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Deutscher Nationalverein [Editor]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 90 - No. 93 (7. Februar 1867 - 28. Februar 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0189
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spaltige Pctitzetle berechnet.


Herausgegeken im Auftrage des Vereins-Ausschusses.


Heidelberg, den 21. Februar.

Inhalt:
Wochenbericht. — Zur Geschäftsordnung des Reichstags. — PartikulariS-
mus und GeschichtSkundc. — Die Flotte und Herr Wichmann. — Wahl-
praris. — Aus Preußen. — Aus Thüringen. — Das allgemeine Stimm-
recht und der SocialiSmuS. — Zcitungsschau.

Wochenbericht.
Heidelberg, 19. Februar.
* Sind die Reichstagswahlcn nicht ganz so günstig für die
Nationalpartci ausgefallen, als man erwarten durfte, so haben
wir doch alle Ursache, Deutschland zu dem Verlaufe derselben
Glück zu wünschen. Wie im Jahre 1848, so hat auch dies
Mal das allgemeine und gleiche Stimmrecht die Probe gut
bestanden, manche seiner mißtrauischen Freunde beruhigt und
manche seiner bisherigen Gegner mit sich ausgesöhnt. Von
allen Seiten kommen beredte Zeugnisse für die belebende und
erhebende Rückwirkung, welche die Ausübung dieses bürger-
lichen Amtes auf bas Bewußtsein imd die Haltung der Mckssen
ausübt. Dem entsprechend ist auch das Gesammtergebniß der
Wahlen, trotz einzelner Fchlrechnungcn und Fehlgriffe, ein
befriedigendes zu nennen. Die im Lande vorhandenen politi-
schen Parteien haben, mit freien Händen und unter allgemeiner
Bctheiligung, ihre Kräfte gegen einander gemessen, und das
Resultat ist ein unzweifelhaftes Uebcrgcwicht der liberalen
Nationalpartei. Eben so wichtig wie die Summe des Facits
aber sind die einzelnen Posten, aus denen cs sich zusammensetzt.
Zunächst haben schon die altpreußischcn Wahlen eine, wenn
auch schwache, nationallibcralc Mehrheit ergeben, deren Be-
deutung, der Berliner Cabinctspolitik gegenüber, durch diesen
Umsprung natürlich sehr gehoben wird. Nicht minder stellt
sich für die einverlcibten Provinzen insgcsammt ein Uebcrschuß
nationalliberaler Wahlen heraus. Von den sämmtlichen bun-
desgenössischcn Landen endlich ist das Königreich Sachsen das
einzige, welches Männer einer Gegenpartei in das Parlament
schickt. Innerhalb jeder der drei Gruppen also, in welche das
Bundesgebiet vermöge seiner Entstehungsgeschichte zerfällt, hat
sich das Uebergewicht der Interessen und der Stimmen bewährt,
welche die staatliche Einigung Deutschlands auf dem durch
die Ereignisse des vorigen Jahrs gebahnten Wege und auf
dem Boden der Volksfreihcit verlangen.
Nicht genug indessen, daß die Gegenparteien durchweg in
der Minderzahl sind, werden sie durch die Schwäche ihrer
Stellung doppelt ohnmächtig. Die konservativen Stockprcußen,
die Männer des altpreußischen Königthums und der Junker-
partei müssen sich, wohl oder übel, zu der bundesstaatlichen
Einigung Norddeutschlands bekennen, welche ihrer bisherigen
Politik den Boden unter den Füßen wegzicht, wogegen die
partikularistische Opposition, die aus Sachsen, Schleswig-Hol-
stein und einem Theile von Hannover ihre Vertreter nach
Berlin sendet, gar nicht umhin kann, nach der Seite der
Freiheitsinteressen hin mit der liberalen Mehrheit gemein-
schaftliche Sache zu machen, während sie aus die bundesstaat-
liche Frage gar keine Antwort hat, wenn man nicht ein im
Sinne der Verneinung gemeintes Stillschweigen dafür gelten

