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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 85 - No. 89 (3. Januar 1867 - 31. Januar 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0157
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tisusk-D-rei«
Herausgegebm im Auftrage des Hereins-Ausschusses.


Heidelberg, den 24. Januar.

Inhalt:
Wochenbericht. — Preußischer LandtagSbricf. — Das norddeutsche Heer. —
Die nordamerikanischen Untonshändel und der deutsche Liberalismus. —
Aus Frankfurt. — Vom Bodensee. — Eine Stimme aus der Fremde.—
Politische Literatur. — Mitthcilungen aus dem Nationalverein.

Wochenbericht.
Heidelberg, 22. Januar.
* Die Thätigkeit der Berliner Ministcrconferenz zur Be-
rathung der Norddeutschen Bundesverfassung hat eine so lange
Unterbrechung erlitten, daß in den letzten Tagen sogar die
Frage aufgeworfen wurde, ob sie überhaupt zum Ziele kommen
werde. Mochte ein solcher Zweifel immerhin eine Uebertrei-
bnng sein, so lag ihm doch wenigstens die Thatsache zu Grunde,
daß die Verhandlungen auf größere Schwierigkeiten gestoßen
sind, als man, in Anbetracht aller Umstände, vorausgesetzt.
Auf der einen Seite Preußen mit seinem ungeheuren Üeber-
gewicht, auf der andern Seite das innerlich gebrochene Sachsen
und zwei Dutzend beinahe willenlose Kleinstaaten — und dennoch
hartnäckiger Widerspruch und Widerstand gegen die Vollzie-
hung des in seinen Hauptzügen längst fcstgcftelltcn Bundes-
vertrags ! Damit soll nach keiner Seite hin ein Vorwurf aus-
gesprochen sein, umsoweniger, als die Streitpunkte, um welche
es sich handelt, erst andeutungsweise zur öffentlichen Kenntniß
gekommen sind; ein neues und starkes Zcngniß jedoch gegen
die Möglichkeit der deutschen Reform aus dem Wege der
freien Vereinbarung wirklicher Machthaber ist jedenfalls durch
die Erfahrung gegeben, daß selbst unter den Verhältnissen
des heutigen Tages die Zustimmung der schwachen Regierungen
des Norddeutschen Bundes nicht ohne die größte Mühe hcraus-
zuprcsscn ist. Und zwar nur eine Zustimmung mit Vorbehalt.
Denn es stellt sich heraus, daß Preußen, um endlich zum Ab-
schlüsse zu kommen, von seinen ursprünglichen Forderungen
Dies und Jenes nachgelassen hat, wiewohl man einstweilen
hoffen darf, daß wesentliche Zugeständnisse auf Kosten der
Einheit in den nothwcndigcn Dingen nicht gemacht worden sind.
Das Abgeordnetenhaus hat die von Neuem angeregte
Frage der Tagegelder für die Mitglieder des Norddeutschen
Parlaments dies Mal, wie zu erwarten stand, bejaht, wenn
auch ohne Aussicht, die Zustimmung der Regierung und des
Herrenhauses zu erlangen. Ob die Wichtigkeit dieser Frage,
wenigstens für den heute vorliegenden Fall, nicht von beiden
Seilen überschätzt wird? Das bei der letzten Verhandlung
des Abgeordnetenhauses aufgcwcndctc Pathos scheint denn doch
über die Bedeutung der Sache hinauszugehen, und einzelne
der dabei gebrauchten rednerischen Hülfomittel werden wohl,
auch innerhalb der engsten Gcsinnungsgenosscnschaft, nicht nach
Jedermanns Geschmack gewesen sein.
Im Herrenhause ist das persönliche Einschreiten des Hrn.
v. Bismarck nöthig gewesen, oder doch für nöthig gehalten
worden, um den Widerstand zu überwinden, welchen das Voll-
blutjunkerthum dem Wahlgesetze für die einvcrlcibten Provinzen
cntgegcnstelltc, weil und so lange nicht zugleich mit der Er-
weiterung des Abgeordnetenhauses auch für eine Verstärkung

