WonnementSprcis: bei di-
rektem Bezug von der Expedi-
tion 36 kr. oder IVVr Sgr.,
bet Bezug durch die Post oder
den Buchhandel 45 kn oder
13 Sgr. für da« Quartal.
ochen-Blatt
Inserate werden mit 7 kr.
oder 2 Sgr. für die doppel«
spaltige Petitzeile berechnet.
Herausgegeben im Auftrage des Vereins-Ausschusses.
M 101.
Heidelberg, den 25. April.
Des Osterfestes wegen kann unser Blatt heute nur in
einem halben Bogen erscheinen.
Inhalt:
Wochenbericht. — Die Sachlage in Luxemburg. — Parlamentsbrief. —
Mitthellungen aus dem Nationalvercin.
Wochenbericht.
Heidelberg, 22. April.
* Die Verfassung des norddeutschen Bundes hat auch durch
die Verbcsserungsarbeit des Reichstags zu keinem schulgerechten
Meisterstück gemacht werden können, sie bezeichnet aber gleich-
wohl einen unermeßlichen Fortschritt in der nationalpolitischen
Entwickelung Deutschlands. Niemals, so lange die Geschichte
von dem deutschen Volke weiß und spricht, hat sie von einem
staatlichen Gesammtzustande desselben berichtet, welcher sich
mit demjenigen auch nur entfernt vergleichen ließe, den der
norddeutsche Bund darstellt. Freilich ist cs einstweilen nur die
größere Hälfte unseres Landes und Volks, welche von dieser
Organisation umfaßt wird; in keiner frühern Zeit aber war
ein ähnliches Gebiet, wie die heutige norddeutsche Masse,
zu einem ähnlichen politischen Körper zusammcngeschlossen,
geschweige denn, daß jemals die Aussicht auf den ergänzen-
den Anschluß der noch fehlenden Glieder so sicher und
so nahe gewesen wäre, wie in der gegenwärtigen Lage der
Dinge. Wer mit klarem Blicke unser Heute mit unserm
Gestern vergleicht, der wird, bei einiger Vernunft und Bil-
ligkeit, anerkennen, daß Deutschland alle Ursache hat, mit der
unverhofften Wendung seiner Angelegenheiten zufrieden zu
sein, und sich mit dem Schicksal anszusöhnen, unter dessen
Ungunst cs allerdings lange und schwer genug zu leiden
gehabt.
Wenn es auf der andern Seite unter uns leider immer
noch Leute in Menge gibt, welche nicht begreifen, daß bei der
Feststellung von Staatsverfassungen noch andere Dinge in
Betracht kommen, als das Belieben der Cabinetteund die Beschlüsse
der Parlamente — Leute, welche für jeden Mangel und jede Unre-
gelmäßigkeit unseres neuen Staatsgrundgesetzes den guten
Willen oder den Verstand des Hrn. v. Bismarck und des
Reichstags verantwortlich machen, so muß man die Heilung
ihrer Geistesschwäche der Zeit und den Ereignissen überlassen.
Es ist richtig, daß in manchen kleinen Einzelnheiten die Be-
stimmungen der Bundesverfassung anders und besser hätten
gefaßt werden können; im Ganzen und Großen aber ist sie,
was sie sein soll, nämlich der möglichst getreue Ausdruck der
entsprechenden Machtvcrhältnisse, des bestehenden oder im
Werden begriffenen öffentlichen Rechts. Ein Capitcl von den
Grundrechten, zum Beispiel, wäre gewiß sehr wünschenswerth
und sogar den besonderen Interessen der preußischen Staats-
gewalt äußerst förderlich gewesen; da die dahin gerichteten
Anträge aber auf einen Widerstand stießen, den zu brechen
der Reichstag kein Mittel hatte, so würde das starrköpfige
Festhalten an einer Forderung, welche mit dem eigentlichen
Zwecke der Bundesverfassung wenig oder nichts gemein hatte,
1867.
