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Deutscher Nationalverein [Editor]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 111 - No. 114 (4. Juli 1867 - 25. Juli 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0341
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MstisNKl-


Herausgegeken im Auftrage des Vereins-Ausschusses.

112.

Heidelberg, den 11. Juli.

Inhalt:
Wochenbericht. — Gedenke Luxemburgs. — Die Verfassung des Nord-
deutschen Bundes und das öffentliche Urthcil. — Aus Preußen. — Tarif-
und Steuerreform im Zollverein. — Aus Thüringen. — ZettungSschau.
— Deutscher Journalistentag.

Wochenbericht.
Heidelberg, 9. Juli.
* Wird der Kaiser von Oesterreich nach Paris gehen, oder
nicht — das ist die brennende Frage des Tages, in der sich
eine Reihe großer politischer Interessen zuspitzt, insbesondere
das der österreichisch-französischen Allianz und das des euro-
päischen Friedens. Nur daß man die Bedeutung dieser Frage
nicht überschätze. Die etwaige Reise Franz Josephs nach Paris
kann möglicher Weise eben so crgcbnißlos bleiben, wie die des
Königs von Pcußen und des Kaisers von Rußland, und um-
gekehrt ist die persönliche Zusammenkunft zwischen ihm und
Napoleon III. durchaus keine nothwendige Boraussetzung ihrer
Bundesgcnosscnschaft. Als Merkmal der beiderseitigen Ge-
sinnungen indessen würde eine solche Zusammenkunft, nach dem
blutigen mexikanischen Ereignisse, allerdings sehr beachtcnswcrth
sein. Aus einem Verzichte Franz Josephs auf die Pariser
Reise würden sich kaum irgendwelche politische Folgerungen
ziehen lassen; die Ausführung des bisherigen Vorhabens da-
gegen könnte man mit gutem Grund als einen Beweis an-
sehen, daß es sich dabei um etwas Anderes handle, als um
einen Höflichkeitsbesuch, oder die Befriedigung persönlicher
Schaulust, daß ein Zweck im Spiele sei, wichtig genug, um
sich seinetwegen über die Gesetze des gewöhnlichen Anstandes
und über die natürlichsten Forderungen des Familicngeistes
hinwegzusetzen.
In Deutschland wird unterdessen zu Gunsten des Hauses
Habsburg wieder ein Mal einer der Popularisirungsversuche
angestellt, in welchen sich die Unzufriedenheit mit der preußi-
schen Cabinctspolitik von Zeit zu Zeit Luft zu machen pflegt.
Herr v. Bcnst, man muß es gestehen, behandelt seine Auf-
gabe, vor allen Dingen seinen guten Willen bei den Oester-
reichern zu beglaubigen, mit einem Geschick, dem die Aner-
kennung nicht ohne Ungerechtigkeit vorenthalten werden kann,
und welches sehr vortheilhaft gegen den Ton und die Art ab-
sticht, womit die preußische Regierung um die Wohlmei-
nung und das Vertrauen des Volkes wirbt, zumal des Volkes
in den neuen Provinzen. Unglücklicher Weise aber ist es mit
der besten Taktik des talentvollsten Ministers nicht gethan, um
in Oesterreich die Fehler und Versäumnisse von Jahrhunderten
in der Eile wieder gut zu machen, eben so, wie in Preußen
glücklicher Weise kein noch so schlechtes Regiment im Stande
ist, den Staat der Vorthcilc einer langen verdienstlichen Ver-
gangenheit kurzer Hand wieder verlustig zu machen — gar
nicht zu reden von der Grundverschiedenhcit in der Natur-
anlage und Zusammensetzung der beiden Staaten, welche dem
jüngeren derselben eine politische Ueberlegenbeit sichert, die
durch kein staatsmännisches Genie von Seiten des andern aus-

1867.

