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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 55.1939-1940

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Christoffel, Ulrich: Ein Bildnis Heinrich Wölfflins
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Niederbayrische und Oberpfälzer Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.16488#0200

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Das Malerische ist die Form, die dem Alter ent- und geheimnisvollen Eintauchens in den Strom der
spricht wie die Plastik der Fülle der Lebenskraft. Dinge konnte Altherr, nun ein Sechziger, an die fes-
Das neue Bildnis, im Auftrag der Stadt Basel ent- selnde Aufgabe des Wölfflin-Bildnisses herantreten,
standen, wird im Basler Kunstmuseum aufbewahrt. Der Künstler rückt in allen seinen Bildnissen den
Heinrich Altherr hat in den Bildnissen seines Vaters Kopf gern an den obern Bildrand, daß sich unge-
1927, des Schauspielers Christian Kavsler 1929 und zwungen ein Hinaufschauen seitens des Betrachters
des Dichters Wilhelm Schäfer 1955 gezeigt, daß er ergibt und mit dem Bildniskopf zugleich die Gestalt,
auch im Porträt von der alemannischen Kraft der Haltung und Arme und Hände zum Sprechen ge-
herben Gestaltung und von dem ernsten Willen zur bracht werden. So malte er den Gelehrten am Tisch
innerlichen Erfassung des Menschen ausgeht, die sitzend mit dem charakteristischen Stützen des Kinns
seine Kompositionen erfüllen, und daß er die flam- durch die Rechte, wobei aber von dem Gesicht durch
mende Farbe zu steigern und zu bändigen weiß die hellere Hand nichts verlorengeht, und mit dem
durch die charaktergebende Bestimmtheit der Linie. leichten Auflehnen des linken Armes auf dem Bein,
Witz und Baidung wie Grünewald und Rembrandt worin die Gestaltlinie ihre elastische Entspannung
könnte man zu seinen Ahnen zählen. Altherr begann findet. Unverkennbar ist damit die schweizerische
seine künstlerische Laufbahn in München und kam Stammesart des Dargestellten betont. Das Denke-
nach einem kurzen Aufenthalt in Rom, wo er sich rische kommt zu seinem vollen Recht, aber statt des
nur seiner nordischen Natur bewußt wurde, nach aktiven Sehens der frühern Bronzebüsten ist mehr
Karlsruhe, wo ihm der Architekt Carl Moser den er- ein nach innen gerichtetes Sinnen angedeutet. Ein
sten monumentalen Auftrag, die Mosaiken der Bas- im Denken, Betrachten und Prüfen zugebrachtes Le-
ier Paulskirche, übertrug. Nach wenigen Jahren ben hat die Energien des Gesichtes um die Augen ge-
wurde er nach Stuttgart berufen, wo seine eigen- sammelt, und der Maler zeichnete die Furchen des
artigen Anlagen in einer reichen Tätigkeit ausreifen Geistes in lapidaren Zügen nach. Wie Wölfflin von
konnten. In Gestalten wie dem Dürstenden, dem der Schönheit der begrenzten italienischen Form im-
Zweifler, dem Chronisten unserer Tage, dem Unent- mer wieder zum Unendlichen und Grenzenlosen der
wegten, dem Wanderer oder Gedanken wie dem deutschen Empfindung herübergezogen wurde und
Fluch und der Gerechtigkeit suchte er das Schicksal mit zunehmendem Alter in Rembrandt den wesent-
der Zeit, das Rätsel des Lebens visionär und plastisch liehen Pol gefunden zu haben bekennt, hat Altherr
zugleich darzustellen und in einer oder wenigen Fi- gerade diese Schwebung in den Schatten und Farben
guren immer einen totalen, Raum und Körper ver- seines Bildnisses berührt. Eine der Formbestimmun-
einigenden Bildausdruck zu geben. Im Jahre der gen Wölfflins lautet: schön ist, was den Eindruck des
Olympiade 1956 ist eines der schönsten Bilder „Das Ruhigen und Machtvollen gibt. Beide Eigenschaften
heilige Feuer" entstanden, wo in einer Dreiergruppe sind in dem Bildnis vereinigt, aber noch ins dunkel-
der Lauf des Feuers, das durch die Länder getragen farbig Geistige, spannungsvoll Willentliche vertieft
wurde, sinnvoll zum Ausdruck gebracht ist. Aus die- worden.

sen Voraussetzungen eines realistischen Gestaltens Ulrich Christoffei

Niederbayrische und Oberpfälzer Künstler

Durch eine Gastaustellung bei den Münchner Ka-
meraden lernte man eine Gruppe von niederbayri-
schen und oberpfälzischen Künstlern kennen, die
teils aus der bayrischen Ostmark stammen oder dort
noch ansässig und tätig- sind, und die den landschaft-
liehen Charakter des Donautales und des Bayrischen
Waldes in Malerei und Zeichnung wiederzugeben
trachten. Niemand erwartet, daß von dem Randge-
biet im Osten Münchens künstlerische Bewegungen
ausgingen oder daß unentdeckte Talente dort ver-
gessen wirkten, und es ist vielmehr verständlich, daß
aus der Mitte des Münchner Kunstlebens und der
Münchner Kunstschulen die Strahlungen und Anre-
gungen bis in die entlegensten Gebiete ausgehen.
Allein es bleibt immer erfreulich, daß trotz der gei-
stigen Landflucht auch heute Künstler ihren Stam-
mesgebieten treubleiben, aus den Zentren wieder in
kleinere Städte oder aufs Land ziehen und die Eigen-

arten einer besonderen Natur und Landschaft bilder-
freudig auffassen. Das Heimatliche wird dann auch
von den niederbayrischen und oberpfälzischen
Künstlern vor allem gepflegt. Fritz Spahn zeigt einen
schönen Blick auf Passau, Otto Zacharias das Donau-
ufer und den Dom von Regensburg, und damit ist
schon das Gebiet in seinen alten Kulturmittelpunk-
ten abgegrenzt, dem die Künstler ihre Teilnahme
zuwenden. Otto Zieske malt abgerundete Fernsich-
ten über die grünen Täler, Wälder und Höhen des
Bayrischen Waldes, und in wechselnder Tonart wan-
deln auch Eugen Karl Siegler oder W. Reindl in sei-
nen stilisierten bläulichen Bildern oder Franz Ermer
in seinen Motivzeichnungen dieses Thema ab. Ermer
selber malte auch eine verschneite Straße in der
Stadt mit illustrativer Belebung der Bäume und
Häuser, und diese Lust, mit dem Pinsel die Dinge
munter zu zeichnen und durchzubilden, zeigen auch

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