Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 102 - No. 106 (2. Mai 1867 - 30. Mai 1867)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0265
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NbonuementSprcls: Lei di-
rektem Bezug von der Erudi-
tion 36 kr. oder 1O'/z Sgr.,
bet Bezug durch die Pest oder
den Buchhandel 45 kr. oder
13 Sgr. für das Quartal.


Inserate werden mit 7 kr.
oder 2 Sgr. für die doppel-
spaltige Pctitzeile berechnet.

des


Herausgegeom im Auftrage des Vereins - Ausschusses.



Heidelberg, den 2. Mai.


Inhalt:
Wochenbericht. — Der Umschwung in dcn.Partcivcrhältniffcn. — Gegen
die Norddeutsche Allg. Ztg. — Die Hannoversche» Abgeordneten im Reichs-
tage. -— Aus Süddcutschland. — Aus Preußen. — Einführung des Zoll-
verctnStarifs in Schleswig-Holstein. — Berlin.
Wochenbericht.
Heidelberg, 30. April.
* Neuer Aufzug des diplomatischen Zwischenspiels: Lon-
doner Coufercuz. DaS heißt: Wcttbcwerbung um die Stim-
menmehrheit im Rathe der Cabinette.
Mit seinen Werbungen um militärische Bundesgenossen hat
Frankreich bis jetzt kein Glück gehabt. In Italien ist das Ministe-
rium Ratazzi beim besten Willen nicht in der Lage, dem Bonapar-
tismus, im Widerspruch nut der öffentlichen Vernunft, Hecreöfolge
gegen Preußen zu leisten; die Rachsucht Oesterreichs wird durch
innere Schwierigkeiten und auswärtige Drohungen in Schach
gehalten; Dänemark will weislich den Errola abwarten, ehe
es Partei nimmt; Holland schwört aus ferne Neutralität, aus
der cs wohl erst dann heraustrctcn würde, wenn cs eine Beute zu
theilcn gäbe; in den süddeutschen Staaten vollends, die viel-
leicht mit dem stärksten Nachdruck von Frankreich aus bear-
beitet worden sind, hat schließlich die Stimme der Klugheit,
der Ehre und der Pflicht den entschiedenen Ausschlag für
Preußen gegeben.
Auf der Londoner Conferenz werden sich die Dinge vor-
aussichtlich günstiger für Frankreich gestalten. England will
natürlich unbedingt die Aufrechterhaltung des Friedens, den
Frieden um jeden Preis — den Deutschland dafür zu zahlen
haben würde. Oesterreich hat wenigstens keinen Grund,
zur diplomatischen Unterstützung Preußens und wird sich also den
Frieden auf Kosten Deutschlands gerne gefallen lassen. Nur die
russische Politik ist in diesem Falle unberechenbar. Was unter solchen
Umständen die preußische Regierung bewogen hat, sich auf eine
Conferenz cinzulasse», vor welcher ihre »vertragsmäßigen Rechte
in Frage gezogen werden sollen, muß einstweilen dahingestellt
bleiben.
Frankreich, heißt es, ist mit seinen Ansprüchen bis auf
die Forderung heruntergegangen, daß Luxemburg von Preußen
geräumt, daß Land und Festung „ncutralisirt" werde. Daß
an Preußen damit immer noch eine Zumuthung gerichtet wird,
der mit Ehren nun und nimmermehr ohne eine vollwich-
tige Entschädigung nachgegcben werden kann, braucht nicht
erst nacbgewicsen zu werden, um so weniger, als in der
Votkömeinung und dem VolkSgcfühl darüber nicht der
mindeste Zweifel besteht. Die Preßorgane der preußischen
Regierung selbst haben in diesem Sinne so bestimmte Erklä-
rungen abgegeben, daß die Uebcrcinstimmung der Gesinnungen
und Entschlüsse des Berliner Cabincts mit der öffentlichen
Uebcrzcugung als eine Thatsache gelten kann. Das ist unsere
Beruhigung im Angesichte der Londoner Conferenz.
Im französischen Volke ist den ersten kriegerischen Auf-
wallungen eine Bewegung im entgegengesetzten Sinne gefolgt,
welche sich durch Erklärungen, Aufrufe, Adressen, insbesondere
auch durch Ansprachen an das deutsche Volk und einzelne

