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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 111 - No. 114 (4. Juli 1867 - 25. Juli 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0357
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Heidelberg, den 25. Juli.

Inhal t:
Wochenbericht. — Aussichten der Freiheit in Deutschland. — Aus Preu-
ßen. — Die Nationalsache und die Partcipolittk. — Aus Hannover. —
ZettungSschau.

Wochenbericht.
Heidelberg, 23. Juli.
*Alle schonen Worte, welche der Staatsminister Rouher
im gesetzgebenden Körper nach Preußen hin gesprochen, haben
dem Umsichgreifen der Kriegsgcdanken keinen Augenblick Ein-
halt gethan. In der That steht die Sprache des Ministers
mit dem Verfahren der Regierung in zu grellem Widerspruch,
als daß sie den mindesten Eindruck machen könnte. Mau er-
richtet einige hundert neue Compagnien, und eben so viele
Dutzend neue Batterien; man fährt fort, Pferde in Masse
aufzukaufen, um sic nach geschehener Abrichtung bei den Bauern
cinzustcllen; das Kriegsmaterial wird in Magazinen und Zeug-
häusern zu Bergen aufgehäuft; die Festungswerke von Paris
werden verstärkt, und mit einer scheinbar sehr überflüssigen
Vorsicht sogar die afrikanischen Küstenplätze in Vcrtheidigungs-
zustand gesetzt. Hand in Hand mit diesen militärischen An-
stalten geht, allen Zeugnissen zufolge, eine diplomatische Thä-
tigkeit in Oesterreich und Italien, deren Zweck nicht näher
bezeichnet zu werden braucht, und daß kein Rest von Unge-
wißheit in Bezug auf die Wünsche und Absichten des Bona-
partismuS bleibe, dafür sorgt die Pariser Presse mit einer
seltenen Offenherzigkeit.
Es mag sein, daß im Tuilcrienkabiuette der Krieg immer
noch keine beschlossene Sache ist, sondern nur für den äußer-
sten Fall, als letztes Mittel der Selbsterhaltung, vorbereitet
wird. Für völlig gewiß dagegen kann es gelten, daß das
in Berlin zur Schau getragene Vertrauen auf die französische
Freundschaft eine bloße Maske ist, von der man nicht begreift,
wen sic täuschen soll, noch was mit einer solchen Täuschung
bezweckt wird, während die nacktheiligen Wirkungen, welche
dieses Spiel auf die öffentliche Stimmung ausübt, Jedermann
fühlbar sind. Man hat der „Empfindlichkeit" Frankreichs
längst mehr Opfer gebracht, als man vor der Nation verant-
worten kann, so daß cs nachgerade hohe Zeit ist, die Hal-
tung eines Klienten aufzugebcn, der seinen Patron in guter
Laune erhalten, oder wenigstens den Ausbruch der Übeln Laune
desselben hintanhalten will. Hat Preußen keinen Anlaß, Frank-
reich zu reizen, so bat cs doch eben so wenig Grund,
Aufmerksamkeiten an Frankreich zu verschwenden, für welche
ein ganz anderes Ding cingcärndtct wird, als Dankbarkeit.
In Wien scheinen die Bewerbungen des Tuilericnkabincts
neuester Zeit auf eine größere Sprödigkeit zu stoßen, als an-
fänglich, und eben so ist die Haltung der italienischen Negie-
rung heute nicht mehr so bereitwillig, gegenüber dem Bona-
partismus, wie in den ersten Tagen des Ministeriums Rattazzi.
Man mag in Wien und Florenz Fortschritte in der Erkennt-
nis; gemacht haben, daß der Bonapartismus weder Oesterreich
uoch Italien einen angemessenen Preis für eine Kriegsgemein-

1867.

schäft zu bieten hat, welche, hier wie dort, wahrscheinlich mit
dem Staatsbankcrott begonnen werden müßte, unfehlbar aber
aus den Staatsbankerott hinanslaufen würde. Die innern
Schwierigkeiten jener beiden Staaten sind nicht der Art, daß
die Ueberwindung derselben durch auswärtige Abentheuer er-
leichtert werden könnte, und auswärtige Interessen, die einen
großen Einsatz Werth wären, hat Italien — abgesehen von
seinen Absichten auf Rom, die Frankreich jetzt weniger unter-
stützen kann als je — ebenso wenig, wie Oesterreich, dem jeder
Gebietszuwachs ein neuer Stein am Halse sein würde. Für
Italien wird sich, so weit man auch umschauen mag, nirgends
ein zureichender Grund zum Bruch mit Preußen entdecken
lassen, und für Oesterreich könnte ein solcher Grund zur Zeit
höchstens in einer jener Leidenschaften gefunden werden, denen
die berechnende Politik der Wiener Hofburg von jeher sehr
fremd gewesen ist. Bleibt man aber in Wien und Florenz
taub für die französischen Versuchungen, so gibt man Europa
damit eine wichtige Bürgschaft des Friedens; denn daß Na-
poleon III, wider seine Gewohnheit und seine Grundsätze, ohne
Bundesgenossen in den Krieg mit Preußen gehen sollte, den
gefährlichsten, den er jemals unternommen, ist im hohen Grade
unwahrscheinlich. Daß Preußen seinerseits dem Wiener Ca-
binette den Entschluß, welchen die ganze vernünftige Welt
wünschen muß, nicht unnöthiger Weise erschwere, ist eine For-
derung des gesunden Menschenverstandes, die Herr v. Bis-
marck mit der „Staatsraison" hoffentlich nicht unvereinbar
finden wird. Im Namen des gesunden Menschenverstandes
und der Staatsraison muß man denn auch die Aechtheit der
angeblichen Depesche des Herrn v. Werther, ganz abgesehen
von den Erklärungen der Regierung, bezweifeln; nickt, weil
nicht einer jener Alltagsdiplomatcn, an denen Preußen großen
Ueberfluß hat, ein so unbedeutendes Schriftstück zu Papier
gebracht haben könnte, sondern weil sich nicht annehmen läßt,
daß Herr v. Bismarck einem solchen Machwerke, dessen ein-
ziges Verdienst in einer Oesterreich bitter kränkenden Schluß-
äußerung besteht, die Auszeichnung hätte angedeihen lasten,
durch welche dasselbe angeblich in die Ocffcntlichkeit gebracht
worden ist.
— Die Wortführer der Regierung vcrtheidigcn das rück-
sichtslose Eingreifen derselben in die bisherigen öffentlichen
Verhältnisse der neuen Provinzen mit der Berufung auf die
nothwcndigcn Erfordernisse der Staatseinhcit, nnter gelegent-
licher Hinweisung auf die Weitläufigkeiten und Hindernisse,
auf welche man bei einer parlamentarischen Regelung der
fraglichen Angelegenheiten im Landtage hätte stoßen können.
Innerhalb eines gewissen Bereichs mag eine solche Ausrede
stichhaltig sein. Die militärische Dienstpflicht der Hannoveraner,
Hessen u. s. w. zum Beispiel konnte nicht rasch genug nach
preußischem Gesetz fcstgestellt werden und ebenso war schwerlich
ein Rechts- oder Billigkeitsgrund vorhanden, den neuen Pro-
vinzen die Steuern, welche das übrige Preußen bisher ge-
tragen, länger zu ersparen, als bis zur Beendigung der er-
forderlichen Vorarbeiten — wiewohl es eine augenscheinliche
Sache der Klugheit war, wenigstens auf die Erhebung des
ohnehin unhaltbaren Zeitungsstempcls, im Interesse der neuen
 
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