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Deutscher Nationalverein [Editor]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 115 - No. 119 (1. August 1867 - 29. August 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0381
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des

'Nckti-Uckl'-


Hercmsgegebm im Auftrage des Kerems-Ausschusses.



Heidelberg, den 15. August.

1867.

Inhalt:
Wochenbericht. — Die auswärtige Politik der Parteien in Deutschland.—
Aus Preußen. — Aus Hannover. — Aus Thüringen. — Aus Würtcm-
bcrg. — Prcußisch-Oesterrcichtschc Interessen. — ZcitungSschau.

Wochenbericht.
Heidelberg, 13. August.
*Die Stuttgurter Beschlüge (siche den Wortlaut dersel-
ben weiter unten), von Landtagsmitglicdcrn und andern nam-
haften Mannern aus den vier Südstaaten gefaßt, bezeugen
den Anfang einer neuen Partcibildung, welche für den wei-
tern Gang unsrer nationalstaatlichen Entwickelung von der
größten Bedeutung zu werden verspricht. Seitdem der nord-
deutsche Bund zum Abschlüsse gekommen, war es einleuchtend,
daß die deutsche Einheitsbewegung im Volk ihren Hccrd nun-
mehr in Süddeutschland zu suchen habe. Vom Norden aus
eine direkte Einwirkung in diesem Sinne auf den Süden
auszuüben, ist der Nationalvcrein eine Reihe von Jahren hin-
durch mit sehr ungenügendem Erfolge bestrebt gewesen, und
würde, seit den Ereignissen des vorigen Jahres, kaum mehr
gewollt, geschweige denn mit Glück versucht werden können.
ES war also an der Zeit, daß in den Südstaaten die Ge-
sinnungsgenossen der nationalliberalcn Partei Norddeutschlands
die Sache des Anschlusses an den neuen Bund selbständig in
die Hand nahmen. Die zu diesem Zwecke nach Stuttgart be-
rufene vertrauliche Versammlung hat, wie bei ihrer Zusammen-
setzung nicht anders zu erwarten war, ihre Aufgabe richtig
verstanden und am rechten Ende angefaßt. Ihre Beschlüsse
bilden, im engen Anschlüsse an die unabweisbaren Erforder-
nisse der öffentlichen Lage, ein eben so einfach ausgcdrücktcs,
wie streng gegliedertes Programm der deutschen Volkspolitik,
welches nach Form und Inhalt gleichmäßig geeignet ist, die
gesunden politischen Köpfe und die patriotischen
Herzen für sich zu gewinnen. Um dieses Programm, man
darf es zuversichtlich hoffen, wird sich der bisher zerstreute
Anhang der ncnen Bundespartci in Süddeutschland in dichten
Reihen sammeln, von diesem Programm aus hat die staat-
liche Vereinigung des Nordens mit dem Süden den kräftigen
Vorschub einer lebhaften und beharrlichen Agitation zn er-
warten. Nur, daß die preußische Kabinctspolitik endlich auf-
höre, solchen Bestrebungen tagtäglich neue Fclsblöckc und
Sperrbäume in den Weg zu werfen! Wie viel weiter würden
wir in der gegenseitigen Annäherung gekommen lein, wenn
man von Berlin aus wenigstens nicht diejenigen Hindernisse
in die Bahn geschleudert hätte, die man nachträglich doch mit
eigner Hand wieder hat wegräumen müssen — von der Frank-
furter Contribution, bis zur Einziehung des hessischen Staats-
schatzes !
In neuester Zeit deuten indessen verschiedene Anzeichen
darauf hin, daß diesen Verkehrtheiten Einhalt gethan werden
soll. Die Sage von den „zwei Seelen" im preußischen Mi-
nisterium hat durch die Ereignisse, welche sich während ver-
letzten acht bis zehn Tage vollzogen oder vorbereitet haben,
eine neue Auffrischung erhalten. Gleichzeitig mit der Rück-