geradezu widersinnig gewesen sein, um so mehr, als das
Fallenlassen dieser Forderung den bürgerlichen Besitzstand der
Angehörigen des norddeutschen Bundes in keiner Weise be-
schädigte, sondern nur den einstweiligen Verzicht auf eine Ver-
besserung desselben mit sich brachte. Der Reichstag hat den
ungeheuren Gewinn, den die Bundesverfassung der Nation
sichert, überhaupt durch kein Opfer bestehender Volks-
rechte erkauft, sondern nur insofern Entsagung geübt, als
er nicht auf Ansprüchen beharrte, die er nicht durchzu-
setzen im Stande war. Das Zetergeschrei darüber, welches
von gewissen Seiten her erhoben wird, als ob der Reichstag
das deutsche Volk an den Absolutismus verrathen und ver-
kauft habe, bezeugt nur, daß jener politische Unverstand, wel-
cher im Jahr 1848 das große Wort führte, auch heute noch
mancher Orten obenauf und bei guter Lunge ist. Die Gat-
tung von „Politikern", welche jetzt in Schwaben und am
Rhein, in Dresden und in Berlin gegen die Bundesverfassung
protestiren, weil sie nicht Alles leistet, was das „Princip"
verlangt, ist überhaupt ein unvertilgbares Unkraut, das man
sich im Staate gefallen lassen muß, wie Disteln und Nesseln
in der Natur.
— Die Töne der Friedenöschalmei, welche in Paris von
Amtswegen geblasen wird, haben ohne Zweifel keinen andern
Zweck, als, die Franzosen in einen kindlichen Glauben an
die „versöhnlichen" Gesinnungen des Bonapartismus einzu-
wiegen, und damit einen desto heftiger» Ausbruch der fran-
zösischen Volksleidcnschasten gegen das händelsüchtige Preußen
vorzubcreiten. So plump die Schlinge gelegt ist, zur Hälfte
hat sich die öffentliche Meinung Frankreichs bereits darin ge-
fangen. Im ganzen Lande wird keine öffentliche Stimme
mehr laut, die da nicht, als etwas Selbstverständliches, ver-
langte, daß die Luxemburger Frage durch das Nachgeben
Preußens erledigt werde. Vorherrschend ist allerdings der
lebhafte Wunsch eines gütlichen Ausgleichs, einmüthig aber
die Voraussetzung, daß der Friede nur durch ein „Opfer" von
Seiten Deutschlands erhalten werden könne. Daß Deutschland
dieses Opfer an Gut und Ehre nicht bringen will, um die
französische Eifersucht und Eitelkeit zu beschwichtigen, wird
von der gesammten Pariser Presse als ein Verbrechen an der
Civilisation des Jahrhunderts angesehen. Während in unsern
Blättern die deutsche Sache durchweg im ruhigen Tone des
guten Gewissens geführt wird, haben die französischen Zei-
tungen Hohn, Beleidigung, Drohung im Munde. Und um
das Maß voll zu machen, erdreistet sich ein Blatt, wie der
„Tcmps", den Vorwurf der „wüthenden Leidenschaft" gegen
die deutsche Presse zu richten, der „Tcmps", welcher im Rufe
steht, die deutschen Dinge besser zu kennen, als alle seine Pa-
riser Kollegen und welcher in diesem Falle wenigstens voll-
kommen weiß, daß er das Gegentheil dessen sagt, was wahr ist.
Sicherlich, es ist wohlgethan, daß wir, auch den stärksten
Herausforderungen der Franzosen gegenüber, die Ruhe der
Haltung, und die Mäßigung der Sprache bewahren, welche
der Gerechtigkeit unserer Sache entspricht. Es soll und darf
im Angesichte der civilisirten Welt kein Zweifel darüber ent-
stehen, daß die Franzosen es sind, denen die ganze Vcrant-
rektem Bezug von der Expedi-
tion 36 kr. oder IVVr Sgr.,
bet Bezug durch die Post oder
den Buchhandel 45 kn oder
13 Sgr. für da« Quartal.
ochen-Blatt
Inserate werden mit 7 kr.
oder 2 Sgr. für die doppel«
spaltige Petitzeile berechnet.
