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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 107 - No. 110 (6. Juni 1867 - 27. Juni 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0305
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Hemusgegebm im Auftrage des Vereins-Ausschusses.



Heidelberg, den 6. Juni.

Inhal t:
Wochenbericht. — Der Neulibcralismus II. — Landtagsbrief. — Deutsch-
land, Ungarn, Oestreich. — Ueberspanntc Erwartungen. — Aus Franken.
— Literatur.

Wochenbericht.
Heidelberg, 4. Ium.
* Mit der Beendigung der zweiten Lesung der nord-
deutschen Bundesverfassung im preußischen Abgeord-
nctcnhause ist Deutschland der Frage von seiner künftigen G c-
sammtv erfass ung um einen beträchtlichen Schritt näher
getreten. In allen nüchternen politischen Köpfen und patrio-
tischen Herzen ist die Antwort auf diese Frage längst fertig,
wiewohl Mancher noch mit der Sprache zurückhält. Erwei-
terung des norddeutschen Bundes, durch den Eintritt der Süd-
staaten, zum neuen deutschen Bunde — das ist heute die
einzige vernünftige Aufgabe der nationalen Verfassungspolitik.
Sich von diesem Ziele abwcnden, heißt Deutschland verleugnen.
Aber leider sind ihrer nicht Wenige, welche Deutschland
mit dreister Stimme und keckem Worte verleugnen, im Süden
nicht nur, sondern auch im Norden. Die Einen stehen nicht
an, die Einheit des Vaterlandes preiszugeben, um nur dem
Ministerium Bismarck einen Possen zu spielen; in den Andern
wehrt sich die kleinstaatliche Engherzigkeit und Selbstsucht
mit Hand und Fuß gegen die Verschmelzung zum großen
Ganzen. Keine Einwendung gegen den Eintritt der Süd-
staaten in den norddeutschen Bund ist den Gegnern desselben
zu frivol, keine Entstellung der Bundesverfassung zu gehässig,
keine Ucbcrtreibung der Lasten und Opfer, welche dieselbe
mit sich bringt, zu handgreiflich. Zugleich werden die äußern
Schwierigkeiten der verfassungsmäßigen Wiedervereinigung
Deutschlands mit einer Schadenfreude aufgezählk und aus-
gemalt, die traurige Blicke in einen Abgrund niederträchtiger
Gesinnung thun läßt. Frankreich läßt cs nicht zu! — das
ist das Haupt- und Schlußargumcnt, welches man uns mit
triumphirender Miene cntgegenwirft.
Angesichts dieses ehrvergessenen Treibens ist cs Hobe Zeit
für die Nationalpartei, sich ernstlich zu rühren. In der Zweiten
hessischen Kammer und von der großen Mehrheit der Mit-
glieder des badischen Landtags ist die Losung für Süddeutsch-
land ausgegebcn, von der zu hoffen steht, daß sie die Masse
der Gesinnungsgenossen in Bewegung bringen werde. Es ist
sine nicktssagende Einrede, wenn man sich darauf beruft, daß
die preußische Regierung selbst zur Zeit keinen Finger rühre
und kein Wort spreche, um die Südstaatcn politisch an sich
hcranzuziehen, daß sie vielmehr eine abweisende Haltung au-
nchme und eine entmuthigende Sprache führe. Die Volks-
politik hat ihre Ziele zu verfolgen, unbekümmert um die Taktik
des Berliner Cabinets, dessen Schweigen und Nichtslhun ohne
allen Zweifel durch Beweggründe bestimmt wird, welche für
die Nationalparthei einen doppelten Antrieb zur lauten Willens-
äußerung und zur Thätigkeit enthalten Selbst wenn Herr
v. Bismarck, was freilich sehr unwahrscheinlich ist, des festen
Entschlusses wäre, die politische Mainlinic bis auf Weiteres

1867.

