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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 98 - No. 101 (4. April 1867 - 25. April 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0253
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ersi N

AstiMsl-
Herausgegeöen im Auftrage de8 Miem8-Au8sc6usse8.




Heidelberg, den 18. April.

Inhalt:
Wochenbericht. — Wirtschaftliche BefreiungSarbcit. — Vor dem Kriege.
— Parlamentsbrief. — Aus Preußen. — Nochmals der prcuß.-baiertsche
Allianzvcrtrag. — Zeitungsschau. — Mitthcilungen aus dem Nationalverein.
Wochenbericht.
Heidelberg, 14. April.*)
*Das übliche diplomatische Vorspiel des Krieges hat be-
gonnen. Wie dasselbe auch verlaufen möge, ob in Verhand-
lungen von Cabinet zu Cabinct oder in einer europäischen
Conferenz, herauskommcn kann dabei nichts, als eine Gele-
genheit. Wenn es nicht die Absicht Napoleons III war, die
Dinge schon jetzt auf die Spitze zu treiben, so hat er wieder
einmal, wie schon oft in den letzten drei oder vier Jahren,
eine schwere Fchlrcchnung gemacht. Wie es der französischen
Politik möglich geworden, entweder an den Erwerb Luxem-
burgs durch friedliche Ucbereinkunft zu glauben, oder aber
Deutschland auf dem Boden der luxembm-gischen .Frage zu
einem Kampfe auf Leben und Tod hcrauszufordern — das
bleibt bis auf Weiteres ein unlösbares Räthsel. Genug,
Deutschland und Frankreich stehen einander heut mit der Hand
am Griff des Degens gegenüber, und wenn nicht Zeichen und
Wunder geschehen, wird binnen wenigen Wochen oder Mo-
naten Blut in Strömen fließen.
Deutschland sicht den kommenden Ereignissen, zwar nicht
leichten Herzens, aber guten Gewissens und mit Seelenruhe
entgegen. Wir sind cs nicht, die durch Wort oder That, durch
Thun oder Lassen auch nur den kleinsten Theil der Verantwort-
lichkeit für das hercinbrechende Unheil auf uns geladen haben.
Frankreich ist von uns weder geschädigt noch bedroht, weder
in seinem Rechte gekränkt noch in seiner rechtmäßigen Eigen-
liebe beleidigt; Frankreich vielmehr streckt seine Hand auS nach
deutschem Nationalgut und nach der deutschen Ehre. Auf das
Haupt Frankreichs jeder Tropfen Blut, der vergösse« werden
wird!
Zwar, der Bonapartismus scheint seine ursprünglichen
Forderungen um einen Ton herunterzustimmen. Er verzichtet,
wie es heißt, auf die Einverleibung von Luxemburg, er will
sich damit begnügen, daß das Land „ncutralisirt" und die
Festung von Preußen geräumt werde. Sei cs, daß dieses
Ablassen von dem ursprünglichen Ansprüche kein bloßes Blend-
werk ist, mit welchem schwache Augen getäuscht und schwache
Herzen bestochen werden sollen — die scinsollcnde Mäßigung
bleibt immer noch eine beispiellose Unverschämtheit. Eine an
England gerichtete Zumuthnng, Gibraltar oder Malta zum
Vortheil Spaniens oder Italiens aufzugeben, würde daneben
ein bescheidenes Ansinnen sein. Von einem Rechtsgrnnde für
ein solches Verlangen Frankreichs ist mit keinem Worte die
Rede, es fehlt dazu sogar an jedem anständigen politischen
Vorwande, und das militärische Interesse, welches man geltend
machen kann, ist nicht das der Vcrtheidigung der französischen
Gränzen, sondern das des erleichterten Einbruchs in Deutsch-
*) Das frühere Datum unseres Artikels hat seinen Grund in einer
bevorstehenden Geschäftsreise. D. H.