geglichen werden kann. Wie weit Oesterreich, den besten Vor-
sätzen zum Trotz, die man seiner heutigen Regierung zuschrciben
mag, noch davon entfernt ist, seinen constitutionellen Credit
bei seinen eigenen Angehörigen wicderhergcstcllt zu haben, da-
von gibt die Thatsache Zcugniß, daß cs Herrn v. Beust nicht
gelungen ist, sein Ministerium aus den Reihen der liberalen
Partei im Neichsrath zu ergänzen. Unter den namhaften
Männern der bisherigen Opposition war kein einziger, der
sich dazu verstanden hätte, ein Portefeuille anzunehmcn. Die
Herbst, Hasner, Berger, Kaiserfcld — sie Alle trauen der
neuesten Bekehrung der Cabinetspolitik so wenig, daß sie
fürchten, sich bei jedem Versuch der Bethciligung an derselben
nutzlos zu compromittircn.
Gleichviel indessen, die „demokratische" Presse verspricht
sich, oder doch ihren Lesern, darum nicht weniger goldene Berge
der Freiheit von der jetzigen Wendung des Steuerruders der
habsburgischen Monarchie. Den jüngsten willkommenen Vor-
wand für die rosenfarbige Beleuchtung, in welcher sie die
österreichischen Zustände erscheinen läßt, gibt ihr die unlängst
auch für die Länder diesseits der "eitha erlassene Amnestie.
In Württemberg wird dieselbe von dem schwäbischen Radika-
lismus, mit Verleugnung seiner natürlichen oder erkünstelten
Wildheit, wie eine Großthat gefeiert, und ein Frankfurter Blatt,
das die bestehenden Staatsgewalten sonst als Ursurpationen
zu behandeln pflegt, die man nur bis auf Weiteres duldet, nennt
diese Amnestie, durch welche einem oder zwei Dutzend sehr barm-
loser Leute, nach fast zwanzigjähriger Verbannung, die Gränzen
Oesterreichs wieder geöffnet werden, einen „schönen Gnaden-
akt" und schildert mit Andacht „die frohe Aussicht, welche sich
im Osten der Freiheit eröffnet, die schöne Aussicht, die, trotz
der Ereignisse, die hinter uns liegen, uns von dorther erwacht,
auf ein "in Freiheit geeinigtes, großes deutsches Vaterland."
Die Aussicht auf die Freiheit von Osten her wird Preußen
ohne Zweifel außer sich bringen vor Eifersucht.
Durch die Berliner Zollconfercnzcn ist die deutsche Vcr-
fassungssache, mit der Raschheit, welche der Gang unserer
nationalen Angelegenheiten seit Jahr und Tag angenommen
hat, um einen weiteren Schritt vorwärts gebracht. Zum end-
gültigen Abschlüsse der Verträge, aus denen der Anfang des par-
lamentarisch geeinigten Deutschland hervorgehen soll, fehlt aller-
dings noch die Zustimmung des Reichstags und der süddeutschen
Landtage, allein man ist allseitig dahin einverstanden, daß damit
nur noch eine Förmlichkeit zu erfüllen ist, welcher keine ernst-
liche Schwierigkeit entgegensteht. Daß das einstweilige „Zollpar-
lamcnt" sich alsbald in eine Nationalversammlung im weitesten
Sinne des Worts verwandle, dahin wird der eigne Geist des-
selben vom Tage seiner Eröffnung an, Hand in Hand mit
dem gebieterischen öffentlichen Bedürfniß, mit Macht arbeiten.
Auswärtiger Widerspruch aber, oder gar Widerstand, ist da-
bei kaum zu erwarten, zumal die Wirkungslosigkeit desselben,
der nunmehrigen Lage der Sache nach, von vornherein gewiß
sein würde.
Wenn Preußen auf eine Feier des Sieges bei Königgrätz
nicht gan? verzichten zu sollen geglaubt hat, so ist es dabei
doch mit einer Mäßigung verfahren, welche immerhin von
 
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