kehr des Herrn v. Bismarck von seinem pommer'schen Land-
aufenthalte ist eine Wendung in der Behandlung der annek-
tirten Provinzen bemerklich geworden, welche nur dem Ein-
stusse des jetzt in die Geschäfte wieder eingetrctenen Minister-
präsidenten zugeschricben werden kann. Für die Vorschläge
und Forderungen der hanuövcr'schcn Vertrauensmänner wird
die fast ausnahmslose Zustimmung der Regierung in Aussicht
gestellt, die Kurheffen sind drauf und dran, ihren Prozeß
wegen des Staatsschatzes und der Gerichtsordnung gegen die
Herren v. d. Heydt und zur Lippe zu gewinnen, die Einbe-
rufung von Vertrauensmännern aus Hessen, Nassau und
Schleswig-Holstein wird als bevorstehend angekündigt, die
finauciclleu Angelegenheiten der Stadt Frankfurt gehen, allen
Anzeichen zufolge, einer befriedigenden Erledigung entgegen.
Angesichts dieser Erscheinungen kann man unbefangener
Weise gar nicht umhin, jener Sage einen gewissen thatsäch-
lichen Grund beizumcffeu. Durch den Spott und die Witzeleien
der nihilistischen Presse über die „Vertrauensseligkeit" und den
„Selbstbetrug" der Nationalliberalen, welche in einer erdich-
teten Zwiespältigkeit der Berliner Cabinctspolitik sich den
Strohhalm des Ertrinkenden geschaffen haben sollen, wird
sich kein gesunder Kopf an handgreiflichen Thatsachcn irre
machen lassen. „Vertrauensselig" ist, dem Ministerium Bis-
marck gegenüber, kein vernünftiger Mensch in ganz Deutsch-
land, und am wenigsten irgend ein namhafter Theil der li-
beralen Partei, und wenn, auf der andern Seite, vor gelegent-
lichem Selbstbetrug Niemand sicher ist, so wird in diesem
Punkte doch sicherlich das Stärkste nicht von den National-
liberalen geleistet, welche das eigne Interesse der Machthaber
für sich anrufcn, sondern von ihren radikalen Gegnern, deren
ganze Rechnung auf irgend einen Umschwung der Dinge ge-
stellt ist, von welchem sie selbst nicht zu sagen wissen, wober
cr kommen, welche Richtung er nehmen und was er bewirken
soll. Die Nalionalpartci ist weit davon entfernt, dem Mini-
sterpräsidenten liberalere Gesinnungen zuzuschreiben, als seinen
College»; sie nimmt lediglich an, daß Herr v. Bismarck mehr-
politischen, oder auch nur mehr gesunden Menschenverstand hat, als
die Departementschefs deö Innern, der Justiz und der Finanzen
— eine Annahme, für welche immerhin allerlei kleine und
große Erfahrungen sprechen, und welche vollkommen ausrcrcht,
um die Erwartung zu rechtfertigen, daß Herr v. Bismarck
-sich endlich dazu entschließen werde, dem geradezu widersinnigen
Verfahren jener seiner Mitminister einen schließlichen Einhalt
zu thun. Es ist allerdings möglich, daß auch diese beschcidnie
Erwartung lügengestraft wird, aber auch in diesem Falle
werden wir in unscrm Rechte gewesen sein mit der Voraus-
setzung, daß ein Staatsmann, der die Leistungen des Herrn
v. Bismarck hinter sich hat, seine Ungeheuern Erfolge nicht
preisgcben werde durch eine Ausbeutung derselben, bei wel-
cher sich Unvernunft, Gehässigkeit und Armseligkeit um den
Vorrang streiten.
— Das Hauptgcspräch des politischen Marktes dreht sich
fortwährend um die Zusammenkunft der Kaiser von Oesterreich
und Frankreich und die von derselben zu gewärtigende Ein-
wirkung auf die europäische Politik. Der Gedanke einer öfter-
 
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