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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Bertram, Adolf: Zur Kritik der ältesten Nachrichten über den Dombau zu Hildesheim, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0103

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153

1899.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

154



architektonischen Eigenheiten des West- und
Ostquadrats bald herausfinden; aber Klerus
und Volk — und aus deren Sinne heraus
ist die Fundatio geschrieben — sehen in
diesen beiden ganz verschmolzenen Quadraten
nur einen einzigen Raum. Diese Hezilo'sche
Gestaltung unseres Kryptaschiffes hatte der
Chronist vor Augen, als er die Fundatio schrieb.
Und in klarem Gegensatze zu dieser neuen
Kryptagestaltung warnt er uns ausdrücklich da-
vor, die Verbindung der Altfridkrypta und
Ludwigkapelle uns so vorzustellen, wie seit
Hezilo Vierung und Chorquadrat aussehen. In
scharfem Gegensatze zu der einen, einheitlichen
Krypta Hezilo's sagt er von Altfrids Unter-
kirche mit unverkennbarer Betonung: crypta
prius duplex erat. Darin liegt doch das be-
stimmte Zeugnifs, dafs der Unterschied zwischen
der Altfridkrypta und der neuen Hezilokrypta
keineswegs nur darin bestand, dafs Hezilo die
Concha der Kapelle abschnitt, sondern wesent-
licher darin, dafs Hezilo die Krypta zu einem
einheitlichen Räume umschuf und damit die
ehemalige (prius erat) Doppelräumigkeit der
Altfridschen Krypta, die Zweizahl der östlichen
Unterkirchen beseitigte. Ja die Fundatio in
ihrer knappen Redeweise konnte kaum schärfer
den von Hezilo beseitigten Charakter der Alt-
fridschen Unterkirche als zweier besonderer
Räume, von denen einer ein Anhängsel (ad-
haerens) des Domes bildete, betonen, als durch
die Fassung: crypta ptius duplex erat. — Diesem
Charakter der Altfridschen Unterkirche als zweier
besonderer Räume entsprach es, dafs die Alt-
fridkrypta zwei besondere (wohl seitlich ge-
legene) Altäre erhielt, während ihr Mittelraum
frei bleiben mufste, um zur Kapelle als Ost-
theil der doppelten Unterkirche genügend freien
Blick und freien Zugangsraum zu behalten.

Mit dieser eigenartigen, aber darum doch
nicht unwahrscheinlichen, vielmehr mit dem
Entwicklungsgange des Domes harmonirenden
Gestaltung der doppelräumigen Unterkirche
Altfrids räumte nach 1054 Hezilo auf. An
Stelle der ehemaligen crypta duplex trat die
einheitliche heutige Gruft. Der geradlinige
Chorschlufs Hezilo's schnitt überdies den Altar-
raum der Kapelle von jeder Adhärenz zu
Krypta und Chor ab. Doch darüber später.

Wie Altfrids Chor schlofs, haben wir seit-
her als offene Frage behandelt. Auch heute
noch bescheiden wir uns mit einem: non liquet,

weil die vorgenommenen Ausgrabungen keine
genügend sicheren Anhaltspunkte geboten haben.
Ebenso fehlt es an genügend sicheren Nach-
richten oder Anhaltspunkten, die eine genauere
Bestimmung der Art der Verbindung von Krypta
und Kapelle zu einer unteren Doppelkirche
ermöglichen. Hier behält, wie auch über die
Entstehungszeit und Bedeutung der längeren
Pfeilerstützen zwischen Vierung und Chor-
quadrat, die Vermuthung noch einigen Spiel-
raum, auf welchem die Kombinationsgabe noch
mehr oder minder glücklich arbeiten kann.

Nebenbei sei — nicht als beweiskräftig,
doch als interessant — vermerkt, dafs der Histo-
riker P. Georg Eibers (geboren 1607, gestorben
in Hildesheim 1673), einer der sorgfältigsten
Durchforscher der hildesheimschen chronisti-
schen Handschriften, durch seine Studien und
wohl auch durch die Beobachtungen bei der
derzeitigen Gruftrestauration zu wesentlich der-
selben Auffassung gelangt ist, wie der Schreiber
dieser Zeilen. Eibers sagt: (Alfridus) decrevit
novam fabricam ita jüngere veteri, ut sacratior
illius pars seu chorus huic ineumberet, ne tarnen
aram virginis in hypogaeo contegeret.B) — In
novo templo (sei. Hezilonis) uti etiam (in) exusto
(sei. Altfridi) . . . ara virginis in Crypta non
includebatur templi fabricae.6)

Ueber die Gestaltung des Domes, den
Altfrid am 1. November 872 zu Ehren der
Gottesmutter einweihte,7) fehlen uns genaue
Nachrichten. Es war ein Steinbau, wie wir
aus der Hervorhebung des firmum artificium
als Vorzug des Altfridschen Domes und aus
Altfrids Fürsorge für die „lapides presentis edi-
ficti" folgern dürfen. Die Gestalt des ganzen
Schiffes ist verwischt und untergegangen durch
den Brand von 1046, durch die Niederlegung
des ganzen Langhauses, sowie durch den Neu-
bau Hezilo's, der für die innere Gestaltung
seines Domes die Michaelisbasilica Bernwards
zum Vorbilde wählte, indem er das Verhältnifs
der Abseiten zum Mittelschiff wie 1: 2 einhielt
und die Eintheilung des Mittelschiffs in drei
Quadrate mit rhythmischem Stützenwechsel
nachahmte, indem er die Eckpunkte der Qua-
drate durch Pfeiler markirte, zwischen die je 2
Säulen traten.

5) >Chron. Hild., vita Alfridi Ep.« pag. 2.

6) »Cod. 160 der Beverinschen Bibliothek« fol. 38.

7) ;Chron. Hild. M. G. II.« Script. VII, 851. —
.Jahrbücher v. Hild. z. J. 872.«
 
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