1867.

des Herrenhauses gesorgt sei. Indem das Herrenhaus diese
Forderung fallen lassen, hat es in der That, wie die Kleist-
Retzow und Waldow-Steinhövel behaupteten, seine eigne Zu-
kunft preisgegeben. DaS preußische Abgeordnetenhaus wird
voraussichtlicher Weise niemals ohne Weiteres seine Einwilli-
gung dazu geben, daß der Adel der neuen Provinzen auf der
jetzigen Basis des Herrenhauses zu Sitz und Stimme in dem-
selben gelange, durch Vertreter von „Grafenverbänden" oder
des „alten und befestigten Grundbesitzes" u. s. w. Damit
ist denn eine Handhabe zur Reform des Herrenhauses ge-
wonnen, welche unter Umständen mit großer Wirkung benutzt
werden kann, und die man sicherlich nicht loslassen wird, ehe
sic ihren vollen Dienst gethan hat. Dem Norddeutschen Par-
lamente gegenüber, das doch früher oder später das Ucberge-
wicht über den preußischen Landtag gewinnen muß, wird das
Herrenhaus ohnehin seine jetzige Stellung und seinen bisherigen
Bestand auf die Dauer schwerlich behaupten können. Ange-
nommen auch, daß die deutsche Verfassung selbst zu ihrem
Abschluß eines Ober- oder Staatenhauses neben dem Volks-
hause bedarf, so wird sie diese Ergänzung doch nimmermehr
auf dem Boden des Krautjunkerthums suchen und finden, auf
welchem die jetzigen preußischen Lords und Pairs gewach-
sen sind.
Das Programm der deutschen Politik des Fürsten Hohen-
lohe entspricht in seinen Grundzügen allen Erwartungen,
welche man auf die Einsicht und den nationalen Sinn des
neuen baicrischen Ministers gesetzt hatte. Kein-Anschluß an
Oesterreich, kein Südbund, am allerwenigsten Anlehnung an
eine auswärtige Schutzmacht, sondern möglichst vollständige
militärisch-politische Gemeinschaft mit Preußen bis zum förm-
lichen Eintritt Baicrns in den neuen Bund — das ist die
Aufgabe, welche der Fürst Hohenlohe der baierischen Politik
vorgczcichnet sieht. Daß dabei gewisse Vorbehalte zu Gunsten
der baierischen Sonvcränctät und Unabhängigkeit gemacht
werden, bringen die Verhältnisse mit sich. Durch die aus-
drückliche Anerkennung der Nothwendigkeit einer „kräftigen
Centralgewalt" für das vereinigte Deutschland bezeugt Fürst
Hohenlohe hinlänglich, daß er jene Souveränität und Unab-
hängigkeit nickt im Sinne eines engherzigen PartikularismuS
aufgefaßt haben will.
Unter der Einwirkung des Münchener Beispiels kann die
Stuttgarter Regierung beim besten oder schlechtesten Willen
nicht umhin, in die nämliche Richtung einzulcnkcn- Nachdem
man in Baiern Anstalt gemacht, das Militärwesen auf preu-
ßischen Fuß zu setzen und damit die Einheit des deutschen
Heerwesens vorzubereiten, scheint man auch in Würtcmbcrg
auf den Gedanken einer besondern schwäbischen Hcercsform zu
verzichten, durch welche Herr v. Varnbüler*) die Eigenliebe
seiner Landsleute, besonders Derer von der „VolkSparthci" zu
kitzeln gedachte. Ein nach Maßgabe des sog. Milizsystcmö ausge-
arbciteter militärischer Organisationsplan des würtembergischen
Kriegsministcrs Hardegg soll bei Seite gelegt und der Minister
selbst mit seinem Entwürfe zu Falle gekommen sein.
Beiläufig gesagt war Herr v. Varnbülcr früher ein Eiferer gegen
die Conscrtption und für das Werbest stcm, aus volkSwirthschaftlichcn Gründe».
 
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