AbvnnemcntSprciS: bei di-
rektem Bezug von der Expedi-
tion 36 kr. oder 10'/» Sgr.,
iet Bezug durch die Post oder
den Buchhandel 45 kr. oder
13 Sgr- für das Quartal.
des
Inserate werden mit 7 kr.
oder 2 Sgr. für die doppel-
spaltige Petitzeile berechnet.
"UcktiSNsl-VersiN
Herausgegeben im Auftrage des Vereins-Ausschusses.
Heidelberg, den 21. März.
Inhalt:
Wochenbericht. — Süddeutschland und die Süddeutschen. — Parlaments-
brief. — Aus Preußen. — Ein Wort über die Presse. — Deutsche Ge-
sellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Wochenbericht.
Heidelberg, 19. März.
*Der Verlauf der allgemeinen Verhandlungen über den
Verfassungsentwurf hat die Erwartung eines guten Ausganges
der Reichstagsarbeit bekräftigt. Alle Parteien, welche über-
haupt in Betracht kommen, sind zum Worte gelangt, alle ihre
Redner haben sich frei und offen auf den Boden der That-
fachcn gestellt, ihre ehrliche Mitwirkung an dem Verfassungs-
werke versprochen, unv nur sehr wenige Forderungen sind laut ge-
worden, welche über die Gränze dcs Erreichbaren hinausgehen;
aber die nothwendigen Vorbehalte im Sinne der bestehenden
Volks- und Verfasfungsrechte sind mit hinlänglichem Nachdruck
gemacht worden, um Herrn v. Bismarck zu der Erklärung
zu veranlassen, daß er zu Zugeständnissen bereit sei. So weit
hat Deutschland alle Ursache, mit dem Gange der Dinge in
Berlin zufrieden zu sein. Ob dieselben zum glücklichen Ab-
schluß gelangen, hängt ohne Zweifel einzig und allein davon
ab, wie weit Herr v. Bismarck Willens und im Stande ist,
jene Bereitwilligkeit zu bethätigen. Ist es der preußischen
Regierung eben so Ernst damit, wie dem Reichstage, über
die noch vorhandenen Schwierigkeiten hinweg zum Ziele zu
kommen, ist sie eben so, wie der Reichstag, von dem Geiste
der Mäßigung durchdrungen und von der Nothwendigkeit
billiger Ausgleiche überzeugt, so wird der Norddeutsche Bund,
allem Anscheine nach, binnen kürzester Frist fertig, und damit
die feste Grundlage der künftigen Gesammtverfassung Deutsch-
lands gewonnen sein. Dem sei also!
Der Radikalismus, welcher ja auch einen und den andern
Vertreter in dem Reichstage hat, hüllt sich bis jetzt in ein
weises Schweigen, dem er, in seinem eigenen Interesse, wohl
auch künftig treu bleiben wird. Für das Großdeutschthum
dagegen ist zwar eine ultramontanc Stimme laut geworden,
aber ohne den mindesten Widerhall. Die über das Maß
aller geschichtlichen Wahrheit und aller wirklichen politischen
Verhältnisse hinausgrcifcnden „großdeutschen" Einwendun-
gen und Ansprüche fanden ihre vollständige Abfertigung
in einigen beiläufigen Worten eines Redners aus der „frei-
conservativcn" Partei. „Es handelt sich nicht, sagte Graf
Bethusy-Hne, nm Wiedererlangung einer verloren gegangenen
deutschen Einheit, sondern um die Ncneroberung einer nie
vorhanden gewesenen." Eine politische Einheit Deutschlands
hat cs so wenig jemals gegeben, wie es eine französische Staats-
einheit gab, so lange Herzoge von der Normandie, der Bretagne,
von Burgund u. s. w. existirten; das deutsche Reich und der
deutsche Bund waren staatsrechtliche Namen für völkerrechtliche
