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Zeitschrift für christliche Kunst — 12.1899

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Oidtmann, Heinrich: Die Schweizer Glasmalerei vom Ausgange des XV. bis zum Beginn des XVIII. Jahrh., [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3944#0204

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lb99. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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nach althergebrachter Weise ihr Hauptabsatzge-
biet in den weiten Fenstern der Kirchen und
Kapellen besafs, dagegen in geringerem Mafse bei
weltlichen Gebäuden Eingang fand, hatte in den
Orten der schweizerischen Eidgenossenschaft die
Sitte, bei Gelegenheit von Neubauten, von gröfse-
ren Umbauten4) oder bei sonstigen aufsergewöhn-
lichen Veranlassungen, z. B. beim Antritt eines
Amtes, sich als sichtbares Zeichen der staatlichen
Zusammengehörigkeit, der gegenseitigen Anhäng-
lichkeit und des freundschaftlichen Wohlwollens
Wappenscheiben und Fenster zu schenken, im
Verlaufe der 2. Hälfte des XV. Jahrh. für den
Glasmaler neben der für Kirchen bestimmten
Fenstermalerei ein anderes, wenn zwar kleines,
so doch anspruchsvolles und defshalb recht
ergiebiges Arbeitsfeld eröffnet.

Da selbst bei ganz geringfügigen Umbauten
Schenkungen verlangt und gemacht wurden,
sah man sich veranlafst, wiederholt diesbezüg-
liche Rathsbeschlüsse zu fassen; so entschieden
u. a. Bürgermeister und Rath von Schaffhausen
am 13. August 1593, dafs fürderhin nur den-
jenigen Bürgern Fenster mit der Stadt Ehren-
wappen zu schenken sei, die an ihren Häusern
sei es inwendig oder auswendig 100 Gulden
oder mehr verbaut oder verbessert haben, doch
also, dafs solcher Bau und Verbesserung „schyn-
bar" und zierlich seie und gemeiner Stadt und
der Gasse wohl anstehe." (Vergl. J.H. Bäschlin;
Neujahrsblatt des Kunstvereins in Schaffhausen
1879. S. 3.)

Möglich, dafs, in Uebereinstimmung mit
der Klage des strengen Kato Anshelm, ur-
sprünglich die Reisläufer die Verwendung
farbigen Scheibenschmucks als Gelegenheits-
geschenk eingeführt haben, denn Wappenfenster
in öffentlichen Gebäuden waren längst üblich,
weit aufserhalb der Schweiz, sogar früher als
im Lande der Eidgenossen. Das Germanische
Museum zu Nürnberg besitzt mehrere Beispiele
meist fränkischen Ursprungs. Rathhäuser des
hohen Nordens und des fernen Ostens hatten
ihre Wappenscheiben. In Bayern und Würtem-
berg stöfst man auf ähnliche Denkmäler.
Schrieb doch Paul von Stetten im XVIII. Jahrh.

4) Vergl. »Kleine Mittheil, der geogr.-kom. Ge-
sellsch. zu Aarane I. Jahrg. 3. Heft. (1893) S. 35 u. f.
Unterm 21. Winlermonat 1526 steht im Rathsmanual
Nr. 25 fol. 23 eingetragen: „Item min herren gemein
burger haben Haussen Bolliger ein pfenster geschenkt
in sin huss, das er gebessert und uffbuwen."

über Augsburg: „Es war vor Zeiten keine
Kirche, kein öffentliches Gebäude, kein Haus
eines vermöglichen Mannes, darinnen man
nicht gemalte Fensterscheiben erblickte." Nürn-
berg war reich an Wappenscheiben; desgleichen
blühte die Fenstermalerei in den Rheinlanden
und im Elsafs. Dafs im Ober-Elsafs „ge-
schmelzte Wappen" um die Jahrhundertwende
in Gebrauch waren, dafür geben die zahlreichen
Handzeichnungen Hans Baidungs unanfechtbares
Zeugnifs. Im Schongauer-Museum zu Kolmar
stehen die Wappen, welche der Zehn - Städte-
Bund in den Saal des Kaufhauses geschenkt
hatte. In Wien soll 1490—1504 Wilhelm
Gozmann geschmelzte Wappen gemalt haben.
Aus der 1562 erschienenen Bergpostille des
Joachimsthaler Predigers Johann Matthesius
hören wir, dafs „etliche an die wyssen gleser
färben, allerley bildwerk und Sprüche im Kül-
ofen brennen lassen, wie man auch grosser
Herrn contrafactur und Wappen auff scheyben
gemalet, die man in die Fenster versetzet."
Und noch 1611 befafsten sich die Wappenmaler
der Glashütten in der Grafschaft Glatz mit
Wappen- und Bildmalen auf runden Scheiben.
Die nämliche Sitte der Bildeinlagen in den
Wohnhausfenstern herrschte in den Nieder-
landen, wie Tafelgemälde alter Meister darthun.
Dafs in französischen Schlössern diese Art der
Glasmalerei früh Eingang gefunden hatte, ist
bekannt.

Vereinzelt traf man in der Schweiz bereits
vor der Verallgemeinerung der Sitte das
Wappenschild der Herrschaft an, so 1460 in
der Zunftstube zum grimmen Bären zu Diessen-
hofen das Wappen von Oesterreich, 1484 in
der Kirche zu Freiburg im Uechtland das
Wappen der Herzoge von Zähringen.

Nachgewiesenermafsen wanderten auf der
Grenzscheide vom XV. zum XVI. Jahrh.
deutsche Glasmaler ins Schweizerland ein, die
sofort als selbstständige Meister Beschäftigung
fanden, ein weiterer Beweis dafür, dafs die
Wappenmalerei, deren Ausübung ihnen doch
wohl geläufig sein mufste, auch draufsen be-
trieben wurde.

Aber, mögen auch auswärtige Wappen-
und Bildscheiben, insbesondere oberdeutscher
und oberrheinischer Herkunft, nach Art der
Anlage und der Durchführung den schweize-
rischen Glasschildereien ähnlich sein, so steht
gleichwohl das eine unbestreitbar fest, dafs die
 
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