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Deutscher Nationalverein [Editor]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 90 - No. 93 (7. Februar 1867 - 28. Februar 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0181
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Herausgegeöm im «Auftrage des Vereins-Ausschusses.

,/U 91. Heidelberg, den 14. Februar. 1867.

Jul,alt:
Wochenbericht. — Preußischer Landtagsbrief. — Abschaffung des Rcichs-
erbpostmeisterS. — Oesterreichtsche Zustände. — Politische Literatur. —
Zeitungsschau. — Mittheilungen aus dem Nattonalvcrcin.

Wochenbericht.
Heidelberg, 12. Februar.
* Durch mühselige Vorarbeiten und schwere Geduldsproben
hindurch sind wir heute am Tage der Parlamentswahlcn an-
gekommen, das heißt, am Anfänge deS Anfangs des politi-
schen Ausbaus auf dem militärisch geebneten Boden. Gleich-
wohl haben wir alle Ursache, mit dem bisherigen Gange der
Arbeit zufrieden zu sein, und zu bezeugen, daß dieselbe nur
unter besonderer Gunst der Umstände und durch ungewöhnliche
Triebkräfte binnen sechs oder acht Monaten auf den heutigen
Punkt gebracht werden konnte. Ohne die herrschende Stellung,
welche Preußen im vorigen Jahr gewonnen, und ohne den
diktatorischen Geist der gegenwärtigen preußischen Politik würde
der neueste Versuch, einige zwanzig Souveränetätcu durch die
Mittel des Vertrags unter einen Hut zu bringen, von vorn
herein eben so hoffnungslos gewesen sein, wie alle vorher-
gehenden. Im Jahre 1848 freilich gingen die Dinge an-
fänglich rascher, wurde die Frankfurter Nationalversammlung
durch eine vermeinte Revolution aus dem Boden gestampft
und deren souveräne constituircnde Gewalt ohne Widerstand
und Widerspruch proklamirt. Unglücklicher Weise aber war
jener glatte Verlauf nur dadurch möglich, daß alle ernstlichen
Hindernisse vorsichtig umgangen wurden, erwies sich die soge-
nannte Märzrevolution hinterdrein als ein bloßer Schreckschuß,
von dessen Eindrücke die Betroffenen sich bald genug erholten,
und platzte die angebliche Souvcränetät der Nationalversamm-
lung, wie eine Seifenblase, beim ersten Zusammenstoß mit der
wirklichen Macht. Heute steht die Sache anders. Die in
den geschichtlichen Verhältnissen liegenden Schwierigkeiten der
politischen Reform sind, wenigstens in Norddcutschland, wirklich
überwunden, das Norddeutsche Parlament hat nicht so stolze
Ansprüche, wie die Frankfurter Nationalversammlung, aber eine
stärkere Berechtigung, und die Wirkung seines, allerdings nicht
souveränen abcrdoch mitentschcidendcn, Wortes wird
verbürgt durch die ganze Macht des preußischen Staats. Kurz,
wir haben es dies Mal nicht mit schmeichlerischen Selbsttäu-
schungen und hohlen Formen zu thun, sondern mit leibhaftigen
Thatsacheu, nicht mit dem Schemen eines Parlaments, sondern
mit einer Nationalvertretung in Fleisch und Blut, welche sich
zwar nicht allmächtig dünken, wohl aber stark genug fühlen
wird, um mit der preußischen Regierung auf dem Fuße der
Gleichheit zu verhandeln.
Es ist bemerkenswerth, daß, je tiefer die Wahlbcwegung
den Volksgeift aufgeregt, desto entschiedener dabei die Personen
in den Vordergrund, die Programme dagegen in Schatten
getreten sind. Diese Erscheinung kennzeichnet die Lage sowohl
wie die Stimmung. Die Stimmung insofern, als dieselbe
sich von Schultheorien und Parteisystemen mehr und mehr
abwendct, die Lage in so fern, als sie die Aufgaben des Par-

laments sehr vereinfacht und ein ziemlich durchgreifendes Ein-
verständniß über die Behandlung derselben von selbst mit sich
gebracht hat. Dazu kommt dann allerdings, daß die Einzcln-
hcitcn des in den Berliner Ministerconfcrcnzen vereinbarten
Vcrfassungscntwurfs- noch nicht in die Oeffentlichkeit gelangt
sind, also auch nicht Gegenstand von Meinungsverschiedenheiten
und Gegensätzen haben werden können, die den Wahlkampf
belebt und erhitzt hätten. Unter solchen Umständen kann ein
bewährter Name in der That für ein ausreichendes Programm
gelten, und daß dies in den meisten Wahlkreisen anerkannt
wird, ist von guter Vorbedeutung für die bevorstehenden Ver-
handlungen und deren Ausgang.
Ein schlimmes Jnvcntariumsstück wird der Norddeutsche
Reichstag bei seinem Eintritt ins Amt vorfinden: die Ver-
weigerung des freien Drucks für das freie parlamentarische
Wort. Während dem Reichstag die unbedingte Redefreiheit
zugcstandcn worden, welche man dem preußischen Landtage
durch Strafprozesse zu verkümmern sucht, verweigert man dein
crstern die unbedingte Preßfreiheit für seine Verhandlungen,
welche dem letztcrn verfassungsmäßig gesichert ist. Die für
diese Beschränkung der parlamentarischen Freiheit und Würde
von Herrn v. Bismarck beiacbrachtcn Gründe haben, außerhalb
des Herrenhauses, sehr wenig überzeugenden Eindruck gemacht,
so wenig, daß man dieselben hinterdrein in der ministeriellen
Presse selbst hat fallen lassen, um eine noch viel unwahrschein-
lichere Mctivirnng an deren Stelle zu setzen. Gewiß ist, daß
man in Berlin wieder einmal ein großes Mittel zu einem
kleinen Zwecke angcwendet, den Gegnern der preußischen Po-
litik beinahe muthwillig eine neue Blöße geboten und deren
Freunden eine neue Verlegenheit bereitet hat. Das Ministerium
scheint indessen wenigstens nachträglich zur Erkenntniß des
eigenen Fehlers gekommen zu sein und denselben, laut Erklä-
rung des Staatsanzeigers, durch thatsächliche Gewährung der
Preßfreiheit für Parlamentsreden, so weit möglich, wieder gut
machen zu wollen.
Eine ähnliche Erkenntniß läßt sich leider nicht aus den
weiteren Schritten folgern, welche die Regierung in Betreff
der Frankfurter Contributionssache gcthan hat. Die abschlä-
gige Antwort des Finanzministcrs auf ein Gesuch, das doch
schließlich gewährt werden muß und wird, ist ein neuer be-
dauerlicher Mißgriff, und von der dem Minister des Innern
zur Last fallenden Zeitbestimmung für die königliche Audienz,
welche den Bevollmächtigten der Stadt in dieser Sache gewährt
werden soll, läßt sich mindestens sagen, daß sie weder von
Großmuth zeugt, noch von der Kunst, die Menschen zu be-
handeln.
Die Formen in denen der Schluß des preußischen Land-
tags erfolgt ist, berechtigen zu der Annahme, daß die Regie-
rung von der Nothwendigkeit des inner» Friedens gründlich
überzeugt und demnach auch gewillt ist, die verfassungsmäßigen
Bedingungen desselben in Zukunft zu erfüllen. Wie weit jene
Ueberzeugung sich bewähren und dieser gute Wille reichen wird,
steht abzuwartcn, was denn wohl in vorherrschend ungläubiger
Gcmüthsverfassung geschehen wird.
— In Oesterreich haben die letzten acht Tage den AuS-
 
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