Verhältnisse, Namen, die allerdings, und besonders vermöge
ihres handgreiflichen Gegensatzes zu den Thatsachcu, dem nach-
träglichen Entstehen des nationalen Einheitsgcdnnkeus An-
haltspunkte gegeben haben, deren Bedeutung man aber hoch
übertreibt, wenn man sie heute als politische Rechtsgründe
gebraucht. Ist der Norddeutsche Bund nicht die volle Ver-
wirklichung dieses Einhcitsgedankens, so ist er doch der An-
fang dazu, ein Anfang, dem nichts in der Welt geopfert zu
werden braucht, weder eine geschichtliche Erinnerung, noch ein
Besitz der Gegenwart, noch irgend eine der Hoffnungen auf
die Zukunft, die bisher das beste Stück unserer geringen na-
tionalen Habe ausmachten. Bedarf es noch des Beweises
dafür, daß die durch den vorjährigen Krieg vollzogene „Zer-
reißung des Vaterlandes", von welcher politische Markt-
schreier in haarsträubendem Tone zu sprechen pflegen, daß
diese angebliche „Dreitheilung Deutschlands" nichts ist,
als eine rednerische Faselei? Der Krieg, welcher Norddeutschland
unter einen Hut gebracht, hat im Üebrigen Alles beim
Alten gelassen. Was in den bisherigen Wechselbezieh-
ungen des Nordens zum Süden, des außcrösterreichischcn zum
österreichischen Deutschland verändert ist, beschränkt sich auf
leere Formen und einige Einrichtungen vom allergeringsten
Belang. Durch bie einzige ncnnenswerthe dieser Veränderungen
— denn die Aufhebung des Bundestags selbst ist doch wahr-
haftig nicht der Rede Werth — den Verzicht Oesterreichs auf
das Besatzungsrecht in den Bundcsfestungen, ist lediglich eine
schmeichlerische aber gefährliche Täuschung beseitigt, die Ein-
bildung, daß Oesterreichs Kriegsmacht die Gränzen Deutsch-
lands bewachen Helse. Oesterreich war ohne Zweifel bereit,
seine Bundespflichten zu erfüllen, so oft es — seine Rechnung
dabei fand, würde aber niemals in einen Krieg für Deutsch-
land eingctreten sein, der feinen eigensten Interessen zuwider
gewesen wäre. Als Mitinhaber der Festung Mainz hätte
Oesterreich die Rheinland?, je nach Umständen, gegen die
Franzosen vertheidigt, oder an dieselben verkauft, wie feiner
Zeit Lothringen — darüber hat kein klarer politischer Kopf
jemals den mindesten Zweifel gehabt. Und heute stehen diese
Dinge im Wesentlichen ganz eben so, wie vor Auflösung des
Bundes, so weit nicht die Entfcrimng der österreichischen Be-
satzungen eine Wendung zum Bessern bewirkt hat. Oesterreich
wird im Kriegsfälle mit oder wider uns sein, oder auch sich
neutral verhalten, je nach dem sein Vortheil es mit sich bringt.
Daß ein geschriebener Buchstabe für die große Politik einer
europäischen Macht, und insbesondere bei Fragen von Krieg
und Frieden, bestimmend sei, ist eine geradezu kindische Vor-
stellung.
Mit dem Gedanken eines Zusammenstoßes mit Frankreich
Haden wir übrigens alle Ursache, uns möglichst vertraut zu
machen. Die Eifersucht auf Preußen frißt den Franzosen
am Herzen, und ihre Hetzereien lassen dem Tuileriencabinet
weder Ruhe noch Rast. Im Gesetzgebenden Körper, im Heer,
in der Presse schreit die durch den Sieg bei Sadowa belei-
digte Nationaleitclkeit nach Rache, so laut, so leidenschaftlich,
daß der Bonapartismus darüber zusehends die Fassung verliert.