1867.

lassen will. Denn von der Thronbesteigung des Herzogs von
Augustenburg, von der Wiedereinsetzung des Königs von Han-
nover und von der Wiederherstellung der unversehrten Sou-
veränetät des Königs von Sachsen wird doch wohl schwerlich
die Rede sein sollen.
So steht denn die Nationalpartei auf dem Reichstage zwi-
schen zwei weit schwächeren Gegnern, deren jeder bis zu einem
gewissen Punkte ihr nothgedrungener Bundesgenosse, und für
welche eine ehrliche Verständigung unter sich ein für alle Mal un-
möglich ist. Sie hat cs lediglich mit der Regierung selbst zu
thun, welche ihrerseits allerdings im ausschließlichen Besitz der
wirklichen Staatsmacht, zu gleicher Zeit aber durch die bren-
nendsten politischen Interessen darauf angewiesen ist, die bun-
desstaatliche Constituirung Norddeutschlands mit.dem Reichs-
tage zum Abschluß zu bringen. Mit einem Worte, die Natio-
nalpartei ist die Meisterin der Situation, so weit und so lange
sie die ungeheuren Vorthcile ihrer Stellung mit Festigkeit und
Mäßigung zu benutzen weiß.
Tur von den Regierungen vereinbarte Entwurf der Bundes-
verfassung wird beim Reichstage voraussichtlicher Weise nur
in wenigen seiner wichtiger» Bestimmungen wesentlichen Wi-
derspruch finden, in manchen andern dagegen der Ergänzung
und nähern Feststellung unterworfen werden müssen. So namentlich
in dem sehr unklaren Punkt dcS Budgetrcchtes des Reichstags.
Die Vertheilung der öffentlichen Gewalt auf den Bund und die
Einzelstaatcn ist nach dem Verfassungsentwurf so beschaffen,
daß die vielfach laut gewordene Furcht vor übermäßiger Cen-
tralisation dadurch hoffentlich zum Schweigen gebracht werden
wird. Der Reichstag wird viel mehr Ursache haben, auf
Verstärkung, als auf weitere Abschwächung der Bundesgewalt
hinzuarbeiten. Manche der Zugeständnisse, welche der Vcr-
fassungsentwurf den Einzelstaaten macht, zumal in militäri-
schen Dingen, erklären sich vielleicht nur aus der Absicht, den
süddeutschen Staaten den Anschluß an den Bund zu erleich-
tern, ein Zweck, der allerdings selbst große Opfer werth ist,
nur daß man einstweilen keine Bürgschaft dafür hat, daß der
dafür gezahlte Preis nicht wcggeworfen sein werde. Eine
Annäherung des Südens ist indessen auf den Stuttgarter
Conserenzen, durch die getroffenen Verabredungen über gemein-
schaftliche Annahme der Grundlagen des preußischen Militär-
systems, wirklich erfolgt, und wenn jetzt von einem inzwischen
eingetretenen oder bevorstehenden Wechsel der Gesinnungen der
baierischen Regierung die Rede ist, so darf man solche Gerüchte
einstweilen auf sich beruhen lassen.
— Nachdem sich das Wiener Cabinet endlich mit den
Ungarn abgefundcn, geht es darauf aus, sich auch mit den
Deutschen auf einen leidlichen Fuß zu setzen. Unsre österrei-
chischen Landsleute wurden von der eigenen Regierung be-
kanntlich von jeher wie die Stiefkinder des Hauses behandelt
und das glücklich beseitigte Ministerium Bclcredi insbeson-
dere setzte die deutsche Nationalität mit einer empörenden Par-
teilichkeit gegen jede andere zurück. Herr v. Beust kündigt
jetzt die Absicht an, hierin Wandel zu schaffen und wenigstens
in zweiter Linie den Stützpunkt seiner Politik in Deutsch-Oe-
sterreich zu suchen. Das unverständige Gebühren der bisher
 
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