewinnen, was indessen,
nach allen bisherigen Erfahrungen, bis auf Weiteres für
äußerst unwahrscheinlich gelten muß.
— Mit dem Abschlüsse des österreichisch-italienischen Frie-
dens hat die Wiener Hofburg ihrem italienischen Ehrgeize,
allen Anzeichen zufolge, ein für alle Mal entsagt und den Vor-
satz der endgültigen Aussöhnung mit der Regierung Viktor