Die bevorstehende Pariser Gewerbeausstellung und die Noth-
wendigkeit der französischen Hecresrcorganisation geben dem Wi-
derstand der Regierung gegen das Drängen und Treiben des
Volksgeistes einstweilen noch einen starken Rückhalt, den man
indessen nicht für unüberwindlich halten darf. Bestätigt sich
rektem Bezug von der Expedi-
tion 36 kr. oder 10'/» Sgr.,
iet Bezug durch die Post oder
den Buchhandel 45 kr. oder
13 Sgr- für das Quartal.
des
Inserate werden mit 7 kr.
oder 2 Sgr. für die doppel-
spaltige Petitzeile berechnet.
"UcktiSNsl-VersiN
Herausgegeben im Auftrage des Vereins-Ausschusses.
Heidelberg, den 21. März.
Inhalt:
Wochenbericht. — Süddeutschland und die Süddeutschen. — Parlaments-
brief. — Aus Preußen. — Ein Wort über die Presse. — Deutsche Ge-
sellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger.
Wochenbericht.
Heidelberg, 19. März.
*Der Verlauf der allgemeinen Verhandlungen über den
Verfassungsentwurf hat die Erwartung eines guten Ausganges
der Reichstagsarbeit bekräftigt. Alle Parteien, welche über-
haupt in Betracht kommen, sind zum Worte gelangt, alle ihre
Redner haben sich frei und offen auf den Boden der That-
fachcn gestellt, ihre ehrliche Mitwirkung an dem Verfassungs-
werke versprochen, unv nur sehr wenige Forderungen sind laut ge-
worden, welche über die Gränze dcs Erreichbaren hinausgehen;
aber die nothwendigen Vorbehalte im Sinne der bestehenden
Volks- und Verfasfungsrechte sind mit hinlänglichem Nachdruck
gemacht worden, um Herrn v. Bismarck zu der Erklärung
zu veranlassen, daß er zu Zugeständnissen bereit sei. So weit
hat Deutschland alle Ursache, mit dem Gange der Dinge in
Berlin zufrieden zu sein. Ob dieselben zum glücklichen Ab-
schluß gelangen, hängt ohne Zweifel einzig und allein davon
ab, wie weit Herr v. Bismarck Willens und im Stande ist,
jene Bereitwilligkeit zu bethätigen. Ist es der preußischen
Regierung eben so Ernst damit, wie dem Reichstage, über
die noch vorhandenen Schwierigkeiten hinweg zum Ziele zu
kommen, ist sie eben so, wie der Reichstag, von dem Geiste
der Mäßigung durchdrungen und von der Nothwendigkeit
billiger Ausgleiche überzeugt, so wird der Norddeutsche Bund,
allem Anscheine nach, binnen kürzester Frist fertig, und damit
die feste Grundlage der künftigen Gesammtverfassung Deutsch-
lands gewonnen sein. Dem sei also!
Der Radikalismus, welcher ja auch einen und den andern
Vertreter in dem Reichstage hat, hüllt sich bis jetzt in ein
weises Schweigen, dem er, in seinem eigenen Interesse, wohl
auch künftig treu bleiben wird. Für das Großdeutschthum
dagegen ist zwar eine ultramontanc Stimme laut geworden,
aber ohne den mindesten Widerhall. Die über das Maß
aller geschichtlichen Wahrheit und aller wirklichen politischen
Verhältnisse hinausgrcifcnden „großdeutschen" Einwendun-
gen und Ansprüche fanden ihre vollständige Abfertigung
in einigen beiläufigen Worten eines Redners aus der „frei-
conservativcn" Partei. „Es handelt sich nicht, sagte Graf
Bethusy-Hne, nm Wiedererlangung einer verloren gegangenen
deutschen Einheit, sondern um die Ncneroberung einer nie
vorhanden gewesenen." Eine politische Einheit Deutschlands
hat cs so wenig jemals gegeben, wie es eine französische Staats-
einheit gab, so lange Herzoge von der Normandie, der Bretagne,
von Burgund u. s. w. existirten; das deutsche Reich und der
deutsche Bund waren staatsrechtliche Namen für völkerrechtliche
Verhältnisse, Namen, die allerdings, und besonders vermöge