streng einzuhaltcn, würde das deutsche Volk nur um so
mehr die Pflicht und den Beruf haben, gegen einen solchen
Entschluß lauten Protest zu erheben und nichts ungeschehen
zu lassen, was denselben so bald wie möglich zu Schanden
machen könnte.
Von den süddeutschen Höfen ist es allerdings gewiß, daß
sie, mit Ausnahme des badischen, nichts weniger als gesonnen
sind, den Eintritt ihrer Staaken in den norddeutschen Bund
zu betreiben, wie denn selbst der baicrische Minister, Fürst
Hohenlohe, dem man eine Zeit lang ein richtigeres Verständniß
und einen bessern Willen zuschrieb, als seinen College« in
Darmstadt und Stuttgart, jeden Gedanken dieser Art mit
einem Accent von sittlicher Entrüstung und sogar mit einem An-
klange von Hohn öffentlich von sich gewiesen. In diesem Wider-
stande dcS dynastischen Parkikularismus beruht die Haupt-
schwicrigkcit, welche dcr Erfüllung der großen Nationalauf-
gabe im Wege liegt. Nach dem heutigen Stand dcr europäi-
schen Dinge läßt sich dieses Hinderniß nicht ohne die kräftigste
Mitwirkung des Volksgeistcs in Süddeutschland selbst beseitigen.
Ans bekannten Ursachen wird cs schwer sein, eine tiefgreifende
Agitation zu diesem Zwecke ins Werk zu sehen; die Noth
aber kennt so wenig eine Unmöglichkeit, wie ein Gebot.
Von den bevorstehenden Verhandlungen über die Reorga-
nisation des Zollvereins darf man erwarten, daß sie den In-
teressen der Nationalpolitik einen wirksamen Vorschub leisten
werden. Die süddeutschen Staaten stehen vor der Wabl, sich
entweder an der Zollgesetzgebung des norddeutschen Reichstags
und Bundesrathcs zu bctheiligen, oder sich derselben ohne eine
solche Betheiligung zu unterwerfen, so lange sic überhaupt
Mitglieder des Zollvereins bleiben wollen. Denn, daß man
von Seiten des norddeutschen Bundes den Südstaatcn, einzeln
oder zusammcngenommen, das bisherige Recht auch für die
Zukunft zugestehen sollte, jede Neuerung in Zollvereinsange-
legenhciten durch ihre Einsprache zu verhindern, ist eben so
undenkbar, wie die Anwendung des Auskunftsmittcls eines
besondern „Zollparlaments", durch welches dem norddeutschen
Reichstage ein wesentlicher Theil seines verfassungsmäßigen
Wirkungskreises entrissen, und, was das Schlimmste, die Ver-
fassung Deutschlands mit parlamentarischen Einrichtungen bis
zur Unbrauchbarkeit überladen werden würde. Je nach vem
Entschlüsse, den man, dieser Alternative gegenüber, in München
und Stuttgart faßt, wird die Wahrscheinlichkeit eines fried-
lichen oder eines gewaltsamen Ucbergangs in unsre einheit-
liche Zukunft ziemlich sicher zu bemessen sein.
— Die fast unglaubliche Nachricht, daß die französische Ne-
gierung sich hcrausgcnommen habe, in Angelegenheiten der
Festung Rastatt mitzureden, hat bis jetzt reinen beglaubigten
Widerspruch gefunden. Dieselbe wird vielmehr, von Berlin
aus, in der Presse in einem Tone und mit einer Vorsicht be-
handelt, die einer Bestätigung ähnlicher sind, als einer Wider-
legung. Gleichwobl sträubt sich jedes deutsche Gefühl und
aller männliche Sinn gegen die Annahme, daß Preußen der
angeblichen Anfrage Frankreichs nicht auf dcr Stcllc die ge-
bübrcnde Antwort ertheilt habe» sollte, geschweige denn, daß
Angesichts des mit ß-ner Anfrage versuchten Eingriffs des
 
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