Herausgegeben im Auftrage des Vereins-Ausschusses.
M 101.
Heidelberg, den 25. April.
Des Osterfestes wegen kann unser Blatt heute nur in
einem halben Bogen erscheinen.
Inhalt:
Wochenbericht. — Die Sachlage in Luxemburg. — Parlamentsbrief. —
Mitthellungen aus dem Nationalvercin.
Wochenbericht.
Heidelberg, 22. April.
* Die Verfassung des norddeutschen Bundes hat auch durch
die Verbcsserungsarbeit des Reichstags zu keinem schulgerechten
Meisterstück gemacht werden können, sie bezeichnet aber gleich-
wohl einen unermeßlichen Fortschritt in der nationalpolitischen
Entwickelung Deutschlands. Niemals, so lange die Geschichte
von dem deutschen Volke weiß und spricht, hat sie von einem
staatlichen Gesammtzustande desselben berichtet, welcher sich
mit demjenigen auch nur entfernt vergleichen ließe, den der
norddeutsche Bund darstellt. Freilich ist cs einstweilen nur die
größere Hälfte unseres Landes und Volks, welche von dieser
Organisation umfaßt wird; in keiner frühern Zeit aber war
ein ähnliches Gebiet, wie die heutige norddeutsche Masse,
zu einem ähnlichen politischen Körper zusammcngeschlossen,
geschweige denn, daß jemals die Aussicht auf den ergänzen-
den Anschluß der noch fehlenden Glieder so sicher und
so nahe gewesen wäre, wie in der gegenwärtigen Lage der
Dinge. Wer mit klarem Blicke unser Heute mit unserm
Gestern vergleicht, der wird, bei einiger Vernunft und Bil-
ligkeit, anerkennen, daß Deutschland alle Ursache hat, mit der
unverhofften Wendung seiner Angelegenheiten zufrieden zu
sein, und sich mit dem Schicksal anszusöhnen, unter dessen
Ungunst cs allerdings lange und schwer genug zu leiden
gehabt.
Wenn es auf der andern Seite unter uns leider immer
noch Leute in Menge gibt, welche nicht begreifen, daß bei der
Feststellung von Staatsverfassungen noch andere Dinge in
Betracht kommen, als das Belieben der Cabinetteund die Beschlüsse
der Parlamente — Leute, welche für jeden Mangel und jede Unre-
gelmäßigkeit unseres neuen Staatsgrundgesetzes den guten
Willen oder den Verstand des Hrn. v. Bismarck und des
Reichstags verantwortlich machen, so muß man die Heilung
ihrer Geistesschwäche der Zeit und den Ereignissen überlassen.
Es ist richtig, daß in manchen kleinen Einzelnheiten die Be-
stimmungen der Bundesverfassung anders und besser hätten
gefaßt werden können; im Ganzen und Großen aber ist sie,
was sie sein soll, nämlich der möglichst getreue Ausdruck der
entsprechenden Machtvcrhältnisse, des bestehenden oder im
Werden begriffenen öffentlichen Rechts. Ein Capitcl von den
Grundrechten, zum Beispiel, wäre gewiß sehr wünschenswerth
und sogar den besonderen Interessen der preußischen Staats-
gewalt äußerst förderlich gewesen; da die dahin gerichteten
Anträge aber auf einen Widerstand stießen, den zu brechen
der Reichstag kein Mittel hatte, so würde das starrköpfige
Festhalten an einer Forderung, welche mit dem eigentlichen
Zwecke der Bundesverfassung wenig oder nichts gemein hatte,
1867.
