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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 102 - No. 106 (2. Mai 1867 - 30. Mai 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0289
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des


Herausgegebm im Auftrage des Vereins-Ausschusses.

Heidelberg, dm 23. Mai.

1867.

Inhalt:
Wochenbericht. — Das Heerwesen des norddeutschen Bundes. — Cin Wort
an die Neue freie Presse. — Die Hannoverschen Abgeordneten im Reichs-
tage. — Der öffentliche Geist in Deutschland und Frankreich. — Aus
Preußen. — Aus Baden. — Die Militär-Conventionen Preußens mit den
andern deutschen Staaten.

Wochenbericht.
Heidelberg, 21. Mai.
*Wie gewöhnlich, so auch dies Mal, und trotzdem daß
es sich um eine durch und durch deutsche Sache handelte, hat
Deutschland die ersten beglaubigten Nachrichten von dem In-
halte der Conferenzbcschlüsse vom Auslande her erhalten —
durch die Mitthcilungcn Stanleys und Derby's an das bri-
tische Parlament, durch den Pariser Moniteur, durch die
in der belgischen Kammer abgegebenen Erklärungen des Mi-
nisters Rogier. Man hält in Berlin eben fest an den alt-
hergebrachte» Begriffen und Uebungcn, denen zufolge die an-
derer Orten geltenden nnd auch von dem Bonapartismus, schon
aus Selbstachtung, niemals verleugneten Anstandspflichtcn ge-
gen das eigene Volk, für Preußen und Deutschland nicht vor-
handen zn sein scheinen. Hinterdrein freilich läßt man es
nicht fehlen an halbamtlichen Erläuterungen der amtlich ver-
schwiegenen Thatsachen, an denen indessen alle beschönigende
Beredtsamkeit leider zn Schanden werden muß. Daß Preußen
einen Rückzug gemacht hat, wird man der öffentlichen Mei-
nung nicht ausrcde», und ob dieser Rückzug ein kluger war,
bleibt dem Volksurtheil im höchsten Grade zweifelhaft. Nur
so viel kann man nicht umhin, den Wortführern der luxem-
burgischen. Politik deS Hrn. v. Bismarck zuzugcben, daß die-
selbe allerdings unter dem Drucke von Umständen stand, für-
weiche sie selbst nicht verantwortlich war, daß sie in und mit
dem luxemburgischen Handel eine Erbschaft des von Haus
aus bankerotten deutschen Bundes anzutrctcn hatte, daß sie sich
den Conscqucnzen des durch den Wiener Eongreß geschaffenen
staatsrechtlichen Mißverhältnisses, durch welches die größere
Hälfte von Luxemburg bereits in den dreißiger Jahren ab-
handen gekommen war, nicht ohne Weiteres entziehen konnte.
In die gleichwohl übrig bleibende Schuld haben sich außer-
dem die süddeutschen Staaten mit Preußen zu thcilcn, insofern
sie nicht in der Lage waren, ihren, durch die Schutz- und
Trutzbündnisse vom vorigen August zur Vertheidigung des
deutschen Bodens übernommenen Verpflichtungen auch nur
annäherungsweise nachznkommen. Endlich ist auch derjenige
Theil des deutschen Volks selbst nicht frei von Mitverant-
wortlichkeit für den erlittenen Verlust, welcher das feige oder
verrätherische Geschrei nach Neutralität beim Krieg mit Frank-
reich, welches sich in seiner Mitte erhob, nicht zu ersticken oder
doch zu beschämen verstand. Daß hinterdrein von den näm-
lichen Stellen ans am heftigsten über den Ausgang der lu-
rcmbnrgcr Sache gcwüthet werden würde, den man nach
besten Kräften mitverschuldet, war leicht vorauszusehen; wie-
wohl zugestanden werden muß, daß einige süddeutsche Blätter

in dieser Art der Tapferkeit und des Patriotismus über di
kühnsten Erwartungen weit hinausgehcn.
Der Glaube an die Dauer des kheuer erkauften Friedens
ist und bleibt allenthalben sehr schwach, in Frankreich so gut
wie in Deutschland, in der geschäftlichen wie in der politischen
Welt. Bei der eifrigen Fortsetzung der französischen Rü-
stungen, „zur Ausfüllung der durch den mexikanischen Krieg
entstandenen Lücken", ruft die Entlassung der Soldntenclasse
von 1860, deren Dienstzeit in wenigen Monaten abgelaufcn
sein würde, mehr Spott als Vertrauen hervor. Dem Gesetz-
gebenden Körper gegenüber besteht das Tuilcrieucabinet auf
Bewilligung eines Minimums des Hecrcsbestandcs von 800,000
Mann, und sollte es darüber zum Bruche mit der Landes-
vertretung und zu der Notbwcndigkeit einer „Berufung an
Nation", durch Auflösung des Gesetzgebenden Körpers und durch
Neuwahlen, kommen, die dann ohne Zweifel das vom Bona-
partismus verlangte Ergebniß liefern würden. Bei solchen
Aussichten auf Steigerung der französischen Angriffsmacht ge-
hört eine besondere Art von Muth dazu, dem norddeutschen
Bunde ein stehendes Heer von 300,000 Mann noch länger-
streitig zn machen, welches freilich auf unsere wirthschaftlichen
Interessen einen sehr empfindlichen Druck ausübt, das aber
gleichwohl über das Bedürfnis der Vertheidigung gegen den
gefährlichen Nachbar sicherlich nicht hinausgcht." Wenn die
Wohlfahrt der europäischen Völker, wie kein verständiger
Mann leugnet, eine bedeutende Verringerung der Militärlasten
dringend verlangt, so ist es darum nicht weniger eine hand-
greifliche Wahrheit, daß Frankreich mit dem Beispiele voran-
gehen müßte, damit den übrigen Staaten die Abrüstung auch
nur möglich gemacht würde. Unnöthig hinzuzufügen, daß
das französische Volk zur Erfüllung dieser Bedingung eben so
wenig Lust hat, wie die französische Regierung.
Znr Zeit ist denn auch gar keine Rede mehr davon, die
Entwaffnungsfrage auf die europäische Tagesordnung zu setzen.
Von der bevorstehenden Zusammenkunft der gekrönten Häupter
in Paris eine Initiative in diesem Sinne zu hoffen, wäre
eine sonderbare Schwärmerei. Um aufrichtig zu sein, mnß
man gestehen, daß für die beabsichtigte Pariser Reise jener
Potentaten kaum ein anderer Zweck ersichtlich ist, als, Frank-
reich bei guter Laune zu erhalten, oder vielmehr, in gute
Laune zu versetzen. Mit besonderem Hochgefühle läßt sich
also, besonders vom deutschen Standpunkte aus, jenem Mo-
narchencongreß nicht entgegensetzen, der uns vielmehr peinlich
an gewisse Ereignisse ähnlicher Art erinnert, die nicht gerade
zu den Glanzpunkten deutscher Geschichte gezählt werden.

Das Heerwesen des norddeutschen Bundes.
1^ Einige der preußischen Volksvertreter, welche im Ab-
geordnetcnhause gegen die norddeutsche Bundesverfassung ge-
stimmt haben, sind dazu, ihrer Versicherung zufolge u. a.
durch die Schonung veranlaßt worden, mit welcher in diesem
Grundgesetz des neuen Deutschland die Militärhohcit der
kleinen Staaten behandelt worden ist. Sic werden sich viel-
leicht beruhigen, wenn sie demnächst aus anderen Actcnstnckcn
 
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