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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 47.1936

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Kunst und Kunsthandwerk am Bau
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https://doi.org/10.11588/diglit.10943#0383

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INNEN-DEKORATION

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KUNST UND KUNSTHANDWERK AM BAU

VON DR. H. GRETSCH, VORSITZENDEM DES DEUTSCHEN WERKBUNDES

Auch wer die Ereignisse der letzten Jahre in ihrem
S\. folgerichtigen Ablauf noch nicht übersehen kann,
wird zum mindesten zugeben müssen, daß wir uns in
einem geistigen Umbruch befinden, dessen Anfänge
sich bis um die Jahrhundertwende zurückverfolgen
lassen. Zunächst war es die deutsche Jugendbewe-
gung, die mit der Wiederbelebung des deutschen
Volksliedes, der Volkstänze und dem Wandern einer
natürlichen, völkisch gebundenen Lebensform zu-
strebte. Es war eine Jugend, die eigenwillig und un-
bekümmert neue Wege ging und den in satter Genüg-
samkeit dahinlebenden Spießern unserer Großstädte
manche Sorge bereitete. Auf den Fahrten, in Nest-
abenden, in Landheimen und an den Sonnwendfeiern
traf sich eine kleine Gruppe von Menschen, die sich
in den Jahren vor dem Kriege immer entschiedener
zu der einem hoffnungslosen Materialismus verfal-
lenen bürgerlichen Welt in Gegensatz stellte.

Fast gleichzeitig mit der Jugendbewegung beginnt
ein kleiner Kreis einsichtiger Künstler die Fehlent-

wicklung der Stilnachahmungsperiode zu erkennen.
Scheinbar unabhängig, im Grund jedoch aus der glei-
chen Wurzel kommend, versuchen Avenarius, Licht-
wark, Schultze-Naumburg, Riemerschmid, Muthesius
u. a. m. den Zerfall der alten deutschen Handwerks-
kultur aufzuhalten. Inmitten der Verfälschung, Ver-
ödung und Verwirrung, die mit dem unlauteren Wett-
bewerb der Maschine in das deutsche Werkschaffen
hineingetragen wurde, erkannten sie den überragen-
den und unerschöpflichen Wert des alten Handwerks
und der Volkskunst.

Als dritte, immer aktiver werdende Bewegung tritt
1908 der Deutsche Werkbund auf den Plan. Seine
Aufgabe war die Veredelung der gewerblichen Arbeit.
Die im Deutschen Werkbund zusammengefaßten
Kräfte anerkannten wohl den überragenden Wert des
Handwerks, richteten ihr Augenmerk jedoch in erster
Linie auf die mit Hilfe der Maschine hergestellten
Massenerzeugnisse. Ihre Sorge war die kulturelle Hal-
tung der zu Tausenden hergestellten täglichen Ge-
 
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