1867.

land. Es gibt nur einen Beweggrund, welcher sich von fran-
zösischer Seite ehrlicher Weise für die „Neutralisirung" Lu-
xemburgs beibringen läßt, das Geständnis; nämlich des Tui-
leriencabinets, daß cs sich auf den Luxemburger Handel zu
weit eingelassen, um denselben ohne Gefahr einfach fallen
lassen zu können, und daß ihm zu seiner inneren Sicherheit
irgend ein Erfolg in dieser Sache unentbehrlich ist. Man
mag gern glauben, daß die Verlegenheiten des Bonapartismus
sehr ernstlicher Art sind, kein Mensch von gesunden Sinnen
aber wird der Meinung sein, daß Deutschland den Beruf
habe, den Inhaber der Tuilerien um einen solchen Preis, wie
der hier geforderte, vor den Folgen seiner eigenen Uebcreilung
zu schützen. Ob durch das uns angesonnene Opfer eine dauer-
hafte Sicherheit oder nur ein kurzer Aufschub der Krisis ge-
wonnen werden würde, kommt für die heute zur Entscheidung
stehende Frage gar nicht in Betracht. Auch mit der vollen
Gewißheit, daß der Bonapartismus sich durch die „Ncutrali-
sirung" Luxemburgs ein für alle Mal abfinden ließe, wäre
ein solches Zugeständnis; eine Selbstschändung der preußischen
Politik, die das neue Deutschland schon im Augenblicke seines
Entstehens moralisch zu Grunde richten würde. Wie nun
vollends im Angesichte der allgemeinen und wohlbcgründcten
Ueberzeugung, daß mit jener unerhörten Demüthigung nichts
gewonnen werden könnte, als eine kurze Frist — eine Frist
zur Vollendung der Rüstungen des Feindes! Eine der starken
Waffen Deutschlands mit eigener Hand zu zerbrechen, dem
Uebcrmuthe Frankreichs eine Wollust zu gewähren und das
deutsche Nationalgefühl tödtlich zu beleidigen — daS wäre
das handgreifliche Ergebniß deS Verzichts auf Luxemburg.
Ob die Dummheit oder die Niederträchtigkeit dieses Ver-
zichtes größer sein würde, mag dahin gestellt bleiben. Genug,
daß die preußische Politik und der deutsche Nationalwille in
diesem Punkte keine Uneinigkeit und kein Schwanken befürch-
ten lassen. Im ganzen Bereiche der deutschen Oeffcntlichkeit
antwortet den französischen Anforderungen nur ein einziges
Nein. Je kaltblütiger dasselbe ausgesprochen wird, desto besser,
daß es aber Ernst damit sei, darüber darf die Betonung am
allerwenigsten den Franzosen einen Zweifel lassen. — Indessen
wir haben zu viel gesagt. Jene Einstimmigkeit leidet aller-
dings eine Ausnahme, die der Köln. Zeitung. Dieses Blatt,
das sich schon oft zum Wortführer der schlechtesten Sache
gemacht, spielt heute die Rolle der Kupplerin zwischen dem
Bonapartismus und der deutschen Ehre. Die Köln. Zeitung
findet cs ganz in der Ordnung, daß man dem Kaiser Napo-
leon durch die Räumung von Luxemburg aus der Noth helfe,
sie gibt sich die Miene zu glauben, daß damit alle znllfchen
Deutschland und Frankreich obwaltenden Schwierigkeiten zu
beseitigen sind, und läßt es sich ganz besonders angelegen sein,
den Franzosen durch Leitartikel und auch Correspondenzcn aus
Luxemburg Belege dafür an die Hand zu geben, daß das
Großhcrzogthum mit Deutschland nichts in der Welt gemein
habe, daß es auf jeden Fall viel eher zu Frankreich hinneige
und gehöre, als zu Preußen. Mit einem Worte, die oftbe-
währtc Schamlosigkeit der Köln. Zeitung übertrifft dies Mal
sich selbst.
 
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