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Deutscher Nationalverein [Editor]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 85 - No. 89 (3. Januar 1867 - 31. Januar 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0141
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Heidelberg, den 10. Januar.

Inhalt:
Wochenbericht. — Der Nationalveretn vor und nach dem Kriege. II. —
Preußischer Landtagtbricf. — Aus Eüddcutschland. — Aus Thüringen. —
Salzmonopol und Salzstcuer. — ZeitungSschau. — Mittheilungcn au«
dem Nationalveretn.

Wochenbericht.
Heidelberg, 8. Januar.
*Wie die letzte Woche des alten, so ist die erste Woche
des neuen Jahres ein leeres Blatt in der deutschen Vcrfas-
sungsgeschichte gewesen. Leer freilich nicht an Worten, aber
an Thatsachen, an solchen wenigstens, die einigermaßen ins
Gewicht fallen. Haben die Geschäfte nicht ganz gestockt, so sind
doch keine Ergebnisse zu Tage gekommen, wie der Drang der
Zeit sie verlangt. Für die Organisation der anncktirten Länder
ist zumal immer noch nichts geschehen, was der Rede wcrth wäre,
und selbst in Bezug auf die verrufene Jagdgesetzgcbnng in
Nassau hat man cs, nach sccksmonatlichem Schweigen und
Nichtsthun, erst zu einem Versprechen für die Zukunft gebracht.
Die Sache ist zu schwierig, heißt es, um über's Knie gebrochen
zu werden, während es sich doch lediglich um die Wiederher-
stellung eines durch fürstliche Willkür frevelhaft gebrochenen
privatrechtlichen Zustandes handelt. —
Die Berliner Ministcrconfcrenz hat Weihnachtsfcrien ge-
halten. Heitere Festtage werden cs nicht gewesen sein, die
man an den kleinstaatlichen Höfen begangen. Denn, allen
Nachrichten zufolge, hält Herr v. Bismarck unerbittlich fest
an den starken Forderungen, welche er an die bundcsfürstliche
Souveränetät gestellt, und die, wie es scheint, der Sache nach
auf eine Art von Mcdiatisirung htnauslaufen, ohne welche
denn allerdings die militärische, diplomatische und wirthschaft-
liche Einheit des Norddeutschen Bundes ein bloßer Name
bleiben würde. Nach äußeren Zeichen zu schließen, ist das
Ende der zu Hause angcstcllten Betrachtungen und Berathungcn
durchweg die schließliche Ergebung in das von dem eisernen
Willen des preußischen Ministerpräsidenten getragene Schicksal
gewesen, eine Ergebung, die insbesondere der mecklenburgischen
Regierung sehr schwer geworden sein soll, welche ja auch von
Anbeginn kein Hehl daraus gemacht hat, daß sie mit dem
äußersten Widerwillen in die militärisch-politische Gemeinschaft
mit Preußen gegen Oesterreich und den Bundestag cingctretcn
ist. Gleichwohl pochte man in Schwerin auf die nothge-
drungcncr Maßen geleisteten Kriegsdienste, und verlangte man
von der preußischen Dankbarkeit allerlei zarte Rücksichten für
das obotritischc Schlaraffcnthum, das jetzt das Ende seiner
nichlsnntzigeu Tage mit Schrecken hcreinbrcchen sieht.
— Obgleich die den hannöverischen Officicrcn gegebene Frist
erst in acht Tagen abläuft, hat sich die Mehrzahl derselben
bereits für den Eintritt in das preußische Heer gemeldet.
Es ist sehr erfreulich, diese Angelegenheit, in Hannover
eben so wie in Kurhcssen und Nassau, in Uebereinstimmung
mit den strengsten Formen des militärischen Gewissens geregelt
zu sehen. Mögen dieselben immerhin übertrieben scheinen, so

1867.