geradezu widersinnig gewesen sein, um so mehr, als das
Fallenlassen dieser Forderung den bürgerlichen Besitzstand der
Angehörigen des norddeutschen Bundes in keiner Weise be-
schädigte, sondern nur den einstweiligen Verzicht auf eine Ver-
besserung desselben mit sich brachte. Der Reichstag hat den
ungeheuren Gewinn, den die Bundesverfassung der Nation
sichert, überhaupt durch kein Opfer bestehender Volks-
rechte erkauft, sondern nur insofern Entsagung geübt, als
er nicht auf Ansprüchen beharrte, die er nicht durchzu-
setzen im Stande war. Das Zetergeschrei darüber, welches
von gewissen Seiten her erhoben wird, als ob der Reichstag
das deutsche Volk an den Absolutismus verrathen und ver-
kauft habe, bezeugt nur, daß jener politische Unverstand, wel-
cher im Jahr 1848 das große Wort führte, auch heute noch
mancher Orten obenauf und bei guter Lunge ist. Die Gat-
tung von „Politikern", welche jetzt in Schwaben und am
Rhein, in Dresden und in Berlin gegen die Bundesverfassung
protestiren, weil sie nicht Alles leistet, was das „Princip"
verlangt, ist überhaupt ein unvertilgbares Unkraut, das man
sich im Staate gefallen lassen muß, wie Disteln und Nesseln
in der Natur.
— Die Töne der Friedenöschalmei, welche in Paris von
Amtswegen geblasen wird, haben ohne Zweifel keinen andern
Zweck, als, die Franzosen in einen kindlichen Glauben an
die „versöhnlichen" Gesinnungen des Bonapartismus einzu-
wiegen, und damit einen desto heftiger» Ausbruch der fran-
zösischen Volksleidcnschasten gegen das händelsüchtige Preußen
vorzubcreiten. So plump die Schlinge gelegt ist, zur Hälfte
hat sich die öffentliche Meinung Frankreichs bereits darin ge-
fangen. Im ganzen Lande wird keine öffentliche Stimme
mehr laut, die da nicht, als etwas Selbstverständliches, ver-
langte, daß die Luxemburger Frage durch das Nachgeben
Preußens erledigt werde. Vorherrschend ist allerdings der
lebhafte Wunsch eines gütlichen Ausgleichs, einmüthig aber
die Voraussetzung, daß der Friede nur durch ein „Opfer" von
Seiten Deutschlands erhalten werden könne. Daß Deutschland
dieses Opfer an Gut und Ehre nicht bringen will, um die
französische Eifersucht und Eitelkeit zu beschwichtigen, wird
von der gesammten Pariser Presse als ein Verbrechen an der
Civilisation des Jahrhunderts angesehen. Während in unsern
Blättern die deutsche Sache durchweg im ruhigen Tone des
guten Gewissens geführt wird, haben die französischen Zei-
tungen Hohn, Beleidigung, Drohung im Munde. Und um
das Maß voll zu machen, erdreistet sich ein Blatt, wie der
„Tcmps", den Vorwurf der „wüthenden Leidenschaft" gegen
die deutsche Presse zu richten, der „Tcmps", welcher im Rufe
steht, die deutschen Dinge besser zu kennen, als alle seine Pa-
riser Kollegen und welcher in diesem Falle wenigstens voll-
kommen weiß, daß er das Gegentheil dessen sagt, was wahr ist.
Sicherlich, es ist wohlgethan, daß wir, auch den stärksten
Herausforderungen der Franzosen gegenüber, die Ruhe der
Haltung, und die Mäßigung der Sprache bewahren, welche
der Gerechtigkeit unserer Sache entspricht. Es soll und darf
im Angesichte der civilisirten Welt kein Zweifel darüber ent-
stehen, daß die Franzosen es sind, denen die ganze Vcrant-