Klnssca desselben kuudgibt. So gerne man diese Aeußcrungcn
einer freundnachbarlichcn Stimmung willkommen heißen mag,
so muß cs doch auffallen, daß darin niemals auch nur mit
einen! Worte von dem einfachsten Mittel zur Beseitigung der
Kriegsgefahr die Rede ist, von dcm Verzicht auf die willkür-
licbcn Ansprüche Frankreichs, die einzig und allein die Kriegsge-
fahr geschaffen. Wollen die Franzosen mit ihren Besorgnissen und
Wünschen vor die rechte Schmiede gehen, so müssen sie den Ausdruck -
ihrer Willensmcinung direkt an die eigene Regierung richten, die
cs ja in der Hand hat, von heute auf morgen die europäische
Süvcrheit, die von ihr allein gestört worden ist, wiederhcr-
zustcllen. Das deutsche Volk hat allerdings eben so viele
Gründe, wie das französische, den Frieden zu wollen, aber es
fehlt ihm jedes Mittel, den Krieg abzuwcnden, den die lu-
xemburgische Politik des BonapartiSmus in ihrem Schooße
trägt. Den Franzosen selbst bleibt zu diesem Zwecke wenig-
stens der Protest, der, wenn mit dem erforderlichen Nachdrucke
gehandhabt, gewiß nicht ohne Wirkung bleiben würde. Ist es
den Manzoirn also voller' Ernst mit ihren Friedensworten, so
mögen sie unumwundener reden, als es bis jetzt geschehen ist,
und besonders sich an die rechte Adresse wenden, die sie bis
jetzt gänzlich umgangen haben.
Die süddeutschen Staaten sind nach einigem Schwan-
ken endlich zu dem Entschluß gekommen, dem Schutz- und
Trutzbündnisse mit Preußen möglichst gewissenhaft nachzu-
kommen. Leider bleibt ihnen zur Erfüllung der übernomme-
nen Verpflichtungen noch so gut wie Alles zu thun übrig.
Sachverständige wollen behaupten, daß ein französisches Ar-
meekorps von 50,000 Mann die ganze Waffenmacht, welche
Süddeutschland heute aufbringen kann, über den Haufen
werfen, und sich im Sturmschritt zum Herrn des Landes von
München bis Darmstadt machen würde. Die schwersten Ver-
säumnisse fallen allerdings auf Baiern und Würtemberg.
Nickt, als ob man in den Kriegsministcrien in München und
Stuttgart während der acht Monate, die seit Ende des vor-
jährigen Krieges verflossen sind, müßig gewesen wäre; man
hat vielmehr viel Zeit und Mühe auf nutzlose Vorarbeiten ver-
schwendet, auf Versuche zur Erfindung von Musterreglements,
Mustcrwaffen u. s. w. Sich einfach daS preußische System
anzueignen, das man fertig zur Hand hatte, das ging natür-
lich gegen das bäurische und württcmbcrgische Souveränctäts-
bewnßtsein und gegen die Kriegshcrrlichkeit. Ueberdies be-
lehrte uns nock vor wenigen Tagen der Stuttgarter „Staats-
anzeiger", daß schon die jetzigen würtembcrgischen Hcerescin-
richtungcn besser seien als die preußischen, sich auch im vor-
jährigen Kriege als besser bewährt haben, wonach denn eine
Vertauschung der ersteren gegen die letzterer» in unverantwort-
licher Rückschritt sein würde. Daß man in Würtemberg auch
eine bessere Waffe erfunden, als das preußische Zündnadcl-
gcwchr, wurde als eine weitere Zugabe zu der sonstigen mili-
tärischen Ucbcrlegcnheit des Schwabenlandes gerühmt, deren
Vortheil natürlich nicht verscherzt werden dürfe. Mit dcm
Stuttgarter Cabinetswechscl scheint indessen, wie in der wür-
tembergifchen Politik, so in der Behandlung der Militäran-
gclegenhciten, eine Wendung zum Bessern eingetreten zu sein.
 
Annotationen