zeugen sie doch von einer Stärke des Pflichtgefühls, die dem
deutschen Charakter zur Ehre gereicht. In vielen andern
Ländern würde, in ähnlichem Falle, weder Freund noch Feind
auch nur daran gedacht haben, die Frage aufzuwerfen, an
welche bei uns Hunderte von jungen Männern ihre Zukunft,
und eben so viele Familienväter ihre und der Ihrigen Eristenz
setzen zu müssen glaubten. Mit dem Herzen dieser Männer
fühlen wir das eigene Herz erleichtert, ohne deßhalb in das
Lob und den Preis des Königs Georg, wegen der endlich be-
willigten Eidescntbindung, mit irgend einem Gedanken einzu-
stimmen. Was der König Georg gcthan, war er sich selbst
noch viel mehr schuldig, als seinen ehemaligen Officicrcn; es
war keine Handlung der Großmuth, sondern eine Abwehr des
anderweitig wohlverdienten Borwurfs der niedrigen Gesin-
nung und der gehässigsten Selbstsucht. Den Soldaten, ohne
alle Gegenleistung, an seinem Fahneneide wie in Ketten und
Banden sestzuhaltcn, wäre die That eines gemeinen Wucherers,
der mit einem hinfällig gewordenen Schuldschein ruchlosen
Mißbrauch treibt. — Auch der Herzog von Augustenburg hat
die Schleswig-Holsteiner der ihm geleisteten Huldigung ent-
bunden. Auch ihm kann man zu diesem Entschlüsse in seinem
eigenen Interesse nur Glück wünschen, mehr als zur Motivi-
rung desselben und zu den dabei angedeutetcn Vorbehalten.
— Der Ministerwechsel in Baiern wird von allen Seiten im
Sinne des Fortschritts und des Anschlusses an Preußen auf-
gefaßt. Ein bestimmtes Maß der auf den Fürsten Hohenlohe
zu setzenden Erwartungen wird indessen erst von dem beglau-
bigten Programm desselben zu erwarten sein, das bis jetzt
nicht vorliegt. Von dem Eintritte Baierns in den Nord-
deutschen Bund, auf die für die übrigen Mitglieder desselben
geltenden Bedingungen, wird darin schwerlich die Rede sein.
Die darmstadtischc Regierung hat sich genöthigt gesehen,
ihren Widerspruch dagegen fallen zu lassen, daß die auf
dem rechten Mainufer gelegenen Orte Castell u. s. w., ob-
gleich der Provinz Rheinhessen angehörig, Bestandtheile des
Norddeutschen Bundesgebiets werden. Nach dem unzweideutigen
Buchstaben des einschlägigen Vcrtragsartikels war das zwar
mit der größten Gewißheit vorauszusagcn; in Darmstadt aber
scheint es Grundsatz zu sein, keine Gelegenheit zur Bezeugung
des Übeln Willens gegen Preußen unbenutzt zu lassen. Noch
unlängst gedachte Herr v. Dalwigk, die militärischen Ansprüche
dcS Norddeutschen Bundes dadurch abzufindcn, daß er dem-
selben jeweils drei beliebige Bataillone des großherzoglichen
Armeecorps zur Verfügung stellte, ganz wie dies ehemals von
Seiten Dänemarks in Bezug auf sein Bundescontigent zu ge-
schebcn Pflegte. Die inzwischen in Berlin über diesen Punkt
gepflogenen Verhandlungen werden den darmstädter Minister
wohl zu der Erkcnntniß gebracht haben, daß das Ministerium
Bismarck in Militärsachen weniger leicht zu befriedigen ist,
als der weiland Bundestag, aber an neuen Anlässen zur Schau-
stellung der bekannten Hoffnungen auf die „rothen Hosen"
wird es in Darmstadt auch künftig nicht fehlen. Wer mit
dieser Haltung und diesen Gesinnungen der Darmstädter Hof-
nnd Cabinetspolitik am wenigsten unzufrieden zu sein Ursache
hat, ist sicherlich Herr v. Bismarck.
 
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