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Heidelberger Familienblätter — 1866

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No. 1 - No. 13 (3. Januar - 31. Januar)
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wie hätte er ſonſt auf einem roſafarbenen, goldbeſchnittenen Briefbogen, in

deſſen rechter Ecke ſich ein rieſiges Vergißmeinnicht an einem Nelkenſtiel
befand, in den leidenſchaftlichſten Ausdrücken ihr ſeine Liebe geſtehen, ſie
mit den rührendſten Worten um ein Rendezpous bitten können! Roſine
gewährte das Rendezvous, und die Beiden geſtanden ſich jetzt ihre Liebe
⸗mündlich“, froh und hoffend in die Zukunft ſchauend. Als dann einige
Wochen ſpäter das Erkerſtübchen im Hauſe der Madame Meier miethfrei
geworden, hatte es der Dr. phil. Enno Braunau, eben jener junge, blaſſe,
ſchlanke Menſch, bezogen und die beiden Liebenden waren glücklicher denn
je. Heimlich war und blieb das Verhältniß; nicht einmal die Mutter er-
hielt Kunde von demſelben, da Roſine ſich nichts romantiſcher, nichts poeſie-
reicher denken konnte, als grade ſolche Heimlichkeit. In⸗Gegenwart der
Mutter waren die Beiden kalt und gemeſſen, und nur des Abends, wenn
die Erſtere alte erprobte Freundinnen beſuchte oder ſonſt Abhaltung hatte,

verlebten die Liebenden glückliche Stunden. Traulich ſaßen ſie dann in der

— mit der Jobſiade zu reden —
— tranken des Mondes Silberſchein
Und das Flimmern der lieben Sternelein. *
der Herbſt heranrückte und ſolche abendliche Gartenſitzungen

Fliederlaube und

Als aber

nur zu oft Schnupfen und Huſten der Liebenden zur Folge hatten, be-

ſchloſſen ſie, den Ort ihrer Zuſammenkünfte in's Wohnzimmer zu verlegen,
dabei zugleich die löbliche Abſicht faſſend, der Mutter ihre Liebe zu geſtehen

und um deren Segen zu bitten.

„So ſtanden die Sachen, als der Schuhmacher Hauſer ſeinen Heiraths-

antrag machte und mit einem Korbe heimgeſchickt ward.
(Schluß folgt.)

Eine Myſtification.
In der Berliner Stadwerordnetehver-

ſammlung vom 9. d. wurde folgende eigen-

thümliche Geſchichte erzählt: An'einem der
letzten Tage voriger Woche erhielt Prof.
Virchow einen Brief, in welchem die Gat-
tin des Abg. v. Saucken⸗Tarputſchen ihm
anzeigte, daß derſelbe von den Sitzungen

des Königsberger Provinziallandtages in

ſehr leidendem Zuſtande zurückgekehrt ſei,

der wohl Schlimmes befürchten nund ſie

dringend wünſchen' laſſe, den perſönlichen
Rath des Profeſſor Virchow zu erhalten.
Sie bitte denſelben alſo, mit Eiſendahn
und Extrapoſt bis an einen namhaft ge-
machten Punkt ihrer Nachbarſchaft zu kom-

men, wo ihr Wagen ihn erwarten werde.

Prof. Virchow, in der Unmöglichkeit ver-
reiſen zu können, ſoll ſofort an den ihm
befreundeten Profeſſor Leiden zu Königsberg
ſich gewendet und dieſen erſucht haben, an

ſeiner Statt den Beſuch in Tarpuiſchen zu-

machen; zu gleicher Zeit habe er: an Frau
von Saucken telegraphiſch die. Gründe ſei-

Vermiſchtes.

ſpuken mag, ausreichend erklären.

nes Ausbleibens und den Erſatz angezeigt.
In Folge dieſer Depeſche habe ſich denn in
der nächſten Zeit heransgeſtellt, daß jener

angebliche Brieß der Dame gefälſcht, Herr

von Saucken im beſten Wohlſein und das
Ganze durchaus eine Myſtification ſei. Ver-
hält ſich die Sache ſo, wie ſie uns mitge-

Itheilt wurde, ſo hat — wie man zugeben
wird — die Sache in ihrer weitläufigen

und raffinirten Vorbereitung einen Anflug
ſeltſamer Bösartigkeit und läßt ſich ſchwer-
lich mit einer kleinen Trichinenrancüne,
wie ſie in dem einen oder anderen Kopfe

Ein gemüthlicher Berliner war das erſte

Mal auf einer Jagd. Ein Häschen kommt

aus dem nächſten Buſche eilfertig heran-
gelaufen, ſieht den Jäger, ſtutzt und macht
ein Männchen. Der Berliner, ſeiner Jä-
gerpflicht eingedenk, ſchlägt an; allein das

Häöchen dauert ihn und er ruft gutmüthig:

„Du Kleener, geh' doch weg, hier wird je-
ſchoſſen!“

Redaktion, Druck und Verlag von Adolph Emmer lin 9.
 
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