ihres handgreiflichen Gegensatzes zu den Thatsachcu, dem nach-
träglichen Entstehen des nationalen Einheitsgcdnnkeus An-
haltspunkte gegeben haben, deren Bedeutung man aber hoch
übertreibt, wenn man sie heute als politische Rechtsgründe
gebraucht. Ist der Norddeutsche Bund nicht die volle Ver-
wirklichung dieses Einhcitsgedankens, so ist er doch der An-
fang dazu, ein Anfang, dem nichts in der Welt geopfert zu
werden braucht, weder eine geschichtliche Erinnerung, noch ein
Besitz der Gegenwart, noch irgend eine der Hoffnungen auf
die Zukunft, die bisher das beste Stück unserer geringen na-
tionalen Habe ausmachten. Bedarf es noch des Beweises
dafür, daß die durch den vorjährigen Krieg vollzogene „Zer-
reißung des Vaterlandes", von welcher politische Markt-
schreier in haarsträubendem Tone zu sprechen pflegen, daß
diese angebliche „Dreitheilung Deutschlands" nichts ist,
als eine rednerische Faselei? Der Krieg, welcher Norddeutschland
unter einen Hut gebracht, hat im Üebrigen Alles beim
Alten gelassen. Was in den bisherigen Wechselbezieh-
ungen des Nordens zum Süden, des außcrösterreichischcn zum
österreichischen Deutschland verändert ist, beschränkt sich auf
leere Formen und einige Einrichtungen vom allergeringsten
Belang. Durch bie einzige ncnnenswerthe dieser Veränderungen
— denn die Aufhebung des Bundestags selbst ist doch wahr-
haftig nicht der Rede Werth — den Verzicht Oesterreichs auf
das Besatzungsrecht in den Bundcsfestungen, ist lediglich eine
schmeichlerische aber gefährliche Täuschung beseitigt, die Ein-
bildung, daß Oesterreichs Kriegsmacht die Gränzen Deutsch-
lands bewachen Helse. Oesterreich war ohne Zweifel bereit,
seine Bundespflichten zu erfüllen, so oft es — seine Rechnung
dabei fand, würde aber niemals in einen Krieg für Deutsch-
land eingctreten sein, der feinen eigensten Interessen zuwider
gewesen wäre. Als Mitinhaber der Festung Mainz hätte
Oesterreich die Rheinland?, je nach Umständen, gegen die
Franzosen vertheidigt, oder an dieselben verkauft, wie feiner
Zeit Lothringen — darüber hat kein klarer politischer Kopf
jemals den mindesten Zweifel gehabt. Und heute stehen diese
Dinge im Wesentlichen ganz eben so, wie vor Auflösung des
Bundes, so weit nicht die Entfcrimng der österreichischen Be-
satzungen eine Wendung zum Bessern bewirkt hat. Oesterreich
wird im Kriegsfälle mit oder wider uns sein, oder auch sich
neutral verhalten, je nach dem sein Vortheil es mit sich bringt.
Daß ein geschriebener Buchstabe für die große Politik einer
europäischen Macht, und insbesondere bei Fragen von Krieg
und Frieden, bestimmend sei, ist eine geradezu kindische Vor-
stellung.
Mit dem Gedanken eines Zusammenstoßes mit Frankreich
Haden wir übrigens alle Ursache, uns möglichst vertraut zu
machen. Die Eifersucht auf Preußen frißt den Franzosen
am Herzen, und ihre Hetzereien lassen dem Tuileriencabinet
weder Ruhe noch Rast. Im Gesetzgebenden Körper, im Heer,
in der Presse schreit die durch den Sieg bei Sadowa belei-
digte Nationaleitclkeit nach Rache, so laut, so leidenschaftlich,
daß der Bonapartismus darüber zusehends die Fassung verliert.
Die bevorstehende Pariser Gewerbeausstellung und die Noth-
wendigkeit der französischen Hecresrcorganisation geben dem Wi-
derstand der Regierung gegen das Drängen und Treiben des
Volksgeistes einstweilen noch einen starken Rückhalt, den man
indessen nicht für unüberwindlich halten darf. Bestätigt sich