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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 120 - No. 123 (5. September 1867 - 30. September 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0421
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Herausgegeben im Austrage des Vereins-Ausschusses.


Heidelberg, den 19. September.

Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Deutsche und Dänische Agitation. —
Finanzlage der Kleinstaaten. — Jugendwehr und Turnen. — Aus Thü-
ringen. — Aus Spanien. — Mittheilungeu aus dem Nattonalvercin.

Wochenbericht.
Heidelberg, 17. September.
*Dic Eröffnung des ersten verfassungsmäßigen Reichs-
tags des norddeutschen Bundes ist weder unter Donner und
Blitz, noch unter Sphärenmusik und Hallclujah vor sich ge-
gangen, wie es sonst in ähnlichen Fällen zu geschehen pflegt.
Die nüchterne Sprache und der rein geschäftsmäßige Inhalt
der Thronrede hat Freund und Feind überrascht, das öffent-
liche Urtheil im ersten Augenblicke irre gemacht, nach allen
Seiten hin eine Art von Enttäuschung hervorgcbracht. Nach
einigen Tagen der Verwunderung und der Unsicherheit indessen
findet man sich in den Worten lind in den Dingen zurecht,
kommt man mehr und mehr zu der Erkenntnis, daß die
Thronrede, im Ganzen genommen, der zutreffende Ausdruck der
obwaltenden Verhältnisse ist, daß das in derselben ausgestellte
bescheidene Programm der Reichötagssession eine ziemlich rich-
tige Mitte hält zwischen den Geboten und den Verboten der
heutigen Lage.
In der That ist der Zeitpunkt so wenig zu großen Re-
densarten, wie zu großen Unternehmungen angethan. Was
dem norddeutschen Bunde noththut, ist Sammlung. Weder
die Erweiterung seiner Gränzen, noch die Berichtigung seiner
Verfassung — so wenig diese beiden Zwecke jemals aus den
Augen verloren werden dürfen — gehört zu den Aufgaben
des heutigen Tages. Organisatorische Arbeiten, innerhalb des
durch die Verfassung gegebenen Spielraums, sind Alles, was
die Bundcsgewalten bis auf Weiteres leisten können. Zu
weiter ausgreifenden Unternehmungen fehlt cs bis jetzt an
mancherlei thastächlichen Voraussetzungen, von denen hier nur
die eine genannt werden soll, welche von der Tagesmcinnng
am wenigsten in Anschlag gebracht zu werden pflegt, obgleich
sie für sich allein schon entscheidend ins Gewicht fällt: die
Zeit nämlich zu den erforderlichen Vorarbeiten. Selbst die
heftigsten Widersacher der preußischen Regierung müssen ge-
stehen, daß dieselbe, seit Beendigung des Kriegs, nicht die
Hände in den Schooß gelegt, sondern zum Ausbau der neuen
Provinzen sowohl, wie des norddeutschen Bundes, unermüdlich
geregt hat. Aber die menschliche Arbeitskraft hat ihre Gränzeu
und auch einem Bundeskanzler wird durch seine Bestallung
der Tag nicht um eine Stunde verlängert. Nichts natürlicher
also, als daß die Regierung dem Reichstage nicht mit einer
fertigen Antwort auf jede schwebende Staatssrage entgegen-
tritt, daß sic sich vielmehr einstweilen auf die Lösung einer
Reihe nächstliegender Probleme beschränkt. Ob diese Reihe
nicht um einige weitere Nummern hätte verlängert werden
können und sollen, mag Gegenstand des Zweifels sein; daß
man aber nicht am Tage nach dem Abschluß der Verfassung
allen durch dieselbe anerkannten öffentlichen Bedürfnissen Ge-
nüge leisten und am wenigsten an wesentliche Bestandtheile

1867.

derselben die ändernde Hand legen kann, darüber gibt cs un-
ter verständigen Leuten nicht zweierlei Meinung.
Wenn die preußische Regierung, wie gesagt, die Erweiterung
der Gränzen des norddeutschen Bundes zur Zeit nicht in ihrRcichs-
tagsprogramm aufnehmen konnte, so folgt daraus natürlicher
Weise keineswegs, daß die Volkspolitik sich eine ähnliche Ent-
haltsamkeit aufzulegen habe. Im Gegenthcilj, je weniger die
Staatskunst in der Lage ist, diesen großen Nationalzwcck un-
mittelbar zu fördern, desto mehr wird es Sache des Volks-
geistes, sich desselben anzunehmen. Wie schon oft in deutschen
Vcrfassungsangelcgcnheiten, so auch dies Mal geht Baden
mit dem Beispiele der nationalen Pflichterfüllung voran. Bei
der Neuwahl eines übervollen Drittheils der Mitglieder der
zweiten Kammer hat die bundesstaatliche Partei allenthalben,
mit einer einzigen Ausnahme, die Oberbaud.behalten, beide
Kammern des Landtags haben sich von Neuem so gut wie
einstimmig im Sinne des Anschlusses an den Nordbund aus-
gesprochen und im ganzen badischen Volke wird kaum ein
andrer, als ein ultramontancr Widerspruch dagegen laut. Eine
im Sinne solchen Widerspruchs au den Großherzog gerichtete „li-
berale" Adresse ist so kläglich ausgefallen, daß deren Unterzeichner
selbst sich ihres eignen Machwerks zu schämen scheinen, da
kein einziger derselben öffentlich mit seinem Namen dafür ein-
zustehcn wagt.
Zm nachbarlichen Würtemberg stehen die Dinge leider
weniger günstig. Im Schwabenland werden der ultramontan-
radikalcn Opposition gegen den Anschluß an Preußen durch
Vorurtheil und Krähwinkeln so viele Bundesgenossen zuge-
führt, daß dieselbe, wenn nicht das politische Uebergewicht,
so doch die Mehrheit der Stimmen auf ihre Seite zu bringen
droht. Ein Glück, daß ein Mann sich an die Spitze dieser
Opposition gestellt hat, dessen Führung auch eine bessere Sache
zu Grunde richten würde, nämlich Herr Moriz Mohl, der
eigensinnigste und verschrobenste aller schwäbischen Doktrinäre
und Pedanten. Herr Moriz Mohl schießt von vornherein
so weit über das Ziel hinaus, daß er nicht bloß den Ein-
tritt in den Bund, sondern auch das bereits abgeschlossene
Schutz- und Trutzbündniß, ja sogar den neuen Zollvereins-
vertrag unbedingt verurtheilt und von dem würtcmbergischen
Landtage ohne Weiteres verworfen wissen will. Würtemberg
kann und soll sich, nach Herrn M. Mohl, im Nothfalle po-
litisch, militärisch und wirthschaftlich ganz auf die eignen
Füße stellen, Würtemberg braucht weder den norddeutschen
noch einen süddeutschen Bund, cs kann Oesterreich so gut ent-
behren wie Preußen, es bedroht Niemand und wird also auch
von Niemand bedroht; im Kriegsfälle wird Frankreich, wie
Herr M. Mohl versichert, sich lediglich an Preußen halten,
welches dann zusehen mag, wie cs mit Frankreich fertig wird
— für Würtemberg ist der Ausgang eines solchen Kampfes
gleichgültig, und wenn eS sich während der Dauer desselben
neutral verhält, so ist damit das Acußerste geleistet, was man
ihm irgend zumuthen kann. Und der Mann, welcher solchen
Unverstand und solche Nichtswürdigkeit zu Papier bringt, hält
sich alles Ernstes für einen Politiker und für einen Patrioten!
Und der volkswirthschaftliche Ausschuß der würtcmbergischen
 
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