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Deutscher Nationalverein [Editor]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 120 - No. 123 (5. September 1867 - 30. September 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0429
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ti-Nsk-DersiU
Hernusgegebm im Auftrage des Vereins-Ausschusses.

Heidelberg, den 30. September.

1867.

Der Ausschuß des Nationalvcrcins hat in seiner am 29. Sept, in Berlin abgehaltcnen Sitzung den Beschluß gefaßt,
in der demnächst einzubcrufcnden Generalversammlung den Antrag auf Auflösung des Bereins zu stellen. Dcßgleichen
wurde beschlossen, das Wochenblatt des Nationalvereius mit der gegenwärtigen Nummer cinzustcllen.

I n halt:
Wochenbericht. — Zur Parteiorganisation. — Von den Reichstags-
diäten. — Eine Stimme aus Baiern. — Nationalvertretung im Aus-
lande. — Finanzlage der thüringischen Kleinstaaten. — Zweierlei Maß
und Gewicht. — Aus Konstantinopel. — Mittheilungen aus dem Na-
tionalverein.

Wochenbericht.
Berlin, 28. September.
* Ob eine Beantwortung der Thronrede durch den Reichs-
tag rathsam sei oder nicht, mochte von vornherein zweifelhaft
sein und selbst innerhalb der engsten politischen Gesinnungs-
genosscnschaft von de» Einen bejaht, von den Andern ver-
neint werden. Aber von dem Augenblicke an, wo die Frage
durch die Einbringung des Migucl'schen Antrags und Ent-
wurfs so gut wie entschieden war, von diesem Augenblicke
an hatte, wie uns scheint, für die einzelnen Mitglieder jeder
Partei, welche ehrlich auf dem Boden der Bundesverfassung
steht, die Freiheit des Entschlusses aufgehört. Jetzt galt cs,
das Zeugniß, um das cs sich handelte, einmüthig abzulegen,
das Zeugniß der Gesinnungen des Reichstags gegenüber Süd-
deutschland und seiner Willcnsmcinung gegcnül'er Frankreich.
Daß sich die „Fortschrittspartei" dieser Verpflichtung mit
Hülfe von Zweifeln über „Aktiv- und Passivlegitimation"
und ähnliche Sylbcnstechereien entzogen hat, ist ein trauriger
Beweis von dem Ucbergewichte, welches bei ihr die Stimme
der Leidenschaft über die Forderungen des politischen Gewissens
gewonnen hat. Unter solchen Umständen und für die Dauer
derselben ist denn allerdings eine Wiederherstellung der frü-
heren Gemeinschaft mit der nationallibcralcn Partei nicht
länger z» hoffen und auch nicht im Mindesten wünschcnswcrth.
Unserer Meinung nach ergab sich die Nothwcndigkeit einer
Adresse von selbst aus der Aufnahme, welche das Bismarck'sche
Rundschreiben in Frankreich gefunden hat. Der Uebermuth
des französischen Nationalgcistes ist selten so nackt zu Tage
getreten, wie in dem einstimmigen und nachhaltigen Wuth-
schrei, den die kaltblütige Aeußcrung des preußischen Mini-
sters hervorgcrufcn hat, daß das Ausland in die deutschen
Angelegenheiten nichts darein zu rcdcu habe. Der Reichs-
tag war es sich selbst und der Nation und sogar Herrn v- Bis-
marck schuldig, in irgend einer Form die Erklärung abzugcben:
in diesem Punkte denken wir gerade so wie der Minister. Es
ist ein großer Jrrthum, ein solches Wort, weil sich die Sache
ja von selbst versteht, für überflüssig oder für wirkungslos
zu halten. Eine parlamentarische Versammlung, wenn sie
aus der Seele einer ganzen Nation herausredct, spricht nicht
in den Wind hinein, und am wenigsten, wenn sic ein Volk
mit dem feinen Gehör der Franzosen vor sich hat. Je em-

pfindlicher das französische Ohr, desto mehr thut es Noth,
daß dasselbe an mißfällige Töne gewöhnt werde. Noch eine
Weile der bisherigen Ucbung und die Franzosen werden mit
sich reden lassen wie andere vernünftige Leute.
-—In Hamburg ist wegen der Frage der Reform der
städtischen Verfassung wieder einmal einer jener leidenschaft-
lichen Partcikämpfc entbrannt, deren die freie Stadt an der
Elbe in den letzten Jahrzehnten so manche erlebt hat, und
deren häufige Wiederholung jeden Falls kein Zeichen politi-
scher Gesundheit ist. Nach allseitigem Eingeständnisse steht
bei dem jetzigen Zerwürfnis! zwischen dem Senat und der
Opposition nicht weniger als der Fortbestand des Freistaats
auf dem Spiele, ohne daß diese Gefahr die streitenden Theile
einem Ausgleiche geneigt zu machen scheint. Die „demokra-
tische" Partei in der „Bürgerschaft", das heißt die Minder-
heit des gesetzgebenden Körpers, zeigt sich vielmehr entschlossen,
die Staatsmaschine durch verzweifelte Auskunftsmittcl zum
völligen Stillstand zu bringen, wenn und so lange der Se-
nat und die Mehrheit sich nicht ihrem Willen fügt. Alles
im Namen der republikanischen Freiheit und zu Ehren des
demokratischen Princip's. Wenn die politische Gewissenlosig-
keit in weiten Kreisen des Bürgerthums bis zu einem solchen
Grade gediehen, dann freilich Pflegt die geschichtliche Strafe
nicht lange auf sich warten zu lassen, welche jedem Gemein-
wesen Vorbehalten ist, das an sich selber zum Verräther wird.

Zur Parteiorganisation.
N Ucbcr ein kleines also, und der Nationalvercin wird
der Natur, oder vielmehr der Geschichte, seine Schuld bezahlt
haben. Es fragt sich: wird an seine Stelle alsbald eine
andere ähnliche Organisation treten, oder will man es wieder
bei der alten lockeren Form des Parteizusammcnhangs be-
wenden lassen?
Wir wissen cs nicht, Eines aber scheint uns zweifellos.
Will das deutsche liberale Bürgerlhum seine freiheitlichen
Hoffnungen und Ansprüche nickt bedeutend herabstimmen, oder
wenigstens nicht erst in einer Zukunft von ungewisser Ferne
verwirklicht sehen: alsdann wird er suchen müssen, seine po-
litische Kraft und Leistungsfähigkeit auf ein höheres Maß,
als das gegenwärtige, zu bringen, und eines der wesentlichsten
Mittel hiezu ist und bleibt der Gebrauch des Vcrcinsrcchts.
Wenn wir von einer, dem Nationalvercin „ähnlichen",
Organisation spreckcn, so versteht sich, daß wir damit eben
nur seine Form, nicht seinen Inhalt im Auge haben. Dieser
letztere hat sich ohne Frage überlebt. Zwar, was das Pro-
gramm anlangt, so könnte dasselbe gewiß ohne Schwierigkeit
 
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